Nein zum biometrischen Pass in dieser Form

Je offener die (Landes-)Grenzen, desto schwieriger und aufwändiger wird der einwandfreie Identitätsnachweis. Dass selbst mit sehr genauen Anleitungen erstellte Passbilder den heutigen Anforderungen in einer als unsicher geltenden Welt nicht zu genügen vermögen (insbesondere die USA pflegt und hegt eine Pseudo-Sicherheit, die mit der Gewährleistung von Sicherheit sehr wenig gemein hat), ist nachvollziehbar. Dass nun in der Schweiz die Anforderungen des als sicherer geltenden biometrischen Passes gerade zur Einführung einer zentralisierten Datenbank von digitalen Fingerabdrücken und digitalen Portraitbildern führt, ist wieder einmal mehr typisch schweizerisch aber absolut unnötig.

Reisemöglichkeiten – egal ob für berufliche oder private Zwecke – gelten als eine der zentralen Freiheiten moderner Staaten. Auch wenn das Gesetz vorgibt, dass die erfassten Daten nur bei ganz besonders schweren Kriminaldelikten zu Fahndungszwecken herangezogen werden sollen, kann der Staat, können insbesondere die vielen in den Datenaustausch einbezogenen fremden Staaten keine Gewähr dafür bieten, dass Fingerabdrücke und Portraits nicht missbräulich verwendet werden können. Es gibt keine absolut sicheren Datenbanken. Nicht nur die Kriminalliteratur gibt es zahlreiche derartige Beispiele; auch in Realität gehören geknackte Datenbanken zum Standard. Gerade bei Passdatenbanken, auf die viele Offizielle Zugriff haben müssen, sind die Wege zur „Veröffentlichung“ der Geheimdaten vielfältig. Im übrigen: Geheim kann nur etwas sein, welches höchstens zwei Menschen kennen; denn dann weiss die andere Person, wer die Geheimnisse verraten hat. Sobald solche Daten „öffentlich“ sind, ist der Missbrauch ohne Probleme möglich: Fingerabdrücke können entweder in der Datenbank verändert werden oder es können Silikonabdrücke (Stichwort Fingerabdruck-Fasnacht) erstellt werden; auch Portrait-Bilder lassen sich verändern.

Wer meint, wer nichts zu verbergen habe, müsse keine Sorge haben um die persönlichen gespeicherten Daten, mag auf den ersten Blick Recht haben – im Hinblick auf die nicht unrealistischen Missbrauchsmöglichkeiten trifft dies mit Sicherheit nicht mehr zu! Angesichts der kriminellen Energie insbesondere von Wirtschaftskriminellen ist nicht undenkbar, dass alle denkbaren Missbräuche auch realisiert werden könnten. Da gibts wirklich nur eines: die am 17. Mai 09 den Stimmberechtigten vorgelegte Form des biometrischen Passes ist untauglich und darf in dieser Form nicht realisiert werden – die Freiheit des Reisens darf nicht durch überteure und unsichere Lösungen vergällt werden. Darum Nein am 17. Mai 2009 zur Einführung von elektronisch gespeicherten biometrischen Daten im Schweizer Pass.

P.S. Parlament und Bundesrat tun so, als wäre die aktuelle Vorlage die einzig mögliche Umsetzung der international vereinbarten Inhalte von biometrischen Pässen. Eine zentrale Speicherung ist zur Erfüllung der internationalen Standards nicht erforderlich – und bei einer Lösung, wie sie bereits in anderen Ländern realisiert wurde, sollte auch die Zeitvorgabe reichen. Sonst haben die sich ach so demokratisch gebenden Nachbar- und befreundeten Staaten endlich einmal zu beweisen, dass sie das Votum der obersten Instanz eines Staates – und das ist nun mal der Souverän, die Gesamtheit der Stimmberechtigten – zu respektieren gewillt sind!


Nachtrag 21.4.09

Hacker knacken das teuerste Waffenprojekt der USA“ war am 21.4.09 in den Medien zu lesen. Da davon auszugehen, dass bei militärischen Projekten besondere Sicherheitsbestimmungen gelten, sicher solche, die über die Anforderungen einer Öffentlichkeitsdatenbank für Biometrie-Daten hinausgehen, ist es schleierhaft, warum überhaupt jemand davon ausgeht, eine Datenbank könne überhaupt sicher sein. Ganz banal: wenn sich jemand Vorteile davon verspricht, den Schutz der Biometrie-Datenbank überwinden zu können, wird diese Person oder Gruppe eine Methode finden, sich Zugang zur Biometrie-Datenbank zu verschaffen!


Nachtrag nach der Abstimmung vom 17.5.09

Zwar gehören auch knappe Entscheide zum Wesen echter Demokratien – aber einmal mehr haben nichtsnutzige Argumente („Reisefreiheit“) und käufliche Stimmberechtigte (sorry, durch Marketing beinflussbare Stimmberechtigte) bei einer Abstimmung den Ausschlag gegeben.

KEINE Datenbank ist absolut sicher – es muss davon ausgegangen werden, dass heikle Personendaten in falsche Hände gelangen.

Auch Menschen mit einem guten Gewissen können und dürfen kein Interesse haben, dass ihre Datenspur noch viel grösser wird. Frau Fiala von der Zürcher FDP hat nämlich schon verlangt, dass Daten für irgendwelche Fahndungen Verwendung finden dürfen. Da davon auszugehen ist, dass dieses zufällige Ja keinen Bestand haben wird, lohnt sich insbesondere für BefürworterInnen dieses oder jene Buch, welches sich mit den Folgen dieser Datenspuren befassen. Zum Beispiel der Roman „Der Täuscher“ von Jeffery Deaver!

Eine interessante Feststellung: in der Tendenz haben die grossen Städte eher Nein zu den biometrischen Pässen gesagt als ihr Umland, ausser in der Stadt Bern – sollte man in der Stadt Bern die Nein irrtümlich als Ja und umgekehrt gezählt haben, wäre die Vorlage abgelehnt (und die Stadt Bern lieferte die letzten, alles entscheidenden Zahlen)! So knapp ist das Abstimmungsergebnis ausgefallen.

Wie gesagt, Mehrheitsentscheide sind zu respektieren in einer Demokratie, mehr aber nicht! Wirklich überzeugt sind die Stimmberechtigten von den biometrischen Pässen nicht! Der Bundesrat wäre gut beraten, nochmals über die Bücher zu gehen und eine Lösung ohne zentrale Datenbank auszuarbeiten – die noch zu erarbeitenden Verordnungen lassen diesen Ermessensspielraum durchaus offen. Denn: nicht gesammelte Daten können nicht missbraucht werden!


Nachtrag 20.6.09

Am 19.6.09 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK) einer Kommissionsinitiative zugestimmt, mit welcher erreicht werden soll, dass das revidierte Ausweisgesetz in verschiedenen Punkten nachgebessert wird – insbesondere sollen verschiedene Vorbehalte – zum Beispiel die Notwendigkeit der zentralen Datenbank für die biometrischen Angaben – der mit Zufallsstimmenverhältnis unterlegenen GegnerInnen dieser Vorlage aufgenommen werden. Wenn dies gelingt, ist dies wesentlich wirksamer als eine nochmalige Nachzählung der Stimmen.

Erste Version 13.4.2009