Volksabstimmung 5. Juni 2016: Empfehlungen zum Ausfüllen der Stimmzettel

Stimmberechtigte in der Stadt Zürich haben für die Volksabstimmung vom 5. Juni 2016 die Stimmzettel zu zwölf Abstimmungsfragen auszufüllen – dazu meine Empfehlungen. In Kurzform: Bund Nein, Ja, Nein, Ja, Ja (in der Reihenfolge der Nummern der Abstimmungsvorlagen); Kanton Zürich Ja; Stadt Zürich sechs mal Ja!

Eidgenössische Volksabstimmungen

  1. Volksinitiative vom 30. Mai 2013 «Pro Service public»: NEIN (ausser es kommt zu einem Ja zum bedingungslosen Grundeinkommen)

    Es ist nun mal so, dass ohne bedingungsloses Grundeinkommen die Höhe des Lohnes ein Hilfsmittel ist zur gesellschaftlichen Bewertung von Arbeit. Es funktioniert schlicht nicht, ausgerechnet bei Service public diese Regeln ausser Kraft zu setzen – angesichts des real existierenden Bundesrates ist zu befürchten, dass dies auch für die Politik gilt. Es ist alles andere als gesichert, dass tiefere Löhne beim Service public die Dienstleistungen billiger und besser machen.

  2. Volksinitiative vom 4. Oktober 2013 «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen»: JA! JA! JA! (aber trotzdem nur einmal JA auf Stimmzettel 2 schreiben)

    Aus Zukunftssicht gibt es keine Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen. Eine Wirtschaft, die die Höhe des Lohnes als Motivations- und Erfolgsausweisinstrument einsetzt, setzt auf Demotivation und illegale Verhaltensweisen (aktuelles Stichwort Panama Papers). Immer offensichtlicher werden auch die Lügen über die Sicherheit der finanziellen Altersvorsorge. Diese alten Denkmuster, die kaum lösbare Schwierigkeiten offensichtlich werden lassen, stehen leider derzeit dem neuen Ansatz des bedingungslosen Grundeinkommens im Weg.

  3. Volksinitiative vom 10. März 2014 «Für eine faire Verkehrsfinanzierung»: NEIN

    Wieder mal ist die Windschutzscheibenoptik Triebkraft für eine Volksinitiative, immer noch wird das Recht auf Mobilität mit dem Recht auf Autoverkehr gleichgesetzt. Die Lernfähigkeit und Weiterentwicklung hinter Windschutzscheiben ist offenbar ziemlich nahe bei Null. Ganz klar: In dieser Form hat Strassenverkehr keine Zukunft, er soll gefälligst mal wenigstens die verursachten Kosten bezahlen!
    Diese Initiative verstösst in diversen Punkten zum Teil erheblich gegen die Verfassung. Einmal mehr wäre hier eine Ungültigerklärung angezeigt gewesen.

  4. Änderung vom 12. Dezember 2014 des Bundesgesetzes über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG): JA

    Dieses Ja ist nicht optisch hervorgehoben wie die Abstimmungsempfehlungen bei den anderen Vorlagen. Diese Vorlage gründet im menschlichen Machbarkeitswahn – die Präimplantationsdiagnostik hat Grenzen. Bundesrat Alain Berset hält dazu fest: «Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind».

  5. Änderung vom 25. September 2015 des Asylgesetzes (AsylG): JA

    Auch wenn die Asylgesetzgebung laufend politisch nach rechts rückt und von der humanitären Tradition und Verpflichtung immer mehr Abstand nimmt, ist das Ja angemessen. Klimawandel ist ein nachgewiesenermassen zunehmender Grund für Migrationsbewegungen. Es ist erschreckend, dass ausgerechnet Parteien wie die SVP, die sich gegen den Klimaschutz wehren, auch im Asylbereich nationalkonservative Haltungen vertritt.

Kanton Zürich: Volksabstimmung

  1. Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (Änderung vom 30. November 2015; Wählbarkeitsvoraussetzungen für Bezirksrichterinnen und Bezirksrichter): JA

    Dass BezirksrichterInnen über nachgewiesene juristische Kenntnisse verfügen müssen, ist angesichts der komplexen Materie angemessen. Ob RichterInnen «weise» und gerecht entscheiden, hat nur zum Teil mit dem fachlichen Hintergrund zu tun. Die Volkswahl und damit die demokratische Mitbestimmung bei der Wahl der RichterInnen bleibt erhalten.

