„Horoskope“ der 2000-Watt-Gesellschaft

Es gehört offenbar zu den Eigenheiten der Gesellschaft, „Schubladen“ für die Gruppenbildung zu schaffen (und dazu gibt es dann das Sprichwort, dass mensch dauernd damit beschäftigt ist, aus den Schubladen hinauszuklettern, in die mensch von andern hineingesteckt wurde). Horoskope sind eine solche Schubladisierung, mit 12 Hauptschubladen, wobei diese zum Beispiel durch den Aszendenten feiner unterteilt werden können – bis hin zu noch feineren Unterteilungen. Wenn solche Schubladisierungen nicht zur fatalistischen Prägung mit selbsterfüllenden Prophezeiung verkommen, können solche Typisierungen durchaus einen nützlichen Beitrag zur Selbsterkenntnis liefern.

Bei der 2000-Watt-Gesellschaft geht es vor allem um Konsumfragen und die individuelle Haltung dazu. Konsum, das hat sehr viel mit Marketing zu tun. Soziale Mileus versuchen, die Bevölkerung zu segmentieren, zu schubladisieren. Sinus-Milieus sind ein solcher Versuche, beispielsweise für Deutschland oder die Schweiz analysiert.

Die Zeitschrift politische ökologie, Ausgabe 105, Juni 2007 war dem Thema „Nachhaltiges Design“ gewidmet – dabei hat Ursula Tischner von der Firma econcept.org, Agentur für nachhaltiges Design Überlegungen zur Ansprechbarkeit der Zielgruppe Gesellschaft auf ökologische/nachhaltige Argumentationen gemacht. Demnach wären aus den 10 deutschen Sinus-Milieus die Hälfte – entsprechend einem Bevölkerungsanteil von 48 % für Nachhaltigkeitsthemen ansprechbar, wobei jede dieser Milieus einen eigenen Zugang zur Nachhaltigkeit hat:

  • Exklusivität („Natürlich besonders – gehobene Ansprüche“)
  • Umwelt („Natürlich gut – Haus gleich Natur“)
  • Qualität („Natürliche Qualität – zeitloser Stil“)
  • Gesundheit („Natürlich gesund – Wohnen zum Wohlfühlen“)
  • Lifestyle-Avantgarde („Natural lifestyle – Individual fashion“)

Nun, das Abstimmungsergebnis zur 2000-Watt-Abstimmung in der Stadt Zürich vom 30. November 2008 mit einem Ja-Stimmenanteil für die 2000-Watt-Gesellschaft von über 75 % lässt erahnen, dass grundsätzlich auch noch weitere als ökologische Argumente für derartig visionäre Ideen massgeblich sind, vielleicht auch, dass StadtbewohnerInnen möglicherweise anders ticken als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Aber trotzdem: soll das Thema der 2000-Watt-Gesellschaft in den Köpfen, Herzen und Händen (also im Bezug auf rationale Argumente, emotionale Bezüge und der Handlungsbereitschaft) der Menschen Platz finden, braucht es unterschiedlichste Formen der Kommunikation.

Eine der Trendsetter-Lifestyle-Gruppen – Lebensstile sind nochmals eine andere Schubladisierung – welche für Nachhaltigkeitsüberlegungen besonders ansprechbar ist, wird als LOHAS bezeichnet: Lifestyle of Health and Sustainability. Es ist diese Lifestyle-Gruppe, die einerseits durch ihre Kaufkraft dazu beiträgt, dass gewisse ökologisch orientiere Überlegungen – von der Bio-Knospe bei Lebensmitteln über Minergie-P-Häuser über Ökotourismus – überhaupt eine Marktnische finden. Andererseits ist es auch diese Konsumgruppe, die ebenfalls wegen ihrer Kaufkraft krampfhaft daran festhält, dass die 2000-Watt-Gesellschaft ausschliesslich dank „bewusstem“ Konsum, aber ohne Verzicht (was immer auch dies bedeutet) möglich sei. Auch deshalb finden bei dieser Lifestyle-Gruppe gut gemeinte (was bekanntlich nicht das gleiche ist wie gute) Ansätze wie etwa der CO2-Kompensierer myclimate sehr viel Anklang – das schlechte Gewissen lässt sich relativ billig wegspenden.

An den LOHAS haben die Marketing-Fachleute ihre helle Freude: kaufkräftig, mit Hinweis auf Nachhaltigkeit (und Gesundheit) sogar zum Kauf von noch teureren Produkten bereit – schliesslich können sie mit „Geiz-ist-geil“ glücklicherweise nicht sehr viel anfangen!

Eine andere Gruppe, die LOVOSLifestyles of Voluntary Simplicity – ist marketingmässig schwieriger zu erreichen, da sie sich im Konsumverzicht übt, um beispielsweise den Alltagszwängen aus dem Weg gehen zu können. Das heisst: diese Gruppe kauft sich Dinge auch dann nicht, wenn sie sich sogar leisten könnte, weil noch bewusster und gezielter konsumiert wird. Allerdings: LOHAS und LOVOS überdecken sich teilweise…

Solche Haltungen reizen auch die TrendforscherInnen wie beispielsweise Mirjam Hauser und David Bosshart beim Gottlieb-Duttweiler-Institut GDI oder speziell zu LOHAS Matthias Horx.

Auch LOHAS und LOVOS sind letztlich Schubladen. Wenn die 2000-Watt-Gesellschaft erreicht werden soll – und dies ist zwingend erforderlich, um der Menschheit das Überleben auf dem Planeten Erde zu ermöglich – müssen alle Menschen unabhängig von ihren Schubladen in ihrem Verantwortungsbereich, sowohl privat als bei der Erwerbsarbeit, die nötigen Handlungen auslösen und ausführen.

Zu den Handlungsspielräumen: