Energiepolitik für den Alltag

Energiepolitik (die es ja nicht wirklich gibt in der Schweiz) ist ein spezielles Geschäft. Die Energieszene lebt von einer Vielzahl von ExpertInnen nicht deklarierter Qualität (ich schliesse mich da ein respektive nicht aus). Auch die LobbyistInnen und InteressenvertreterInnen – nicht nur energiepolitischer Interessen – sind zahlreich. Es gibt Berge von Studien und ebensolche Berge von Gegenstudien. Ich stelle bei mir selber, aber auch im Gespräch mit anderen fest, dass dieses JeKaMi (jede und jeder kann mitmachen) etwas völlig absurdes bewirkt: weil jene, die sich nicht als ExpertInnen verstehen, unterschiedlichste Botschaften hören, führt dies in der Tendenz dazu, dass die „alltäglichen“ EntscheiderInnen nicht mehr drauskommen, was denn zu beachten ist – darum wird dann wenig bis gar nichts gemacht. Meine zentrale Aussage dazu: „ODER“ gibt es in der Energiepolitik nicht, nur „UND“ (mit wenigen Einschränkungen)!

Was ist besser: eine Solarwärmeanlage oder eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach zu installieren? Sind Wärmepumpen empfehlenswert, weil dies ja den Stromverbrauch erhöht? Was ist wichtiger, Klimaschutz oder Atomausstieg? Sind kleine oder grosse WKK-Anlagen besser, oder wäre es besser, wenn schon fossile Energien ausschliesslich für die Stromproduktion zu verwenden? Was ist besser, die 2000-Watt-Gesellschaft, die 1-Tonnen-CO2-Gesellschaft oder Zero Emissions von Prof. Leibundgut? P.S. Hier merke ich bereits an, dass es hier eine Ausnahme vom „UND“-Prinzip gibt.

Objektiverweise sind viele dieser von der hohen Wissenschaft und der hohen Politik aufgeplusterten Fragen für den realen Alltag völlig unwichtig – bei vielen dieser Fragen geht es bloss um Macht und Besserwisserei.

Die Tipps für den Energiealltag

Vorerst ist eine Priorität zu akzeptieren: Suffizienz zuerst, dann Effizienz, zum Schluss Konsistenz – oder „Erstens weniger Ansprüche, zweitens weniger Energie zur Abdeckung dieser Ansprüche, drittens Einsatz erneuerbare Energien, möglichst dezentral und nachhaltig nutzbar, zur Abdeckung des verbleibenden Energieverbrauchs“.
Zero Emissions“ etwa setzt ausschliesslich auf der hier an dritter Stelle genannten Konsistenz auf – ist also ein ausschliessender Ansatz und kann daher nicht sinnvoll weiterverfolgt werden.

Diese Priorität ist grundsätzlich auf alle Entscheide und in allen Lebensbereichen anzuwenden.

Als HauseigentümerIn: es braucht einen Plan für die nächsten 20 bis 25 Jahre, wie a) die Bedürfnisse der Bewohnenden nach einem Dach über dem Kopf mit möglichst wenig Raum pro Person abgedeckt, b) der Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser und Strom mindestens halbiert, besser gedrittelt und c) wie der verbleibende Energieverbrauch sowohl für Heizung, Warmwasser und Strom ausschliesslich durch erneuerbare Energien abgedeckt werden kann. Es gibt Fachleute, die solche Pläne erarbeiten können – in der Stadt Zürich zum Beispiel via Energie-Coaching zu erreichen.

Klar ist: so rasch als möglich ist auf Heizöl und/oder Erdgas zu verzichten. Es gibt in der Regel mehrere, mindestens aber eine Energieträger-Möglichkeit pro Standort, um dies zu erreichen. Das heisst: Heizöl und Erdgas gehören ebenfalls nicht zum „UND“-Prinzip! Allenfalls ist insbesondere in den Städten statt den bisherigen Heizanlagen pro Haus ein Nahwärmeverbund anzustreben – auch zur Umsetzung solcher Umsetzung gibt es hoch qualifizierte Fachleute. Ob Solarwärme oder Solarstrom – dies kann in den meisten Fällen sehr pragmatisch auch nach Vorlieben der Gebäudeeigentümerschaften entschieden werden.

