Der Zürcher Regierungsrat verabschiedet sich definitiv aus der Energiepolitik

Mit mindestens einem Jahr Verspätung hat der Zürcher Regierungsrat am 3. Dezember 2007 den Energieplanungsbericht 2006 veröffentlicht. Wenn man diesen Bericht liest, gibt es nur eine Schlussfolgerung: der Zürcher Regierungsrat hat sich aus der Energiepolitik verabschiedet, bastelt an einen symbolischen Veränderungen im Energiebereich. Stattdessen wird in erster Linie eine klassische Aktionärsstrategie gegenüber EKZ und NOK/AXPO verfolgt.

Die Medien illustrieren dies treffend. Als Schlagzeile im Internet-TA vom 3.12.07 ist zu lesen: Zürcher Regierung für neue AKW.

Neue Atomkraftwerke leisten keinen Beitrag gegen den menschgemachten Klimawandel. Dies haben beispielsweise die Umweltminister Österreichs, Deutschlands, Irlands, Italiens, Lettlands und Norwegens, mit Unterstützung Luxemburgs und Islands, am 1. Oktober 2007 festgehalten: Atomkraft stellt keine sinnvolle Option für die Bekämpfung des Klimawandels dar.

Neue Atomkraftwerke sind nicht nachhaltig. Bei Uran handelt es um eine endliche Ressource – mit einer geschätzten Reichweite von weniger als 70 Jahren! Auch dazu meinen die Umweltminister: Atomkraft ist nicht mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung vereinbar.

Der Regierungsrat bleibt angesichts dieser schwergewichtigen Voten von 8 Umweltminstern aus europäischen Ländern eine plausible Antwort für das Festhalten an der Kernenergie schuldig – diese unsinnige Energieform ist weder aus klimaschutz- noch aus ressourcen-politischen Gründen zweckmässig.

Der Zürcher Regierungsrat beschwört eine Stromlücke herbei. Während die AXPO ab 2013 bei Spitzen- und Regelenergie und ab 2018 bei Bandenergie eine Lücke prognostiziert, sieht der Zürcher Regierungsrat eine solche Lücke erst an 2020 – obwohl ja eigentlich die AXPO den Strom für 2/3 des Kantons Zürich liefert. Die Stromlücke ist definitiv eine Denklücke. Sowohl der Regierungsrat wie die AXPO vergessen, dass es sich hier um einen Markt handelt, wo also die Gesetze von Angebot und Nachfrage gelten. Ist zu wenig Strom vorhanden, steigen die Preise, ist zu viel Strom vorhanden, sinken die Preise. Eine Stromlücke ist also ein reines Angstmacher-Konstrukt.

Bevor eine offensive und wirksame Stromefizienz-Politik beschlossen ist – zum Beispiel mit ernsthaften Aktionsplänen des Bundes in diesem Bereich – macht es volkswirtschaftlich schlicht keinen Sinn, über neue Grosskraftwerke nur schon zu debattieren – mit Energieeffizienz könnte der gesamte Stromverbrauch halbiert werden, unter Einbezug des zusätzlichen Strombedarfs zum Beispiel fürWärmepumpenanwendungen. Wenn der Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke eine geradezu destruktive Haltung zu den Aktionsplänen des Bundes einnimmt, wird nur eines zum Ausdruck gebracht: eine Branche setzt hier offenbar alles daran, echte Fortschritte bei der Energie-Effizienz zu verhindern!

Neue Grosskraftwerke machen nur Sinn, wenn der Stromverbrauch erheblich zunehmen sollte. Wer also wie die Zürcher Regierung auf neue Atomkraftwerke setzt, erwartet eine wesentliche Steigerung des Stromverbrauchs – und das ist in erster Linie im Interesse der AktionärInnen von EKZ und NOK/AXPO. Interessant zu wissen: der Kanton Zürich besitzt die EKZ zu 100 % und ist auch an der NOK/AXPO mit etwa 38 % beteiligt – und dies ohne ernsthafte demokratische Kontrolle, wie sie etwa für das Elektrizitätwerk der Stadt Zürich besteht.

Auf der Internet-Seite des EKZ ist es deutlich zu lesen: 79.01% des von der EKZ gelieferten Stroms stammen 2006 aus Kernenergie – die AXPO verkauft den erneuerbaren Wasserkraftstrom lieber auf dem europäischen Strommarkt statt in ihrem Geschäftsumfeld! (Nachtrag: die „historischen“ EKZ-Angaben sind nicht mehr verfügbar, im Jahr 2010 macht der AKW-Anteil 66.88% aus).

Nur: hier macht die EKZ wahrscheinlich die Rechnung ohne ihre KundInnen! Eine Studie aus der Ostschweiz wird in der NZZ vom 10. Oktober 2007 kommentiert und mit dem Untertitel Kernenergie wenig beliebt versehen – und dabei das Fazit gezogen: Wäre der Kunde im Strommarkt König, gehörte die Zukunft den erneuerbaren Energien. Dies weist darauf hin, dass im Strombereich die klassische Aktionärspolitik eine hoch riskante Sache ist: KundInnen wollen Strom aus erneuerbaren Energien und keinen Atomstrom!

Es ist zu befürchten, dass der Zürcher Regierungsrat es einmal mehr verpasst, im Energiebereich eine zukunftsgerichtete Strategie zu verfolgen.