„Köpfe rollen“ und Gewalt aus Langeweile

Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich und Präsident der Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, weist zurecht darauf hin, dass der Pranger, somit auch der Internet-Pranger, den gewisse Polizei-Corps im Zusammenhang mit der Fahndung nach Gewalttätern einsetzen, nicht Teil unseres Sanktionssystems ist, sondern ins Mittelalter gehört. Wenn Bruno Baeriswyl diese Zeitepoche als überwunden betrachtet, ist zu hoffen, dass er recht hat – angesichts der real existierenden SVP sind allerdings Zweifel angebracht.

Ich kenne die Ursachen, die Motive und Beweggründe der Gewalttäter nicht – ich stehe also dem Phänomen des Gewalt-Hooliganismus und der Langweile-Schläger genauso hilflos gegenüber wie die staunende und erschreckte Öffentlichkeit. Ich stelle einfach fest: seit den Jugoslawienkriegen, seit den Irak-Kriegen, seit dem Krieg gegen den Terrorismus (welcher Teil des Krieges um Öl ist), seit der neuen Formen der Gewaltanwendung im Nahen Osten, seit der Piraterie gegen die Piraterie hat Gewalt als Versuch der Problembewältigung eine noch nie dagewesene Hochkonjunktur.

Es zeugt von der generellen Hilflosigkeit bei der Symptombekämpfung statt der Ursachenbewältigung, dass sich die offizielle Schweiz ernsthafte und weit gediehene Gedanken macht über einen militärischen Einsatz vor Somalia zum Schutz von privaten Seefahrts-Flotten – und sich gleichzeitig empört über das Verhalten von gewaltbereiten Fussballfans und gelangweilten Alkohol-Ausgängern. Dazu gehört auch der gewaltverharmlosenden und daher fahrlässige Umgang mit Sprachbildern, zum Beispiel „Köpfe rollen„. Wenn ein Pseudo-Bundesrat wie Ueli Maurer einen Atalanta-Einsatz vor Somalia mit hoch wahrscheinlicher militärischer Gewaltausübung propagiert, ist er als Botschafter gegen Alltagsgewalt schlicht unglaubwürdig. Nur eine unbedingte und unumkehrbare Ächtung von Gewalt ist als Botschaft tauglich: Gewalt hat im Alltag, hat zum Beispiel bei Sportveranstaltungen, politischen Manifestationen, in der Freizeit, aber auch im Umgang der Staaten untereinander, im Umgang der Staaten mit Minderheiten und weltanschaulichen Gruppierungen nichts zu suchen! Gewalt ist als Problemlösungsstrategie in allen Situationen eindeutig und unzweifelhaft ungeeignet!

Haben Computer-Games mit gewaltverherrlichendem/-verharmlosenden Inhalt Auswirkungen auf das Gewaltverhalten in der realen Welt? Hat das Verhalten im Strassenverkehr, das Verhalten gegenüber der Umwelt ebenfalls einen Gewalt rechtfertigenden Anteil? Der Anspruch auf den übermässigen Verbrauch endlicher Ressourcen aus anderen Weltgegenden, z.B. Erdöl hat den gewalttätigen Anstrich – gerade die Konfliktforschung weist immer wieder auf diese Aspekte hin, darauf stützen sich auch ethische Konzepte wie etwa der Weltethos .