Bundesrats-Ersatzwahlen: ein neues Verfahren muss her

Nach den gelegentlich erfolgenden Meldungen über Einzelrücktritte von Bundesratsmitgliedern passiert in der Schweiz seltsames: da werden in kurzer Zeit eine Vielzahl von Namen ins Spiel gebracht – auch wieder beim Rücktritt von Bundesrat Pascal Couchepin. Die Politik ist ein eigenartiges Geschäft, hier geht es nicht wie sonst im Jobbereich üblich um Qualifikationen, sondern ausschliesslich um Quoren – Partei-, Sprach-, Geschlechterquoren usw. Diese hastigen Namensnennungen sind ein klarer Hinweis darauf, dass an Personen orientierte Politik nicht lösungsorientiert sein kann.

„Persönlichkeitswahlen“ – mit dieser Leerformel wird in der Schweiz das Festhalten am Majorzprinzip für Exekutivwahlen begründet. Im Gegensatz zur eigenartigen Form der repräsentativen Demokratie (wie etwa in Deutschland) hat in einer direkten Demokratie die Exekutive in erster Linie exekutiven, ausführenden Charakter; grundsätzlich bleiben die Strategieentscheide den legislativen Elementen vorbehalten. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Rolle der Exekutive auch im strategischen Bereich immer stärker wird – unter anderem darum, weil sich die Exekutiven auf verschiedenen Ebenen auf gut qualifizierte und engagierte Stäbe stützen können. Oder anders: der „Laden“ öffentliche Verwaltung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne Exekutivmitglieder funktionieren. Ganz plump: eigentlich sind die Exekutivmitglieder in erster Linie die OeffentlichkeitssprecherInnen der ihnen unterstellten Departemente. Es ist daher durchaus begründet, wenn nicht fachliche, sondern eben kommunikative und andere gesellschaftlich relevante Faktoren die Wahl von Exekutivmitgliedern prägen. Und: wie in Demokratien üblich, kommen im Bundesrat nicht die visionären DenkerInnen zur Wahl, sondern jene PolitikerInnen, die mindestens knapp mehrheitsfähig sind. Das ist eigentlich auch gut so, denn dies befreit die kreativen und visionären Menschen von den Sachzwängen der Politik aus der Sicht von Alltags-, EgoistInnen- und Zechpreller-Interessen.

Dieser Namensbasar gerade vor Einzelersatzwahlen speziell für den Bundesrat hat etwas sehr Unwürdiges, Menschenverachtendes an sich. Es gibt eine ganz einfache Veränderungsmöglichkeit: ein Einzelrücktritt muss ab sofort zu Gesamterneuerungswahlen führen, dies lässt insbesondere taktische Spielchen nach dem Motto „Wenn Ihr jetzt so, dann wir das nächste Mal auch so“ nicht mehr zu – und sowohl MandatsträgerInnen als auch Parteien haben eine wesentlich sorgfältigere Personal- und Karrierenplanung zu betreiben. Und da gehört irgendwann die klare Formulierung eines Anforderungsprofils für Exekutivmitglieder hin. Und insbesondere das kann der Gesellschaft nur gut tun!

Das System der Schweizerischen Demokratie verlangt einen Einbezug möglichst vieler Gruppen in die Exekutivverantwortung. Mit nur sieben Mitgliedern im Bundesrat führt dies mit einem freiwilligen Proporz zu einer Bevorzugung der Parteien mit grossem WählerInnenanteil. Tendentiell wären bei einem nahe dem mathematischen Proporz stehenden freiwilligen Proporz SVP und SP derzeit übervertreten. Das Konkordanzmodell liesse sich bei einem Bundesrat mit 9 Sitzen wesentlich einfacher umsetzen, weil dann die Uebervertretung der grossen Parteien vermindert wird. Wie das Beispiel der Zürcher Stadtregierung zeigt, welche mit ihren neun Mitgliedern wesentlich handlungsfähiger erscheint als der Zürcher Regierungsrat mit nur sieben Mitglieder, würde die Vergrösserung des Bundesrates auch demokratiepolitisch einiges in Bewegung setzen.