Lohnverzicht – keine Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen für alle

Frau Bundesrätin Doris Leuthard ist bereit, auf einen Zehntel ihres Lohns zu verzichten und damit einEn erwerbsloseN AkademikerIn zu beschäftigen (beim angenommenen Lohn einer Bundesrätin ergibt dies einen Drittel-Job oder einen zu einem Drittel bezahlten Job). Ist der partielle Lohnverzicht mit gleichzeitiger Schaffung von Teilzeit-/Teillohnstellen ein guter Vorschlag?

Der Lohn des obersten Kaders in der Schweiz hat nichts mit Leistung, Verantwortung oder Mittelbedarf zu tun. Die Lohnschere ist ein Element des persönlichen Prestiges und Selbstwertgefühls. Völlig klar: wer 400’000 Franken und mehr pro Jahr verdient, kann ohne Probleme auf 10 Prozent des Lohns verzichten – und kann immer noch genügend Geld ausgeben, und ist auch für ein hohes Pensum immer noch genügend bezahlt.

Die Masse der Erwerbstätigen hat deutlich tiefere Löhne. Angesichts der Lebenshaltungskosten liegt ein derartiger Lohnverzicht ohne Gegenleistung nicht drin. Wenn schon braucht es auch eine Verminderung der Arbeitszeit – was allerdings häufig einer Selbstausbeutung gleichkommt, da das erwartete Arbeitspensum sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung deutlich über den eigentlich nach Arbeitsvertrag vorgegebenen Sollstundenzahlen liegt. Zumindest als Rechenbeispiel tönt die Sache gut: reduzieren 4 Erwerbstätige mit einem 100-Prozent-Job ihr Pensum auf je 80 Prozent, könnte ein neuer Job mit ebenfalls 80 % geschaffen werden. Bei 20 % weniger Erwerbseinkommen, aber dafür mehr Lebensqualität durch mehr persönlich verfügbare Zeit. Im übrigen: durch den Verzicht auf ein eigenes Auto, eine vegetarische Lebensweise, eine höchstens durchschnittliche Beanspruchung von Wohnraum lässt sich diese Verminderung des Erwerbseinkommens auch ökonomisch bewältigen. Als nützlicher Nebeneffekt ergibt sich eine deutliche Verminderung des ökologischen Fussabdrucks.

Und gleichzeitig könnte als Beitrag zur Legenden- und Ideologieerhaltung der Mythos der Vollbeschäftigung betont werden.

Dabei zeigt sich eindeutig, dass die Frage des Erwerbseinkommens nicht wirklich eine volkswirtschaftlich relevante Grösse ist. Die ganze Diskussion ist ausschliesslich Ideologie. Zentrale Aufgabe des Gemeinwesens ist die Sicherung der Existenz aller Menschen einer Gesellschaft.

Wenn der dümmliche SVP-Nationalrat Alfred Heer und der nur noch ironische Noch-Bundesrat Moritz Leuenberger über den angekündigten Lohnverzicht von Frau Leuthard herziehen, zeigt sich deutlich: Frau Leuthard stellt ideologische Tabus des Arbeitsmarktes in Frage, und dies wird weder von rechts noch von links akzeptiert, weil das ideologisierte Erwerbseinkommen unterdessen zur Machtfrage geworden ist, quasi die moderne Form des Klassenkampfs.

Konsum ist und bleibt einer der zentralen Umweltbelastungsfaktoren – der ökologische Fussabdruck der SchweizerInnen ist übermässig und muss dringlich vermindert werden (siehe zum Beispiel der Artikel „Shopping beeinflusst CO2-Bilanz“ aus der ETH-Zeitschrift ETHlife vom 19.6.09). Die Politik muss endlich davon abkommen, eine Maximierung der Erwerbseinkommen zu wollen, es braucht einen Uebergang zum bedingungslosen Grundeinkommen für alle. Aus dieser Sicht ist das Lohnverzicht-Angebot von Frau Leuthard gut gemeint, aber in einer Gesamtbetrachtung nichts mehr als Symptombekämpfung.