Die Sonnenenergie nutzen – aber ohne KEV-Vollkasko-Mentalität

Die Sonne ist eine unendlich grosse, in gesellschaftlichen Dimensionen nachhaltig verfügbare Energiequelle. Und sie ist gratis. Aber: sie ist (zumindest derzeit) nicht gratis nutzbar für die Abdeckung der Energiebedürfnisse der Menschheit, sowohl bezüglich der erforderlichen Technologien als auch bezüglich der ökologischen und sozialen Aspekte. Wenn das unendliche Potenzial der Sonne dauerhaft genutzt werden sollen, müssen Vollkasko-Instrumente wie die kostendeckende Einspeisevergütung KEV blitzartig verschwinden.

Am 11. September 2012 hat Greenpeace unter anderem mit einer Plakathängeaktion an einem der Nachbargebäude des Prime Tower in Zürich die Aktion solarmacher.ch lanciert – einerseits als Hinweis auf die enormen ungenutzten Solarenergiepotenziale in der Schweiz, andererseits aber auch als Mitmachaktion, also als Hinweis darauf, dass jede und jeder in seinem/ihren Verantwortungsbereich aktiv werden muss, um Sonnenenergie zu nutzen.

Als Anhang zur Medienmitteilung zu dieser Aktion liefert Greenpeace ein Faktenblatt mit, unter anderem mit einer Kurvenschar über die Entwicklung des Solarstrompreises. Festzustellen ist, dass die Solarstrom-Gestehungskosten bereits heute nur noch leicht über dem Strompreis für EndkundInnen in der Schweiz liegen – und die KEV-Vergütungssätze liegen auch nach der neuesten Absenkung deutlich über diesen Gestehungskosten.

Drei Tage nach der Greenpeace-Aktion hat der Bundesrat einen Bericht über das Potenzial von Strom aus erneuerbaren Quellen veröffentlicht – wie nicht anders zu erwarten war, hat Sonnenstrom das grösste Potenzial. Dazu kommt, dass höchstens ein Prozent dieses Potenzials genutzt wird! Zumindest in der Potenzialfrage also kein Widerspruch zwischen Greenpeace und Bundesrat!

Das Dach jedes Gebäudes braucht innerhalb eines Zeitraumes von 25 bis 40 Jahren einen grösseren Unterhalt oder wird gar, zum Beispiel im Rahmen einer Aufstockung oder eines Dachgeschoss-Ausbaus, verändert. Das heisst: innerhalb von längstens 40 Jahren ist es möglich, dass Solarstrompotenzial auf den Dächern des Gebäudepark Schweiz zu nutzen. Weil dies alle Hauseigentümerschaften betrifft, und der Gestehungspreis immer deutlicher unter dem Strompreis für EndkundInnen liegt, sind Sonnenstromanlagen ein ganz alltägliches Geschäft, das keine Förderungen im Stile der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV braucht. Wenn die Freiwilligkeit nicht ausreicht, braucht es allenfalls ein Installationsobligatorium.

Die KEV sei ein Vollkasko-Modell, habe ich oben erwähnt. Diese Vollkasko-Anlage ist im Dach eines grösseren Einfamilienhauses eingebaut, krass unternutzt, zudem offensichtlich nicht auf dem neuesten energetischen Stand – die Energieetikette würde den Buchstaben G wie „ganz schlecht“ zeigen, vor dem Haus stehen zwei grössere Autos. Die Solarstromanlageist das ökologische Feigenblatt, abbezahlt durch das Kollektiv der StromkonsumentInnen. Ein Zitat dazu: Die Höhe der Solarstromanlagen-Preise richtet sich an der Einspeisevergütung aus und nicht am Markt selbst. In einer Medienmitteilung des U.S Department Of Energy tönt dies ähnlich: While solar hardware prices have fallen 400 percent in the past four years, the soft costs of installing solar energy systems remain stubbornly high. Das DOE führt jetzt einen Wettbewerb durch, Zitat: As part of the Energy Department’s SunShot Initiative, which is working to make solar energy competitive with other forms of energy without subsidy by the end of the decade, the Energy Department today announced the start of a new competition to make it faster, easier, and cheaper to install rooftop solar energy systems. Klug eingesetzte Fördermittel also, zur Integration der Solaranlagen in bestehende und neue Gebäudeoberflächen!

Die Kosten der solaren Hardware seien um 400 Prozent gefallen in den letzten 4 Jahren, schreibt das DOE. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass – analog zu den vergleichbaren Produktionsschritten bei Computern und Kommunikationsgeräten – die Produktion dieser Solar-Hardware zu einem erheblichen Teil in Billiglohnländer verlagert wurde – mit deutlich schlechteren Demokratiemöglichkeiten, mit ökonomisch, sozial und ökologisch fragwürdigen Umständen respektive schlimmen Folgen für Mensch und Umwelt in diesen Gebieten. „Fair Trade“ muss auch in diesen Bereichen Einzug halten. „Auf der Suche nach dem Fair-Trade-Handy“ titelte kürzlich der Tagesanzeiger. „Wer zurzeit auf der Suche nach einem Fair Trade Handy sei, käme mit leeren Händen nach Hause“ heisst es unter anderem in diesen Artikel, mit dem Hinweis auf ein holländisches Projekt: die FairPhone Initiative will bis in einem Jahr ein faires Mobil-Phone auf den Markt bringen. Da besteht noch einiger Handlungsbedarf!

Die kostendeckende Einspeisevergütung KEV setzt falsche Signale. Entscheidend ist, dass sich StromkonsumentInnen bewusst für Solarstrom entscheiden – da es genügend Flächen für die Solarstromproduktion gibt (siehe oben die übereinstimmenden Aussagen von Greenpeace und Bundesrat), ist bei der Förderung des Solarstromkonsums anzusetzen und nicht bei der Produktion. Auch wenn da die Solarstrom-Branche und ihre Lobby noch trötzeln: die KEV ist sehr schnell abzuschaffen und durch ein kluges Quotenmodell zu ersetzen (auch in Sachsen wird daran gearbeitet). Einerseits geht es darum, dass z.B. MieterInnen bei ihrem Stromlieferanten Solarstrom beziehen können – mindestens so wichtig ist aber, dass Solaranlagen-Eigentümerschaften so viel als möglich des selber produzierten Solarstroms nutzen können, unter Einbezug von Speichermöglichkeiten. Die oben erwähnte Grafik aus dem Greenpeace-Faktenblatt enthält dazu den Hinweis „Kostenspielraum für Speicherlösungen„, weil die Differenz zwischen den sinkenden Solarstrom-Gestehungskosten und dem EndkundInnen-Strompreis grösser werden dürfte in Zukunft!

Und jetzt?

  • Bei der Greenpeace-Aktion solarmacher.ch mitmachen.
  • Als GebäudeeigentümerIn: falls noch nicht gemacht, eine Offerte für eine Solarstromanlage und/oder eine Solarwärmeanlage bestellen – und diese Solaranlage(n) parallel zu Effizienzmassnahmen am Gebäude realisieren.
  • Als MieterIn: beim Stromlieferanten einen Teil des Stromkonsums (mindestens 10 %, besser 20 oder mehr Prozente) als Solarstrom bestellen – und die/den VermieterIn einladen, das Sonnenenergiepotenzialzu nutzen.
  • Weitere Hinweise auf der Seite Energiepolitik for Dummies!