Marcel Speiser liebt seine Lampe – Ziele statt Einzelmassnahmen in der Energiepolitik

Im City-Bund Zürich des Tages-Anzeigers vom 3. März 2007 outet sich TA-Redaktor Marcel Speiser als Liebhaber seiner Lampe: er liebt ein italienisches Designstück mit neun Glühbirnen und Duschschlauch-ähnlichen Armen. Wegen diesen neun Glühbirnen ist Herr Speiser zum Klima-Rowdy geworden – er verspricht sogar öffentlich, dass nie und nimmer Stromsparlampen an diese Wohnzimmerlampe kommen.

Was hat denn eigentlich Herr Speiser gegen Stromsparlampen? Nun, das sagt er leider nicht. Dies ist wirklich nicht zu verstehen: Stromsparlampen lassen sich bereits heute je nach Typ äusserlich kaum mehr von Glühbirnen unterscheiden. Und immer noch gibt es Entwicklungspotential. Die historische Glühbirnenform ist energetisch alles andere als optimal, nur haben sich die LichtnutzerInnen an dieses Aussehen gewöhnt – und Leute wie Marcel Speiser verlieben sich gar in diese anachronistischen Leuchtkörper…

Auslöser dieses Textes dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Absicht der australischen Regierung sein, ab dem Jahr 2010 die vor mehr als 125 Jahren erfundenen Glühbirnen zu verbieten. Durchaus eine gute Absicht: diese Glühbirnen brauchen schlicht übermässig Energie – fünf mal mehr als Stromsparlampen.

Ehrlicherweise ist es mir ziemlich egal, ob Herr Speiser weiterhin Glühbirnen zur Verfügung hat. Was mir nicht egal ist: ob auch er zur deutlichen Verminderung des Energieverbrauchs beiträgt. Diese Verminderung ist erforderlich, um die menschgemachte Veränderung des Klimas auf ein Mass zu begrenzen, das für die gesamte Menschheit, für den Planeten Erde erforderlich ist. So rasch als möglich ist dazu nämlich der Energieverbrauch um den Faktor Drei, besser sogar um den Faktor Vier zu vermindern. Mit Internet-Instrumenten wie dem ECO2-Rechner kann nicht nur Herr Speiser ausrechnen, welche „Hausaufgaben“ noch zu lösen sind.

Am 3. März 2007 hat sich in Zürich die CVP Schweiz getroffen, zur Delegiertenversammlung. Nach Medienberichten hat sich diese Delegiertenversammlung im heiteren Sammeln von Energiespartipps geübt – mit der Absicht, diese Tipps-Sammlung in Gesetzesform zu giessen.

Drei Anmerkungen dazu:

