Fragen nach den Ursachen des Terrors

30. Januar 2005: In Irak finden Wahlen statt – der amerikanische Präsident George W. Bush jubelt.

Nur: nach wie vor herrscht Gewalt (und Gegengewalt) in diesem Land, und eine grosse Minderheitengruppe hat sich nicht an den Wahlen beteiligt. „Les absents ont toujours tort.“ gilt in der Politik nicht.

Die relativ hohe Wahlbeteiligung ist auf den ersten Blick ein positives Zeichen – bereits auf den zweiten Blick stellt sich allerdings die Frage, ob die durch diese Beteiligung ausgelösten Erwartungen überhaupt erfüllbar sind.

Die derzeitige Situation in Irak wurde und wird durch das – durch die UNO nicht gutgeheissene – gewalttätige Eingreifen der USA und ihrer wenigen Verbündeten bestimmt: die USA signalisieren, dass sie Gewalt als Instrument zur Gewaltbewältigung gutheissen. Sie bestimmen somit die Wahl der Mittel, und dies nicht nur in Irak. Aus rein militärischer Sicht ist somit die USA sehr direkt verantwortlich für jede Form der Gewaltanwendung.

Ein Prozess hin zu einer gewaltfreien Welt kann nur erreicht werden, wenn insbesondere die grossen Staaten dieser Erde sich zum kategorischen Gewaltverzicht bekennen und mithelfen, jegliche Form von Gewaltanwendung zu ächten.


Gewalt in jeglicher Form ist ungeeignet zur Problemlösung – das gilt genau so für Kriegshandlungen von Staaten (oder Staatsterror) wie auch für gewalttätige Aktivitäten von Interessen-Gruppen oder Organisationen – üblicherweise als Terror bezeichnet. Je höher die technologische Entwicklung einer Gesellschaft, desto empfindlicher ist sie auf kleinste Eingriffe in die komplexen Systeme. Zur Illustration mögen drei Beispiel ohne Gewaltbezug dienen:

  • bereits kleine Störungen, z.B. vereiste und damit schlecht schliessende Türen bei S-Bahn-Zügen haben erhebliche Auswirkungen auf das gesamt System des öffentlichen Verkehrs.
  • Der Gesamtausfall der SBB-Stromversorgung am 22. Juni 2005 – ausgehend von einer Überlastung einer Starkstromleitung, verstärkt durch ungeeignete Strategien mit dem Umgang einer solchen Stromversorgungsstörung – mit einem mehrstündigen Stillstand des gesamten SBB-Schienverkehr hat aufgezeigt, wie technologie-abhängig das öffentliche Verkehrswesen der Schweiz ist und wie schnell ein solches System zum Stillstand kommt – oder anders: dass das bestimmungsgemässe und alltägliche Funktionieren eines solch komplexen Systems alles andere als selbstverständlich ist.
  • Der Ausfall einer einzigen zentralen Komponente eines technischen Netzwerkes – Computer oder Kommunikation – kann dazu führen, dass das gesamte Netzwerk nicht mehr benutzt werden – bis hin zum Ausfall der gesamten Computer- oder Kommunikationsinfrastrukturen.

Gesellschaften, die von derart empfindlichen Systemen abhängig sind, müssten alles daran setzen, sich über die Ursachen von Terror Gedanken zu machen. Angesichts der Hysterie des amerikanischen Antiterrorkrieges ein fast aussichtsloses Unterfangen.


Einen gewichtigen Gegenakzent setzt das amerikanische WorldWatch-Institute, welches ein „Global Security Project“ durchführt. Terror sei ein Symptom und nicht die Ursache der gesellschaftlichen Zustände!

„Armut, Krankheiten und Umweltzerstörung sind die wahren Achsen des Bösen“ ist eine der zentralen Aussagen von Worldwatch.

Erdöl, Wasser, Nahrung, ansteckende Krankheiten, Jugend-Arbeitslosigkeit sind Stichworte, die von WorldWatch mit dem speziellen Blickpunkt auf ungleiche Verteilung genannt werden. Unzufriedenheit und Aussichtslosigkeit haben das Potential, Menschen in die Kriminalität zu treiben oder empfänglich zu machen für das Werben von Gruppen, die zur Situationsveränderung gewalttätige Aktionen propagieren (sehr stark vereinfachend üblicherweise als extremistische Terrorgruppen bezeichnet). Wer wie die USA die bestehenden Ungleichgewichte beibehalten oder gar steigern will, trägt damit sehr direkt dazu bei, dass Menschen Terror als eine der Möglichkeiten zur Problemlösung betrachten, je nach Mentalität und religiösem Hintergrund allenfalls nicht für sich selber, sondern für Verwandte, Bekannte, …

WorldWatch nennt die Handlungen, die anstelle des „militärischen Muskelstärkens“, anstelle des Antiterror-Krieges, erforderlich sind: Strategische Investitionen in

  • erneuerbare Energien
  • das Gesundheitswesen
  • den Umweltschutz
  • die Bildung
  • die Beschäftigung
  • die Armutsbekämpfung
  • die Abrüstung
  • die Weiterentwicklung der UNO zur Anpassung an die globalen Sicherheitsbedürfnisse.

Weder im eigenen Land noch global engagieren sich die USA für Beiträge zur Lösung dieser strategischen Herausforderungen – durch ihr Verhalten schafft diese Nation im Gegenteil die Voraussetzungen, dass Menschen auf die Idee kommen, für Schritte aus der Aussichtslosigkeit gewalttätige Vorgehensweisen in Betracht zu ziehen.


Die USA geben somit erstens vor, welche Mittel eingesetzt werden, um Probleme zu lösen und schaffen zweitens die Voraussetzungen, um Menschen in Not Verzweiflungstaten als plausible Handlungsmöglichkeit erscheinen zu lassen. Es braucht keinen Krieg gegen Terror, keinen Antiterror-Wahnsinn – es braucht strategisches Handeln, um die Ursachen des Terrors zu vermindern:

  • Es braucht die Ächtung jeglicher Formen von Gewalt.
  • Es braucht Beiträge zum Abbau von Ungerechtigkeiten auf dieser Erde!

1. Fassung: 31.1.2005