Polizei- und Justizzentrum Zürich (PJZ): Missbrauch der Demokratie

Obwohl die gesamte Diskussion über das PJZ schon Jahre dauert, hat es noch nie wirklich plausible Begründungen für dieses Bauvohaben an dieser Stelle gegeben. Einmal mehr versagt die Raum- und Städteplanung dieses Landes – unter massivem Demokratiemissbrauch. Ironie ist bloss, dass an dieser Stelle ausgerechnet ein rechtsstaatliches „Kompetenzzentrum“ für Polizei und Justiz entstehen soll.

Raum- und Städteplanung hat durchaus auch die Möglichkeiten für Gestaltungseinfluss. Warum allerdings ausgerechnet ein Hochsicherheitstrakt für Polizei und Justiz an dieser Stelle entstehen soll, ist trotz langer Diskussion nie klar geworden. Es reicht einfach nicht aus, dass die bisherige Eigentümerschaft SBB dieses Grundstück nicht mehr braucht, der Kanton als potentielle Käuferschaft über Kaufabsichten verfügt und dann irgendwelche Nutzungen zusammenballen möchte, um dieses Grundstück zu nutzen.

Die Politik im Kanton, welche traditionell aus dem Gegensatzpaar „Links-Rechts“ besteht, hatte keine plausiblen Antworten auf die Nein-Argumente der struktur- und wertkonservativen Kräfte ($VP, Grüne), Links-Rechts kann nicht damit umgehen, dass zwei ziemlich unterschiedliche Lager aus sehr sehr unterschiedlichen Gründen zur gleichen Abstimmungsparole kommt. Deshalb half nur die Diffamierung über die so genannte „unheilige Allianz“. Ich wiederhole mich: ich habe sehr viel über dieses Thema gelesen und gehört, und bis jetzt habe ich nur einfach widerlegbare Beliebigkeiten gehört, warum das PJZ genau in dieser Form und an genau an dieser Stelle nötig sein soll.

Festzuhalten ist: das versprochene Bauvolumen kann auf keinen Fall zu den finanziellen Konditionen erstellt werden, die die BefürworterInnen nennen. Wenn das im PJZ-Gesetz enthaltene Bauprogramm erstellt werden soll, ist dafür mit mindestens einer Mia Franken Kosten zu rechnen. Die erhofften Zusammenarbeitssynergien zwischen Polizei und Justiz sind ausschliesslich abhängig von der Zusammenarbeitsbereitschaft der Beteiligten. Mit den aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten hängt Zusammenarbeit definitiv nicht mehr von räumlicher Nähe ab – im Gegenteil! Als ein Hinweis: die modernen Büroformen – etwa CS Uetlihof, bei dem Mitarbeitende keinen fest zugewiesenen Büroarbeitsplatz mehr haben, illustrieren einmal mehr, dass räumliche Nähe schlicht keinen Einfluss auf die Zusammenarbeitskultur hat. Falls dieses Argument je ernsthaft erwogen wurde, ist es bereits vor Baubeginn des PJZ definitiv vom Tisch! Zusammenarbeit ist ein bewusster, absichtlich herbeigeführter Prozess und ergibt sich nicht zufällig aus räumlicher Nähe!

Nun, die Stimmberechtigten des Kantons Zürich haben sich, sicher auch mit dem Hintergrund des Sankt-Florian-Prinzips, sicher auch mit der derzeitigen ländlichen Arroganz der Landbevölkerung gegenüber der Stadt Zürich die „Unheiligen-Allianz“-Argumentation in den Vordergrund gestellt. Dies hat mit Demokratie schlicht nichts mehr zu tun.

In der zweiten Abstimmung über die allfällige Abschaffung des PJZ-Gesetzes war eines der absurdesten Argumente für die Beibehaltung des Gesetzes zu hören: weil die Stimmberechtigten bereits ein erstes Mal zugestimmt hätten, könne man in der zweiten Abstimmung gar nicht mehr „Nein“ stimmen. Auch die Stimmberechtigten sind lernfähig, es muss möglich sein, dass eine Mehrheit zwischen zwei Abstimmungen die Meinung ändern kann und darf.


Dass sich wertkonservative im Verbund mit den strukturkonservativen Argumenten durchgesetzt haben, ist in der Schweiz kein einmaliger Vorgang. Das Nein der Schweiz zum EWR vom 6. Dezember 1992 wäre ohne das Nein der fundamental-grünen Kräfte nicht zustande gekommen, die Blocher-$VP hätte dies nicht geschafft. Blöderweise hat die grüne Parteispitze sowohl in Abkehr von grüner Politik als auch unter Missachtung wichtiger Politikregeln die Chance vertan, aus diesem Volksnein einen konstruktiven Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung sowohl der Schweiz als auch der EU abzuleiten, vor allem wegen der dümmlichen Unheilige-Allianz-Aussagen. Das Fehlen des politischen Öko-Flügels zeigt sich einerseits beim sinkenden Stimmenanteil der Grünen – auch die Schaffung der Grünliberalen ist zumindest in Ansätzen eine Folge der politischen Verweigerungshaltung der damaligen grünen Parteileitung. Viel dramatischer: weil die grünen Stimmen hinter dem EWR-Nein zum Verstummen gebracht wurden, konnte Herr Blocher das EWR-Nein ausschliesslich für die $VP auswerten. „Bundesrat Blocher“, aber auch die Affäre Blocher 2011/2012 mit dem Mobbing gegen Nationalbank-Direktionspräsident Hildebrand sind ohne diesen Hintergrund kaum erklärbar. Einmal mehr: weil es in der Politik keine „heiligen Allianzen“, sondern bestenfalls temporäre Zweckbündnisse gibt, kann es auch keine „unheiligen Allianzen“ geben. Dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen zu einer Parole zu einem Sachthema kommen können, muss insbesondere Link-Rechts noch lernen.