Absage an den Populismus – weiterhin Nein zur Pseudo-Abzocker-Initiative

Ich habe die Abzocker-Initiative von Jetzt-Ständerat Thomas Minder schon immer als Populismus bezeichnet – da geht es nur darum, an der Unternehmensdemokratie vorbei die Rechte der AktionärInnen zu bestärken und ihnen eine höhere Eigenkapitalrendite zu ermöglichen (darum mein schon etwas älterer Beitrag „Abzocker unter sich„). Thomas Minder ist also weder ein neuer Wilhelm Tell oder eine Art Robin Hood, er ist und bleibt ein Kapitalist. Dass nun Economiesuisse die Nein-Kampagne zur Initiative verantwortet und auch Nationalrat Christoph Blocher gegen die Initiative ist, ändert nichts an meinem Nein zu diesem Populismusansatz.

Seit Jahren macht es sich ein Teil der Politlandschaft (inklusive grössere Parteien wie SP und Grüne) ziemlich einmal: die Abstimmungsparolen sind „anders als Blocher“ oder auch „anders als die Economiesuisse„. Selbst dann, wenn die Akteure sich – wie Thomas Minder – als „Blocherli 2“ versuchen, sich also als Autokraten aufspielen und mit viel Geld demokratische Entscheide kaufen wollen, braucht es eine eigenständige Position, unabhängig von „Blocherli 1“ und Economiesuisse.

Die Minder-Pseudo-Gegen-Abzocker-Initiative will, dass der Staat die Vorgaben für Kompetenzregelungen in Unternehmen vorgibt. Schon jetzt wäre es in der Entscheidungsmacht der Aktionärsversammlung gewesen, die Statuten im Sinne eines stärkeren Einflusses der AktionärInnen zu beeinflussen. AktionärInnen hätten zudem die Möglichkeit gehabt, ihre Aktien zu veräussern, wenn sie mit ihrer Einflussmöglichkeit nicht einverstanden gewesen wären. Hier ist einmal mehr festzuhalten, dass sich Aktien nicht als Ersatz des Sparkontos eignen: Aktien sind das Risikokapital eines Unternehmens, wer sich den Totalverlust des einbezahlten Aktienkapitals wirtschaftlich nicht leisten kann, hat die Finger von finanziellen Engagements in Aktiengesellschaften zu lassen; das gilt im Übrigen ausdrücklich auch für Pensionskassen. So einfach ist die ganze Angelegenheit. Es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein, in das Verhältnis der obersten Organe eines Unternehmens (oberstes Management, Verwaltungsrat, Aktionarat) lenkend Einfluss zu nehmen. Es ist nicht angemessen und (mehrheitlich unberechtigt) die Macht des Aktionarats übermässig zu erhöhen – derartige Veränderungen sind den Organen eines Unternehmens selbst zu überlassen (und derartige Statutenanpassungen sind bereits heute möglich, sie müssen allerdings eine Mehrheit in der Generalversammlung finden). Nochmals: bei dieser Initiative geht es darum, dass die Abzocker unter sich bleiben, der Staat aber die Spielregeln unter diesen (allenfalls nur potentiellen) Abzockern zugunsten der AktionärInnen verändert. Darum kann es nur ein Nein zu dieser Initiative geben (eigentlich wäre auch der Gegenvorschlag nicht nötig).

Tatsächlich gegen die Abzockerei wirkt einzig die 1:12-Initiative der JUSO „Für gerechte Löhne“: eine maximale Lohnspannbreite zwischen dem tiefsten und höchsten Lohn in einem Unternehmen von 1:12 soll in der Verfassung verankert werden – niemand soll in einem Jahr weniger verdienen als der Top-Manager im gleichen Unternehmen in einem Monat verdient! (Kursiv: Zitate von der Internet-Seite der JUSO)

Ich zitiere hier meinen Beitrag Abzocker unter sich: die 1:12-Initiative setzt sozial- und gesellschaftspolitische Zeichen – und das ist genau das, was sowohl Herr Minder wie Herr Blocher nicht wollen. Und darum hoffen, mit einer populistischen Änderung [das gilt sowohl für die Minder-Initiative wie für den Gegenvorschlag] der Spielregeln zwischen AktionärInnen und Topmanagement die politische Diskussion über die Lohnschere verhindern zu können.