  1. Diese Tipps-Sammlung ist in den Jahren seit der Erdölpreis-Krise 1973 kontinuierlich gewachsen. Meine eigene Sammlung enthält unterdessen ganz genau 1732 Tipps, regelmässig kommen neue dazu. Sehr schön, dass auch die CVP Energieeffizienz als Thematik erkannt hat, leider sehr sehr spät, aber lieber spät als nie. Im übrigen: die nach wie vor von der CVP propagierten Wassersparsets am Auslaufsieb sind aus technischer Sicht sehr problematisch – auch dies ist seit einigen Jahren bekannt.
    Es ist schon erstaunlich, dass eine Volkspartei wie die CVP über 30 Jahre braucht, um herauszufinden, dass es da einiges zu tun gäbe – offenbar ist diese Partei bis jetzt vor allem als Energieeffizienz-Verhinderungs-Partei tätig gewesen.
  2. Die Erfahrung zeigt, dass diese Spartipps seit Jahren viel zu wenig umgesetzt werden. Es gibt dazu eine grosse Zahl von Gründen, die wichtigsten davon:
    • Die Energiepreise lügen: sie vermitteln nicht die richtigen Kostensignale zur Begünstigung von klugen Energiespar-Entscheiden. Auch die CVP gehört zu jenen Kreisen, die den unsinnigen Klimarappen unterstützt haben und sich mit aller Energie für die Verzögerung und Verwässerung der CO2-Abgabe eingesetzt haben. Eine ökologische Finanzreform mit einer stark lenkenden Energieabgabe ist dringlich erforderlich! 
    • Die nationale Energiepolitik hat sich bis jetzt vor allem auf die Stromproduktion konzentriert – auch die CVP gehört zu den Parteien, die bis anhin vor allem für die Interessen der Stromwirtschaft lobbyiert hat.Wenn sich die CVP bereits bis anhin glaubwürdig für die Energieeffizienz engagiert hätte, würde sich die Frage „Neues Atom- oder Gaskraftwerk“ nicht stellen – ein Dilemma, in das sich auch die CVP selber hineingearbeitet hat!
    • Energieeffizienz war bis anhin kein prioritäres Politikziel der Mehrheit. Es ist auffallend, dass in vielen Diskussionen nach wie vor der eierkochende (Alt-)Bundesrat Adolf Ogi als Vorzeigeobjekt für Energiespartipps genannt wird, obwohl dieses Ereignis vor rund 20 Jahren stattfand! Diverse Untersuchungen zeigen, dass zentrale AkteurInnen (HauseigentümerInnen, PlanerInnen, Handwerkerinnen, usw.) sehr schlecht über die Möglichkeiten der Energieffizienz informiert sind – es ist zu hoffen, dass der Einbezug von Energieeffizienz in das Tagungsprogramm einer weiteren Grosspartei hier deutliche qualitative Veränderungen bewirkt.
    • Immer wieder wird behauptet, Miet- und Steuerrecht seien hindernde Elemente bei der Realisierung der Energieeffizienz. Wenn dem tatsächlich so ist, hat die Politik einmal mehr versagt, die Politik hat es bis anhin nicht geschafft, mehrheitsfähige Veränderungen im Interesse der Energieffizienz und des Klimaschutzes herbeizuführen.
  3. Der CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay distanziert sich von „rot-grünen Utopien“. Leider führte er nicht an, was darunter zu verstehen ist. Möglicherweise meint er damit das Thema „2000-Watt-Gesellschaft“ – eine Verminderung des Energieverbrauchs um mindestens den Faktor Drei, so rasch als möglich. Nur: dies ist eben keine Utopie, sondern eine zwingende Notwendigkeit – energiepolitische Forderungen können angesichts der drängenden Probleme gar nicht zu radikal sein.
    Nicht eine willkürliche Auswahl von Energiespartipps im Sinne der CVP-DV muss realisiert werden, sondern es geht darum, Entscheide im Hinblick auf längerfristige ambitiöse Ziele zu fällen: wer heute baut, beeinflusst den Energieverbrauch von Bauten während den nächsten 80 bis 100 Jahren, wer einen Kühlschrank kauft, bestimmt die energetische Qualität dieses wichtigen Energieverbrauchers im Haushalt für die nächsten 12 bis 15 Jahre, und so weiter und so fort. Es muss sichergestellt werden, dass bei jedem Entscheid mit Energierelevanz die im Moment des Entscheides bestverfügbare Technologie eingesetzt wird. Es müssen also nicht nur 10 beliebig ausgewählte Energiespartipps umgesetzt werden, es geht um 100, gar 1000 und mehr Einzelmassnahmen – darunter auch solche, die zumindest für einzelne schmerzhaft sind (zum Beispiel höchstens ein Drittel der heutigen Flüge). Ein solches Umsetzungsprogramm lässt sich nicht ausschliesslich mit Gesetzen und Vorschriften realisieren, dazu braucht es eine eigentliche gesellschaftliche Bewegung, vergleichbar mit dem Plan Wahlen, der „Anbauschlacht“ für die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung der Schweiz während des Weltkrieges.
  4. Als Fazit für eine zukunftstaugliche Energiepolitik:

      Klare Zielvorgaben: Reduktion des Energieverbrauchs um mindestens den Faktor Drei – Verminderung des CO2-Ausstosses auf höchsten 1 Tonne CO2 pro Kopf und Jahr. 

    • Gute Aufgabenteilung: die Politik gibt die Ziele vor, Fachleute und Verwaltung bestimmen die Detailmassnahmen, die erforderlich sind, um die Ziele zu erreichen.
    • Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung einer zukunftsgerichteten Energiepolitik: eine stark lenkende Energieabgabe mit vollständiger Rückerstattung! Haushalte und Unternehmen, die ihren eigenverantwortlichen Klimaschutzbeitrag leisten, sollen am Schluss mehr im Portemonnaie haben als EnergieverschwenderInnen. Die Abgabenhöhe ist dabei einzig im Hinblick auf die Zielerreichung festzulegen – und nicht aufgrund politischer Opportunitäten, wie das bei der momentan diskutierten Rumpf-CO2-Abgabe leider der Fall ist.
    • Personen, die in der Oeffentlichkeit stehen – aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport – zeigen bei der Energieeffizienz und beim Einsatz erneuerbarer Energien vorbildhaftes Verhalten. Energieffizienz muss mindestens mit gleichem Enthusiasmus unter die Leute gebracht werden wie zum Beispiel die (Fussball-)Euro 08.

    Wenn es TA-Redaktor Marcel Speiser gelingt, den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss auf ein global verträgliches Mass zu senken, soll er seine Liebschaft zum energieverschwendenden Glühlampen-Design-Monster weiterhin pflegen können – auch wenn es klüger wäre, die mehr als musealen „Leuchtöfen“ ausser Betrieb zu nehmen.


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