Verlorene 25 Jahre?

April 1986 – die Welt stand Kopf – grösstmöglich anzunehmender Unfall im Atomkraftkomplex Tschernobyl. Das Lesen der Zeitungen, das Radio hören wurde zur Qual, immer noch schlimmere Meldungen. Und schon bald die Beschwichtigungen. Bei uns ist das nicht möglich. Bei uns ist alles ganz anderes, unsere Kernkraftwerke sind sicher. Und überhaupt, ohne Atomenergie gehts nicht. Die Energiezukunft muss gut überlegt sein.

März 2011 – die Welt steht Kopf – schwerer Unfall in gleichzeitig mehreren Atomreaktoren in Fukushima, Japan. Das Verfolgen der Internet-Newsticker ist eine Qual, immer noch schlimmere Meldungen. Und schon bald die Beschwichtigungen. Bei uns ist das nicht möglich. Bei uns ist alles ganz anders, unsere Kernkraftwerke sind sicher. Und überhaupt, ohne Atomenergie gehts nicht. Die Energiezukunft muss gut überlegt sein.

Verlorene 25 Jahre?

Bereits vor 25 Jahren war klar: Atomkraftwerke braucht es nicht! Es wird für mich immer unverständlich bleiben, warum Menschen angesichts der ethisch und moralisch unverantwortbaren Atomenergienutzung und trotz ausreichend verfügbarer Alternativen an dieser unnötigen Technologie festhalten wollen. Das muss mit der Machbarkeitsideologie und dem Respekt vor den Leistungen der Vorfahren zu tun haben – Denkmalschutz für energiewirtschaftliche Vergangenheit.

Heute, 25 Jahre später, ist noch klarer, noch eindeutiger: Atomkraftwerke braucht es wirklich nicht, dafür besteht null Bedarf! Zudem: trotz der gegenüber 25 Jahren dazugekommen Einsicht in die Realität des Mensch gemachten Klimawandels ist es möglich, sowohl auf Atomkraftwerke zu verzichten als auch den Ausstoss von Treibhausgasen auf ein für die menschliche Entwicklung verträgliches Mass zu begrenzen.

Das Fachwissen zu Energieeffizienz, zu Suffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien ist gegenüber früher deutlich gestiegen. Das Problem dabei: die Diffusion in die Tiefe und Breite hat nicht geklappt. Dies gilt nicht nur in der Schweiz, dies gilt auch in Deutschland (Originaltitel: Klimaschutz: Fachkräftemangel behindert energetische Gebäudesanierung) und anderswo.

Etwas hat sich in den letzten 25 Jahren massiv verändert: die Banalisierung der „Information“. In den Kommentarbeiträgen von Online-Medien zu Energiepolitik-Themen steht in erster Linie schlichter Blödsinn (z.B. nachweislich falsch, unqualifiziert) – leider stammen diese Beiträge meistens von AKW-Befürwortern (absichtlich nur männliche Form). Es ist echte Realsatire (darum wurde wahrscheinlich von sf.tv die realen Echtsatiriker Giaccobo/Müller am Abend des 13. März 2011 nicht gezeigt), was hier jeweils steht – etwa dann, wenn offensichtliche Laien an den Aussagen anerkannter Energieeffizienz-und Erneuerbare Energien-Fachleute herummäkeln. Auffallend zudem, dass auch die Voten von PolitikerInnen von $VP, FDP und CVP zu Energiepolitikfragen sich durch ein hohes Mass an FachUNkenntnis auszeichnen. Wenn schon Floskeln, dann wenigstens solche aus meinem Energiespar-Phrasendrescher!

Viele plädieren jetzt dafür, abzuwarten und die Energiezukunft lang und gründlich zu bedenken. Dies wurde bereits vor 25 Jahren getan: die einen (es sind die gleichen oder allenfalls NachfolgerInnen jener, die dies heute wieder fordern) haben einfach in dieser Zeit extrem wenig Energiepolitik dazu gelernt, die anderen haben ihr bereits profundes Wissen von damals nochmals vertieft – und diese plädieren dafür, jetzt endlich zu handeln!

Auch wenn im ersten Moment dogmatisch oder arrogant oder weiss nicht was tönt, aber der Fall ist klar: nur der Start in eine nicht-fossile und nicht-nukleare Energieversorgung ist zukunftsfähig!