Ist Wohneigentum ein erstrebenswertes Ziel?

Der Hauseigentümerverband Zürich empfiehlt bei den Wahlen in den Zürcher Regierungs- und Kantonsrat überwiegend KandidatInnen von $VP, FDP und CVP zur Wahl respektive Wiederwahl. Ist Wohneigentum ein erstrebenswertes Ziel – und sind MieterInnen bloss verhinderte WohneigenümerInnen? Dies jedenfalls behauptet der HEV Zürich in seiner Festschrift zum hundertfünfundzwanzigjährigen Jubiläum, zitiert in einem getarnten $VP-Internet-Auftritt (Nachtrag 4.1.2013: der hier ursprünglich verlinkte Beitrag ist im Internet nicht mehr verfügbar). Geradezu drastisch fällt die Beurteilung des sehr erfolgreichen gemeinnützigen Wohnungsbaus in den Städten aus, insbesondere des Instruments des Baurechts. Allerdings zeigt sich, dass dieser mehr als unberechtigte Angriff eine mehr als unbeholfene Brandrede zur Verteidigung einer obsolet gewordenen Eigentumsform darstellt.

Ein Dach über dem Kopf gehört zu den grundlegenden menschlichen Ansprüchen – das Recht auf Eigentum ist eine der grundlegenden Freiheiten. Das Recht auf das Eigentum an der eigenen Wohnung stellt somit eine als logisch erscheinende Kombination dieser Ansprüche und Rechte dar. Weil Menschen während ihrer verschiedenen Lebensabschnitte nicht die gleichen Bedürfnisse haben, ist das Eigentumsrecht nicht zwingend an ein bestimmtes Gebäude gebunden. Vorteilhafter ist deshalb nicht das unmittelbare Wohneigentum, sondern ein Wohnnutzungsrecht.

Darf auch das Land, der Boden, auf dem die Wohnung steht, unter den Eigentumsbegriff fallen? Vorerst ist festzuhalten, dass Boden ein begrenztes Gut ist: die Erde ist nun mal ein ziemlich genau definiertes Geoid mit einer relativ exakt bestimmbaren endlichen Fläche. Die Oberflächengestalt der Erde ist dauernden Veränderungen unterworfen. Berge erodieren, Flüsse verändern die Ufer, die Begrenzungen ihres Fliessraumes. Immer sind davon mehr oder weniger grosse Flächen von Boden betroffen. Der Meeresspiegel ist prinzipiell schwankend – es wird davon ausgegangen, dass der Mensch gemachte Klimawandel den Meeresspiegel deutlich erhöht, dass also Boden im Meer verschwinden wird. Ein besonders krasses Beispiel: der Atomunfall in Fukushami wird in Japan riesige Flächen für sehr lange Zeit unbewohnbar machen – ein unbezahlbarer Preis für die Gier der Menschheit nach billiger Energie!

Die regelmässig zunehmende Bevölkerung weist darauf hin, dass in einer endlichen Welt (siehe Geoid) der pro Person verfügbare Boden immer weniger wird – auch wenn der ökologische Fussabdruck dauernd grösser wird. Keine Macht auf dieser Erde kann angesichts der dauernden Veränderungen der Oberflächengestalt der Erde das Recht auf Bodeneigentum gewährleisten – ein solches Eigentumsrecht an Boden ist daher fiktiv. Auch hier wieder: Eigentum an Boden ist gar nicht erstrebenswert, erforderlich ist wenn schon ein Bodennutzungsrecht.

Die Fiktion des Eigentums am gemessen an den Ansprüchen knapper werdenden Gut Boden führt dazu, dass eine virtuelle Wertsteigerung stattfindet – die Bodenpreise steigen und steigen – an vielen Lagen sind die Preise von Boden dermassen hoch, dass eigentlich eine ökonomisch sinnvolle Nutzung dieses Bodens gar nicht mehr möglich ist. Oder anders: es spielt gar keine Rolle, was auf einem Grundstück bereits vorhanden ist – der virtuelle Bodenpreis dominiert das Marktgeschehen (Bodenspekulation, und dies mit einem endlichen, also begrenzten Gut: das kann nie und nimmer nachhaltig sein!) Die sogenannte Bodenrente – beim Verkauf eines Grundstückes wegkonsumiert – fällt der alten Eigentümerschaft ohne erbrachte (Arbeits-)Leistung zu: hier wird konsumiert, was eigentlich der Allgemeinheit zusteht. Baurechte der öffentlichen Hand an gemeinnützige Wohnbauträger (Baugenossenschaften) entziehen den Boden dieser Spekulation und verhindern dadurch leistungslose Gewinne, respektive die Amortisation solcher ungerechtfertigten Bereicherungen via Mieten. Wer – wie offenbar der Hauseigentümerverband – solche Baurechte ablehnt, plädiert für die Beibehaltung der Bodenspekulation, und dies ohne Rücksicht auf die Endlichkeit des Bodens dieses Planeten! Wer dies fordert, heisst den übersteigerten Gebrauch allgemeiner Güter (und dies stellt nun mal der endliche Boden dar) gut. Nach den üblichen Definitionen ist ein solches Verhalten NICHT nachhaltig. $VP, FDP und CVP sind auch in der übrigen Politik bekannt dafür, die Endlichkeit des Planeten Erde nicht zu respektieren. Die Politik von $VP, FDP und CVP funktioniert nur mit einem übergrossen ökologischen Fussabdruck, ist also Zechprellerei an der Erde: statt von den Zinsen dieses Planeten zu leben, konsumiert die Überflussgesellschaft das Kapital dieser Erde, also das Vermögen zukünftiger Generationen und Menschen in anderen Weltregionen.

