Nachlese: Budgethoheit oder Einvernehmlichkeit?

Debatte der Synode zum Voranschlag 2012 der römisch-katholischen Körperschaft am 1.12.2011 – es geht um einen im Vergleich mit anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen im Kanton Zürich um einen eher bescheidenen Haushalt, rund 52 Mio Franken pro Jahr. Diskutiert wird in erster Linie um einen Betrag von 116’300 Franken, etwas mehr als 2 Promille des gesamten Haushalts. An diesem Beispiel lässt sich der Widerstreit von Budgethoheit eines Parlaments versus der gerade in der Kirche beschworenen Einvernehmlichkeit bestens illustrieren.

Die einvernehmliche Zusammenarbeit der staatskirchenrechtlichen kantonalen Körperschaft mit den kirchlichen Organen ist bereits in der Präambel der Kirchenordnung, der Verfassung der Körperschaft, festgesetzt, stellt also als oberstes Prinzip über allen anderen Festlegungen. Die Einvernehmlichkeit ist eine akzeptable Methode, setzt aber voraus, dass gleichartige Beteiligte respektvoll miteinander umgehen. Es gibt klare Hinweise darauf, dass insbesondere im Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Bischof und kantonaler Körperschaft die Gleichartigkeit nicht wirklich sichergestellt ist – insbesondere im Bereich der Kommunikation und der Grundhaltungen gegenüber den staatskirchenrechtlichen Institutionen ist auch die Respektfrage ungeklärt. Man wird den Verdacht nicht los, dass hier noch uraltes Gottesgnadentum und überkommenes innerkirchliches Hierarchieverständnis dominiert – Demokratie scheint in diesem Bild kaum Platz zu haben.

Bei der zur Diskussion stehenden Budgetposition geht es um die Erhöhung des Beitrags der Zürcher KatholikInnen an die Bistumskasse – letztlich ein Finanzausgleichsinstrument zwischen den Bistumskantonen zur Finanzierung von Aufgaben, die über die Interessen einzelner Kantone hinausgehen. Wie es um die finanzielle Situation dieser Durchlaufkasse steht, wie sich die abzudeckenden Aufgaben mit dem Finanzbedarf vergleichen lassen, wie die Möglichkeiten anderer Finanzierungsinstrumente auf Bistumsebene aussehen, ist auf Körperschaftsebene nicht abschliessend bekannt. Die Finanzkommission der Synode hat aus dieser Situation heraus beantragt, die Erhöhung dieses Beitrags abzulehnen – wie dies übrigens auch in den anderen Bistumskantonen der Fall ist.

Die Synodensitzung bringt zuerst einen Schwall von Zahlen und Informationen, die im Redezeitfenster des Synodalratspräsidenten Dr. Benno Schnüriger (=Exekutive) gar keinen Platz haben – und offenbar so neu sind, dass sie nicht einmal in Papierform verfügbar sind. Überraschung ist zwar ein beliebtes Instrument in der Politik, dient aber kaum der Vertrauensbildung – an diesem Tag kamen die Aussagen als Instruktion an die Synodalen daher (wobei Instruktion in Parlamenten nicht zugelassen ist – jede und jeder entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen, wie es im Amtsgelübde für Synodalen heisst. Es folgt die „Botschaft“ des Bischofs, vorgetragen durch Generalvikar Dr. Josef Annen: angekündigt wird, dass bei einem Nein der Synode die auszuzahlenden Beiträge der Bistumskasse gekürzt werden – und zwar einseitig zulasten von Institutionen im Kinder- und Jugendbereich (via die Deutschschweizer Ordinarienkonferenz DOK). Es obliegt dem Ermessen der Verantwortlichen der Bistumskasse, diese Mittelverteilung vorzunehmen; die Synodalen haben keinerlei Möglichkeiten, diesen Ermessensspielraum zu beeinflussen. Die Ausführungen des Generalvikars in Stellvertretung des Bischofs haben somit zumindest nötigenden Charakter. Oder anders: die Mitglieder der Synode sind nicht mehr frei in ihren Entscheidungen! Das Gebot der Einvernehmlichkeit in Verbindung mit der Ankündigung von Kürzungen in Bereichen, die für die Kirche von Bedeutung sind, setzt die Budgethoheit der Synode ausser Kraft!

Nun, diese Erhöhung des Beitrags an die Bistumskasse ist für den Finanzhaushalt der Körperschaft im Kanton Zürich nicht existenziell – zudem lässt ein nachträglich überwiesenes Postulat hoffen, dass sowohl Transparenz als auch Einflussnahme der Synode auf die Mittelzuteilung verbessert werden können. Dies hat dazu geführt, dass die Synode im Verhältnis von 3 zu 1 die Negierung ihrer Budgethoheit und die Überbetonung der Einvernehmlichkeit akzeptiert hat.

Der Vollständigkeit halber: diese Situation ist deutlich zu unterscheiden von den Sparvorschlägen, die der Stadtrat von Zürich wegen der unzulässigen Budgetrückweisung 2011 durch den Gemeinderat vorgeschlagen hat. Es ist nachvollziehbar, dass der Stadtrat Sparvorschläge gesucht hat, die von der wackligen „Sparqualition“ nicht mit Freude aufgenommen wurden. Da aber das Parlament die Möglichkeit hatte, jeden dieser Sparvorschläge zu korrigieren (im Gegensatz zur Synode, die die Ausgabenpolitik des Bistumskasse nicht beeinflussen kann), gehört dies zum üblichen politischen Game.

Interessenbindung: Toni W. Püntener ist Mitglied der Synode der römisch-katholischen Körperschaft und war an Diskussion und Entscheid mitbeteiligt.