Vom Neuland zum kaputten Land in nicht einmal sechs Monaten – die Zivilgesellschaft ist gefordert!

Im Sommer 2013 wurde Bundeskanzlerin Merkel nicht nur im Internet ausgelacht, weil sie das Internet als Neuland bezeichnete – nur ein halbes Jahr später sagt Internetexperte Sascha Lobo, dieses Neuland sei kaputt, das Internet sei kaputt. Und auch er wird nicht nur im Internet mit Häme übergossen. Was ist da los?

Sowohl Angela Merkel als auch Sascha Lobo, aber auch die KritikerInnen dieser Aussagen liegen richtig.

Auch wenn etwa Stieg Larsson in seiner Millenium-Trilogie die begabte Hackerin Lisbeth Salander bereits im Jahr 2004 all die Dinge tun lässt, die 2013 durch diverse Veröffentlichungen auf der Basis von Aussagen von Edward Snowden bestätigt werden, ist es tatsächlich Neuland, dass der YES WE CAN-US-Präsident Barack Obama dies tatsächlich auch tut respektive zulässt, dass dies getan wird. Egal ob dies den Tatsachen entspricht oder nicht, allein der Glaube daran, mit dieser weitgehenden Überwachung Terroranschläge verhindern zu wollen, werden Rechtsstaat und Demokratie gedemütigt, werden die Ideale der Aufklärung – Freiheit, Gleichheit, Solidarität verhöhnt. Die Überraschung, das Neuland, das Kaputt-Gefühl ist nicht, dass es möglich ist, derartige Datenmengen zu sammeln, sondern dass dies eine Nation, die behauptet, in der Tradition der Aufklärung zu stehen, auch tatsächlich tut!

Constantin Seibt analysiert die gesellschaftspolitischen Folgen eindrücklich in seiner Tamedia-Analyse „Die Auslöschung der Freiheit„. Constantin Seibt merkt das ratlose Zuschauen der Politik an, das soll die Politik auch, zumindest derzeit. Zuerst müssen viele Internet-NutzerInnen für sich persönlich überlegen, was die unbestreitbare Kaputtheit des Internets für sie persönlich bedeutet, und welche Konsequenzen sie aus daraus ableiten. Im Wissen darum, und da wiederhole ich mich, dass aus prinzipiellen Gründen nur geheim bleiben kann, was höchstens 2 Personen im direkten Gespräch, ohne Papiernotiz, ohne Präsenz von optischen oder akustischen Speichermedien äussern.

Wenn sich all diesen Menschen anschliessend bei den Menschen melden, die in ihrem Land Exekutiv- und Legislativfunktionen ausüben, mit einer klaren Botschaft, die da heisst, selbst wenn es technisch möglich ist, will ich nicht, dass mein Datenverkehr, in welche Form auch immer, ausser aus technischen Gründen aufgezeichnet und gespeichert wird, und auch nicht für eine Zehntelssekunde! Und es braucht dazu einige Überlegungen, welche Druckmöglichkeiten bestehen, um diesen Forderungen mehr Gewicht zu verschaffen. Jede und jeder, die Zivilgesellschaft ist gefordert, zumindest den Versuch zu unternehmen, das Neuland zugänglich zu machen, die Defekte zu flicken. Dazu braucht es einige gute Ideen, die ich selber noch nicht habe, von denen ich bis anhin aber nichts gehört oder gelesen habe. Die Nicht-Benutzung des Internets, die Rückkehr zu Schreibmaschinen oder die stillschweigende oder lautstarke Akzeptierung des von den Geheimdiensten vorgenommenen Datenraubes gehören nicht zu diesen Möglichkeiten.

Es ist durchaus davon auszugehen, dass das Neuland, das kaputte Internet, die Auslöschung der Freiheit wesentlich drastischere Folgen haben können als in einem Tamedia_Artikel vom 17.12.2013 als „Posse“ dargestellt wurde: weil bei einer Geldüberweisung via Bank der Begriff „Südanflug“ wegen des Umlauts nicht übermittelt werden konnte, ergab sich der offenbar geldtransfermässig heikle Begriff Sudanflug, was zu erheblichen Zusatzaufwändungen führte, bis die Zahlung ausgeführt werden konnte.