Ich bleibe dabei – auch wenn auf meinem Stimmzettel am 3. März 2013 das Nein zu dieser Initiative die gleichen vier Buchstaben sind wie auf den Stimmzetteln von Herrn Blocher und (wahrscheinlich) der Economiesuisse-Verantwortlichen: Nein zur Pseudo-Abzocker-Initiative des populistischen Autokraten Thomas Minder!


Nachtrag 18.1.2013: Rudolf Strahm zeigt auf, wie fahrlässig die Pseudo-Abzocker-Initiative ist – die Abwehr von Heuschrecken, ein Aspekt der abzockenden AktionärInnen, ist kaum mehr möglich, obwohl es ziemlich viele „Heuschrecken“ gibt. Und die Verhinderung der mit der Initiative gemeinten Abzockerei ist durchaus fraglich. Eben: eine populistische Initiative.


Nachtrag 19.1.2013: Etwa 1200 grosse Unternehmen gibt es in der Schweiz (Zahlen 2008). Das Ja-Komitee listet seit 2001 32 „Abzocker“ auf, muss aber zugeben, dass die meisten der diesen „Abzockern“ ausbezahlten Entschädigungen einvernehmlich festgesetzt wurden, in der überwiegenden Zahl von Fällen in den ordentlichen Kompetenzen der zuständigen Gremien. Oder anders: die Pseudo-Abzocker-Initiative hätte in nicht einmal einer Handvoll der vom Ja-Komitee gelisteten Fälle (alle liegen weit zurück) irgendwelche Konsequenzen gehabt.

Das Einkommen etwa von Novartis-Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella kann bestenfalls als phantasievoll bezeichnet werden. Novartis hat einen Umsatz von gegen 60 Mia Dollar, etwa ein Viertel davon Reingewinn. Sind die genannten 20 bis 30 Mio Franken Geldfluss von Novartis zu Vasella – also im Promillebereich (oder jede Sekunde eines Jahres erhält Herr Vasella fast einen Franken) – angemessen? Diese Frage kann nicht wirklich beantwortet werden – die Mehrzahl der stimmenden AktionärInnen ist der Meinung, dass dies korrekt ist so. Die Wirtschaft ist ein hierarchisches, ein kapitalistsiches System, gerade bei Novartis können sich die AktionärInnen nicht beklagen, Zitat aus dem Novartis-Internet: „Dies ist die 15. Erhöhung der Dividende pro Aktie in Folge seit der Gründung von Novartis im Dezember 1996.“ – „Basierend auf dem Jahresendkurs 2011 von CHF 53,70 ergibt sich eine Dividendenrendite von 4,2% (2010: 4,0%).

Die Kritik an den Abzockern ist letztlich eine fundamentale Kritik am kapitalistischen System. Nicht nur Giacobbo/Müller erwähnen – im Sinne von Realsatire – regelmässig das SP-Parteiprogramm, welches die „Überwindung des Kapitalismus“ fordert – die Reaktion der übrigen Parteien ist dabei ziemlich heftig und eindeutig.

Die Minderinitiative ist also ausgerichtet auf einige wenige atypische Fälle im Jahr – und nimmt dafür in Kauf, dass Aktiengesellschaften, gerade grosse Aktiengesellschaften noch viel stärker als bis anhin von „Finanzheuschrecken“ ausgenommen werden können.

Das heisst: die Pseudo-Abzocker-Initiative ist abzulehnen – dafür braucht es ein Ja zur 1:12-Initiative der JUSO und eine Unterschrift zur Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle.

Erste Fassung 13.1.2013