Wenn sich Staaten lächerlich machen

Auch wenn diverse Formen von Steuerhinterziehung derzeit gross im Gerede sind: all die Bemühungen der Staaten um automatischen Datenaustausch, Daten-Hehlerei und dergleichen sind schlicht lächerlich. Ganz einfach darum, weil ein erheblicher Teil der Menschen steuerehrlich ist. Jüngstes Beispiel: Spanien

Hervé Falciani hat bei seinem Arbeitgeber HSBC in Genf Daten geklaut, er ist unabhängig von irgendwelchen Beurteilungen kriminell. Nun, gewisse Dinge können nötig sein, selbst wenn sie kriminell sind. Nur: dies trifft definitiv für den Kriminellen Hervé Falciani nicht zu.

300 Millionen am spanischen Fiskus vorbei geschmuggelte Euro seien entdeckt worden, wird gesagt. Wie viel davon Steuerertrag wären, ist schwierig, da der Steuerfreibetrag in Spanien pro Person 700’000 Euro, der Steuersatz beträgt 2.5 % des Vermögens. Wenn der Steuerfreibetrag ausser acht gelassen wird und gleichzeitig eine vierfache Strafsteuer angenommen wird, wären also (pro Jahr) durch diesen kriminellen Akt 30 Millionen mehr Steuererträge in Spanien eingegangen. Wie ist dies zu beurteilen?

Gemäss Wikipedia beträgt das spanische BIP 1’048.5 Mrd. Euro; nach der gleichen Quelle betragen die Staatsausgaben 45.2 % des BIP, somit also rund 474 Mrd. Euro, resp. 474’000 Mio. Euro. Die 30 Mio Euro zusätzliche Steuereinnahmen machen also gerade einmal 0.06 Promille der Staatsausgaben aus. Da wie bereits oben gesagt die Vermögensfreigrenzen nicht berücksichtigt sind und vierfache Normalsätze berücksichtigt sind, ist zu befürchten, dass der Aufwand des Staates zum Nachweis der am spanischen Fiskus vorbei geschmuggelten Euros deutlich grösser sein dürfte als der zusätzliche Steuerertrag.

Auf der andern Seite ist festzuhalten, dass die Datenflut, die sich aus dem automatischen Datenaustausch ergibt, schlicht nicht zu bewältigen ist, und kaum von Nutzen zur Förderung der Steuerehrlichkeit ist. Ebenso ist einmal mehr festzustellen, dass bei der Gewährung diverser Freiheiten im Geldbereich nicht die erforderlichen Kontrollmechanismen integriert wurden.

Drei Dinge sind festzuhalten:

  1. Am Grundsatz der Nicht-Nachhaltigkeit nicht nur der spanischen Volkswirtschaft ändert die Versteuerung allfälliger am Fiskus vorbeigeschmuggelter Vermögen nichts – ganz einfach darum, weil es erstens in der Regel um kleine Vermögen geht und zweitens die Steuerpflichtigen in der Regel steuerehrlich sind.
  2. Diese geringstmöglichen Verbesserungen des Finanzhaushalt rechtfertigen nicht, dass sich der Staat als Hehler betätigt und Arbeitnehmende zur Illoyalität gegenüber dem/der ArbeitgeberIn aufruft (ist ja auch absurd: der Staat muss auf die Ehrlichkeit aufbauen können, da darf er Unehrlichkeit nicht noch fördern).
  3. Wenn Staaten eine verlässliche Finanzierungsquelle aus den Vermögensgeschäften ihrer Einwohnenden ableiten wollen, lässt sich dies am wirksamsten mittels der direkten Besteuerung des Vermögensertrags beim Bankinstitut vornehmen (in der Schweiz „Verrechnungssteuer“ genannt). Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass dadurch die Nachhaltigkeit einer Volkswirtschaft aus finanzieller Optik erreicht wird.

Nachtrag 22.4.2013

Der „Fall Borjans“ (die Medien bezeichnen ihn fälschlicherweise als „Fall Hoeness“) zeigt überdeutlich: Deutschland hat in Steuersachen den Pfad der Rechtsstaatlichkeit ebenfalls verlassen. Neben der Hehlerei und der Förderung der Illoyalität gegenüber den ArbeitgeberInnen stätzt sich der deutsche Staat ausschliesslich auf Nötigung. Es ist festzuhalten: mit der Einführung des freien Kapitalverkehrs („Jeder EU-Bürger hat die Wahl, in welchem Land und bei welchem Kreditinstitut er sein Geld anlegen möchte.„) – eine der vier EU-Freiheiten – haben es die Staaten verpasst, ihr Steuerrecht dieser Freiheit anzupassen. Mit abenteuerlichen Massnahmen – eben bis hin zur Hehlerei und der Illoyalitätsförderung – haben einzelne deutsche Bundesstaaten (darum „Fall Borjans“) damit begonnen, Anklagen ohne reale gesetzliche Grundlagen zu erfinden, die nur noch als Nötigung bezeichnet werden können. Dazu kommt, dass Herr Borjans und seine „Gaunerkollegen“ es den Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, die Konsequenzen aus der faktischen Abschaffung des freien Kapitalverkehrs auf rechtsstaatlich nachvollziehbaren Wegen zu regeln – Herr Borjans will zwingend wohlmeinende, allenfalls etwas naive StaatsbürgerInnen kriminalisieren. Angesichts der mageren Ergebnisse dieser bisherigen Nötigungen – bis jetzt gibt es keine Hinweise, dass die Steuererträge der nach neuesten Auffassungen am Fiskus vorbei geschmuggelten Vermögen zu einer nachhaltigen Gesundung der öffentlichen Finanzen führen könnten – ist auch das Vorgehen des deutschen Staates und einiger Bundesstaaten ganz einfach lächerlich. Und sicher keine Werbung für Demokratie und Rechtsstaat.

Ich rechtfertige damit in keinem Fall Steuerhinterziehung oder ähnliche Vorgehensweisen – ich wehre mich aber dagegen, dass der Staat plötzlich willkürlich andere Beurteilungen in der Praxis des freien Kapitalverkehrs vornimmt. Ich bin auch in keiner Art und Weise von diesen Vorgängen persönlich betroffen, sorge mich aber um die Rechtsstaatlichkeit in Steuersachen.

Erste Fassung 15.4.2013