Märchen, so heisst es, haben einen wahren Kern. Dies zeigt sich wieder einmal an der Jodtabletten-Verteilung des Bundes. Anstelle von Märchen gibt es nur eines: raschestmöglicher Ausstieg aus der Atomenergie!
Am 13. November 2014 haben sehr viele BewohnerInnen der Schweiz gestaunt. Sie finden in ihrem Briefkasten ein offizielles Schreiben zur Kalium-Jodid-Verteilung, mit einigen deftigen Informationen, die den bisherigen offiziellen Aussagen zur Ungefährlichkeit der Atomenergie und der trotzdem erforderlichen Verteilung von Jodtabletten widersprachen. Dieses Schreiben entspricht in etwa dem kleinen Mädchen im Märchen, welches ausspricht, was alle sehen: der Kaiser hat ja gar keine neuen Kleider, er steht ganz einfach nackt da!
Nach kurzer Zeit outet sich Greenpeace als Absender der „offiziellen Information„.
Im Märchen von den Kaisers neuen Kleidern sind die vorgeblichen Kleidermacher längst über alle Berge, als der offensichtliche Betrug benannt wird. Mit der Flugblatt-Aktion von Greenpeace zur Jodtabletten-Verteilung werden ein Bundesamt, der Bundesrat – mindestens Bundesrätin Leuthard – als SchwindlerInnen entlarvt. Die Reaktion ist dürftig: Obwohl beim Lügen ertappt, behalten sich die BAG-Verantwortlichen „rechtliche Schritte“ gegen die ÜberbringerInnen der schlechten Nachrichten vor. Viel weiter als im antiken Griechenland ist unsere Gesellschaft nicht. Wiki hält dazu lapidar fest: Das Verhaltensmuster, den Überbringer einer schlechten Nachricht stellvertretend für deren Ursache zur Verantwortung zu ziehen, konnte in der Geschichte häufig beobachtet werden.
Die Fakten sind klar: Da täuscht die offizielle Politik Vor- und Fürsorge vor, unterstreicht dies durch Logistik und Jodtablettenwirtschaft-Förderung, und ist sich weder der eigenen Verlogenheit noch der eigenen Hilflosigkeit bewusst. Als Hinweis zur Hilflosigkeit: spätestens seit Fukushima ist klar, dass das CH-Evakuierungskonzept – „zuerst vertikale, irgendwann später horizontale Evakuation“, also zuerst in die Keller, dann Flucht – untauglich ist.
Ganz einfach:
- Entweder sind Atomkraftwerke sicher, dann braucht es keine Jodtabletten-Verteilung.
- Oder die Atomkraftwerke sind nicht sicher, dann braucht es auch keine Jodtabletten-Verteilung, sondern dann sind die Atomkraftwerke abzustellen – am besten sofort oder wenigstens raschmöglichst.
Der demokratische Rechtsstaat funktioniert nur, wenn auf Märchen verzichtet wird. Der demokratische Rechtsstaat braucht klare Botschaften, und nicht Geschwurbel im Sinne der Energiestrategie, bei der es nur darum geht, die Zeit zu überbrücken, bis Atomkraftwerke allenfalls wieder bewilligungsfähig werden. Das Festhalten an der vermeintlichen Option „Kernenergie“ ist reine Ideologie – es gibt keinen energiewirtschaftlichen oder energietechnischen Grund, an dieser gesellschafts- und zukunftsunverträglichen Technologie festzuhalten.
Jodtabletten hin oder her: Es braucht den Ausstieg aus der Atomenergie, es braucht den Ausstieg aus den fossilen Energien – als nachhaltiges, zukunftsfähiges Mehrgenerationenprojekt.