Entscheiden Sie sich nie für eine Lösung, weil dafür Fördergelder ausbezahlt werden! Die gewählte Lösung muss Ihnen entsprechen, Sie sollten von dieser Lösung überzeugt sein. Wenn es dann auch noch Förderbeiträge oder Subventionen gibt: umso besser! Es trifft zwar zu, dass viele Lösungen mit erneuerbaren Energien zu höheren Investitionskosten führen – bereits unter Berücksichtigung der Betriebskosten sieht dies vielfach anders aus – viele konventionelle Energieträger sind direkt oder indirekt subventioniert (z.B. bei Atomstrom keine Prämienkosten für die Abdeckung der Vollkosten potentieller Schäden). Wenn Sie davon ausgehen, dass auch konventionelle Energien mittel- bis längerfristig teurer werden, werden Mehrkosten etwa für Photovoltaikanlagen stark relativiert. Zur Wiederholung: investieren Sie nur, wenn Sie von einer Lösung überzeugt sind – nie wegen Förderbeiträgen!

Bei Mehrfamilienhäusern: den Strom auch für den Allgemeinbereich nicht vergessen – selbstverständlich als „UND“ zusammen mit energie-effizienten topten-Geräte eingebaut worden sind

Als MieterIn: Strom selbstverständlich in erneuerbarer Qualität. Und erkundigen Sie sich bei der VermieterIn nach dem Plan, um in den nächsten 20 bis 25 Jahren den Energieverbrauch zu halbieren und ausschliesslich erneuerbare Energien einzusetzen.

Unterwegs: möglichst wenig Unterwegs-Kilometer, diese zu Fuss oder mit dem Velo, allenfalls mit dem öffentlichen Verkehr zurücklegen. Ein eigenes Auto braucht es nicht, für gelegentliche Fahrten Mobility.

Konsum: Selbst die Ökovorbilder haben in der Schweiz einen deutlich zu grossen ökologische Fussabdruck. Ganz einfach und eindeutig: weniger ist mehr! Dazu gehört auch: zumindest Teilzeit-Vegi!

Gas- oder Atomkraftwerke? Wenn Sie in Ihren Alltagsbereichen die richtigen Entscheide fällen, ist diese Frage schlicht nicht von Bedeutung. Denken Sie daran: um Sie herum gibt es viele Menschen, die gleiches oder ähnliches tun wie Sie – das ist eben Energiealltag: das, was viele Menschen wollen und tun, führt zu den zwingend erforderlichen Weichenstellungen in der Energiepolitik.

Interessanterweise sind viele der offenen Fragestellungen ausschliesslich aus energiewirtschaftlicher Sicht relevant. Diese Energiewirtschaft braucht für ihre Entscheide aber Zeichen – zum Beispiel Ihre Entscheide für eine Gebäudeerneuerung mit weitgehenden Energieeffizienzmassnahmen oder für Energieträger ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen.

Lassen Sie sich von all den Diskussionen über Potentiale und Möglichkeiten nicht beeindrucken, ignorieren Sie energiepolitische „Bestechungsgelder“ – und entscheiden Sie in allen Lebenslagen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien – nach bewussten Entscheiden für die neue Bescheidenheit, die neue Einfachheit namens Suffizienz.


Und wie ist jetzt dies mit der 2000-Watt- oder der 1-Tonnen-CO2-Gesellschaft? Die 2000-Watt-Gesellschaft ist der nachhaltigere Ansatz, da diese das 1-Tonnen-CO2-Ziel mit umfasst, gleichzeitig aber den ökologischen Fussabdruck der Energieanwendung vermindern will.

Das „Zero Emission“-Konzept hat einen sehr stark reduzierten Betrachtungs- und Bilanzierungsraum und kann daher nicht als als nachhaltig gelten.