P.S. Die Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation enthielt die richtigen und wichtigen Bausteine für einen nachhaltigen Umgang mit Boden unter Berücksichtigung des Rechts auf Eigentum – leider wurde diese zukunftsgerichtete Initiative am 4. Dezember 1988 mit einem Nein-Stimmenanteil von fast 70 % abgelehnt. Eine unmittelbare Folge dieses Neins: Gründung des Hausvereins, des Hauseigentümerverbandes für umweltbewusste und faire Eigentümerschaften, das heisst also der HEV der Linken und Grünen. Der HEV der $VP, der FDP und der CVP hat über 290’000 Mitglieder, der Hausverein rund 9’500 (3.3 % des HEV-Bestandes). Allerdings, wie bei vielen derartigen Verbänden (analog also für TCS und ACS) sind die meisten Mitglieder vor allem wegen den Verbandsdienstleistungen dabei.

Eine begrenzte Welt mit tolpatschigen Ökogrossfüssen (wie der Elefant im Porzellan-Laden) verlangt einen neuen Zugang zu Eigentum, insbesondere auch Boden und Wohnraum. Nicht mehr die dauernde Steigerung der Wohnfläche pro Person ist anzustreben, sondern der bewusste Umgang mit dem knappen Raum. Auch wenn Wohnbaugenossenschaften bereits heute deutlich kleinere Wohnflächen pro Person anbieten als der übrige Wohnungsmarkt, besteht auch hier Handlungsbedarf: der nachhaltige Umgang mit Raum verlangt eine Verstärkung der Suffizienz auch im Wohnbereich. Zudem ist die innere Verdichtung voranzutreiben. Dazu sind die Bestände der Genossenschaften nachhaltig zu bewirtschaften- dazu gehören umfassende Erneuerungen und in regelmässigen Abständen Ersatzneubauten.


Die Autoren der HEV-Festschrift nennen ihre Motivation für den Kampf gegen die Baurechte respektive den gemeinnützigen Wohnungsbau: die $VP-, FDP- und CVPler gehen davon aus, dass in diesen Genossenschaftswohnungen etwa in der Stadt Zürich die Linken und Grünen wohnen, die nicht $VP, FDP und CVP wählen. Auch wenn ein Viertel der Wohnungen auf Stadtgebiet dem gemeinnützigen Wohnungsbau zugeordnet werden können, allein damit kann etwa das schlechte Abscheiden der $VP-Kandidaten und einzelner FDP-Kandidaten bei den Stadtratswahlen nicht erklärt werden! Das muss wohl eher an den Positionen und Aussagen der KandidatInnen festgemacht werden.


Stellungnahme des Schweizerischen Verbandes für Wohnungswesen, Sektion Zürich vom 3.4.2011 zu den absurden und falschen Aussagen der HEV-Jubiläumsschrift (Nachtrag 4.1.2013: der ursprünglich verlinkte Beitrag ist im Internet nicht mehr verfügbar – zu finden ist nur noch ein Zitat aus einem SVW-Info-Blatt: Der SVW sowie mehrere Genossenschaften und Genossenschaftsmitglieder haben beim HEV und bei der ZKB deutlich reagiert und verlangten Richtigstellungen. Der Direktor des HEV Schweiz distanzierte sich von seinen Zürcher Kollegen. Und die ZKB bedauerte das Vorgehen ihres Mitarbeiters und hat sich beim SVW Zürich entschuldigt. P.S. Der SVW heisst unterdessen Wohnbaugenossenschaften Schweiz).