Stadt Zürich: Volksabstimmungen

  1. Instandsetzung und Umbau von Kongresshaus und Tonhalle (165 Millionen Franken), Beitrag an Tonhalle-Provisorium (höchstens 1,65 Millionen Franken) und Entschuldung der bestehenden Trägerschaft des Kongresshauses (72,8 Millionen Franken) mit Ausgaben von insgesamt 239,45 Millionen Franken; Genehmigung einer Grundstücksübertragung; jährlicher Beitrag an die Kongresshaus-Stiftung von höchstens 2,9 Millionen Franken und Erhöhung des jährlichen Beitrags an die Tonhalle-Gesellschaft um 2,5 Millionen Franken: JA
  2. Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Kongresshaus-Stiftung Zürich, Änderung der Gemeindeordnung: JA

     
    Zwei der zahlreichen Vorlagen zum Thema «Kongresse und Zürich» – die lange Vorgeschichte und die recht deutliche Zustimmung im Gemeinderat (die SVP zählt wie immer nicht) weisen darauf hin, dass diese beiden Geschäfte eine zukunftsfähige Lösung ermöglichen könnten.


  1. Pflegezentrum Bombach in Zürich-Höngg, Neubau Haus B, Objektkredit von 23,575 Millionen Franken: JA

    Abstimmungen zu Pflegezentren sind in der Regel nicht umstritten …

  2. Ausstieg der Stadt Zürich aus der Kernenergie, Änderung der Gemeindeordnung: JA

    30 Jahre nach Tschernobyl, fast 8 Jahre nach der Abstimmung über die 2000-Watt-Gesellschaft ist es an der Zeit, ein ökonomisches Zeichen zu setzen: Keine Investitionen mehr in Atomkraftwerke! Angesichts der offensichtlichen Sackgasse Atomenergie dürfte es zwar schwierig werden, InvestorInnen zu finden, die sich an Auslaufmodellen beteiligen wollen. Auch sind damit die bestehenden Atomkraftwerke nicht «ausradiert». Nachdem allerdings die Stimmberechtigten der Stadt Zürich bereits 1990 für den Ausstieg aus der Atomenergie votiert haben, sind auch als symbolisch wahrgenommene Schritte angezeigt. Die Stadt Basel hat den Ausstieg schon vor vielen Jahren ebenfalls beschlossen, ohne dass sich die Zahl der AKWs in der Schweiz verringert hätte. Die politische und kommunikative Wirkung eines solchen Schrittes ist von grosser Bedeutung.


  1. Gemeindebeschluss «Rationelle Verwendung von Elektrizität» vom 5. März 1989, Teilaufhebung: JA

    In den letzten 27 Jahren hat sich energiepolitisch zwar sehr wenig verändert – die Energiewirtschaft hat ein schon fast an Unbeweglichkeit grenzendes Veränderungsverhalten, mit ein Grund für die aktuellen Schwierigkeiten etwa der Alpiq. Die in der Summe eher bescheidenen Veränderungen erlauben es, die Bestimmungen des Gemeindebeschlusses aus dem Jahr 1989 fast vollständig aufzuheben. Erhalten bleibt nur eine finanzpolitische Bestimmung, die energiepolitisch schon immer fremd war im diesem Gemeindebeschluss.

  2. Verordnung über gemeinwirtschaftliche Leistungen des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (ewz) im Rahmen der 2000-Watt-Ziele, Neuerlass: JA

    Es ist eine Unart nicht nur der Schweizerischen Energiepolitik, eigentlich selbstverständliche und sinnvolle Tätigkeiten mit finanziellen Beiträgen zu unterstützen, so wie früher die Landwirtschafts-Subventionitis. SchweizerInnen brauchen offenbar auch für zweckmässige und vernünftige Handlungen finanzielle Förder-Nudges. Da sind offenbar die StadtzürcherInnen nicht anders. Es ist zu hoffen, dass die Subventionitiswirtschaft nicht im Wege steht, wenn es darum geht, ein zukunftsgerichtetes System von vollständig an Haushalte und Wirtschaft rückerstattete Lenkungsabgaben einzuführen.
    Absurd und grotesk ist die Argumentation des CVPFDPSVP-Referendumskomitees gegen diese Verordnung. Wenn Förderung zu den energiepolitischen Instrumenten gehört, dann ist dieses auch einzusetzen (also keine Nullbeiträge). Wie die Teilaufhebung des Gemeindebeschlusses «Rationelle Verwendung von Elektrizität» vom 5. März 1989 zeigt, ist entgegen den Behauptungen dieses Absurd-Referendumskomitees jederzeit eine Veränderung oder gar Abschaffung der Verordnung möglich – bei einer grossen Zahl der Motionen und Postulate des Gemeinderates handelt es sich um derartige Anpassungen des kommunalen Rechts. Also wieder einmal eine Leerlaufabstimmung.


Und wie immer: Unbedingt an der Volksabstimmung vom 5. Juni 2016 teilnehmen!