Ist günstiger sinnvoll?

Irgendwann in der Geschichte der Menschheit hat sich das Feilsch-Gen in die Erbmasse der Menschheit eingeschlichen. „Günstiger“, „billiger“ – bis hin zu „Geiz ist geil“ – sind die Auswirkungen dieses Gens auf den Alltag. Jede und jeder kennt mindestens ein Beispiel, bei dem sie oder er persönlich oder ein guter Bekannter oder die beste Freundin entweder dank diesem Gen zu einem Schnäppchen gekommen ist oder wegen vermeintlich zu viel Grosszügigkeit zu viel bezahlt hat. Ganz arg ist diese Diskussion bei der öffentlichen Hand. Schon fast systematisch haben $VP, aber auch andere Parteien, und insbesondere die Internet-Stammtische den Eindruck, beim Staat sei alles viel zu teuer, jede und jeder hat auch hier ein passendes Beispiel. Nach der sittenwidrigen Diskussion über das Stadtzürcher Budget 2011 kommt bereits das nächste Beispiel: Diskussion im Gemeinderat über die Uniformen der Mitarbeitenden der Stadtpolizei-Abteilung „Kontrollen ruhender Verkehr“.

Die Diskussion über dieses Thema beginnt schon bei der Frage, wie Bussen, die sich aus der Kontrolle des ruhenden Verkehrs (der „Stehzeuge“) vom Individuum interpretiert werden. Solange beispielsweise verbotenes Parkieren schon fast als Volkshobby bezeichnet werden muss, besteht gegenüber derartigen Kontrollorganen bereits „Generalverdacht“.

Wie immer macht auch der Tages-Anzeiger brav mit, wenn es darum geht, das Zechpreller-Süppchen der $VP am Köcheln zu halten. Was haben etwa die Uniformen der Stadtpolizei-Abteilung „Kontrolle ruhender Verkehr“ mit den Uniformen von Securitas (jederzeit nominierbar für den noch zu erfindenden Faule-Himbeeren-Preis „schlechtest aussehende Arbeitsbekleidung“), mit jenen der SBB-ZugbegleiterInnen, den Mitarbeitenden der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) oder den Uniformen der Swiss-Arbeitenden zu tun? Das weiss wahrscheinlich nicht einmal TA-Mitarbeiter Daniel Schneebeli. Aber er vergleicht laufend Preise, mal mit, mal ohne Schuhe, mal mit vier, dann mit fünf Polohemden. Der Artikel hat etwa die gleiche informative Wirkung wie das $VP-Parteiprogramm, schlicht KEINE.

Ganz sachte wird dies im letzten Satz angetönt, als Herr Schneebeli nur gerade eine Schätzung des Preises der Swiss-Uniform präsentieren kann. Da steht nämlich folgender Satz: … bei der Beschaffung der Bekleidungen [standen] nicht die kurzfristigen Ausgaben im Zentrum: «Bei besserer Qualität können wir mehr als ein Viertel der Kosten sparen.» Aha, haben dies wohl die Damen und Herren GemeinderätInnen bei ihrem Entscheid berücksichtigt? Nicht die Anschaffungskosten allein bestimmen, ob ein Uniformenset günstig ist, sondern die sogenannten Life Cycle Costs, also die gesamten Kosten vom Einkauf bis zur Entsorgung! Wie dauerhaft sind die Uniform-Stücke, wie schnell sieht man die Spuren der Arbeit und die Spuren der Textilpflege?

Die Stadt Zürich betreibt eine nachhaltige Beschaffungspolitik – Kinderarbeit, Sozialdumping und dergleichen sind ausgeschlossen (zum Thema: Fair Fashion der Erklärung von Bern). Interessanterweise sind in der stadträtlichen Weisung keinerlei Aspekte zur Nachhaltigkeit der Bekleidung für die Stadtpolizei-Abteilung ruhender Verkehr enthalten – auch der Artikel im Tages-Anzeiger enthält (bis auf den Langlebigkeitsaspekt bei den Swiss-Uniformen) keinerlei Ausführungen zur Nachhaltigkeit.

Festzuhalten ist zudem: die Stadtpolizei hat sich von der Firma „Fashion-Design & Consulting“ aus Rüti/ZH beraten lassen. Wenn nun die Gemeinderatsmehrheit hier sparen will, kann dies nur zwei Dinge bedeuten: entweder hat diese Privatfirma die Stadt Zürich übervorteilen wollen – wenn dem nicht so ist, stellt die sparende Mehrheit ihre politische Weisheit über die Fachkompetenz der Branche. Beide Begründungspfade sind für weder für die Mehrheit der Parteien noch für die Branche schmeichelhaft. Zur Betonung: offenbar verursachen die Firmen der Privatwirtschaft regelmässig Schwierigkeiten im Umgang mit der öffentlichen Hand!

Einmal mehr hat also die Politik ihre Weisheit über einen fachlich begründeten Antrag gestellt – „Geiz ist geil“ oder „absolute Beliebigkeit“ lässt grüssen.