Nachhaltiges, enkel:innen-taugliches Wohnen

«Wohnungsnot» kommt derzeit in den Medien recht häufig vor. Was ist zu tun, damit sich Wohnen zukunftsfähig entwickelt?

 

Viele Ursachen und Gründe werden jeweils für die real existierende «Wohnungsnot» angegeben. Was ist zu tun, damit in der Schweiz das Menschenrecht auf Wohnen nachhaltig abgedeckt werden kann? 

Eine Art Zusammenfassung mit Blick auf nachhaltiges Wohnen

Es gibt vielfältige Überlegungen als Reaktion auf die Wohnungsnot. Exemplarisch dafür stehen «Sieben Rezepte gegen die Wohnungsnot» von Wohnbaugenossenschaften Schweiz: 

  1. Wohnungen besser belegen
  2. Dichter bauen
  3. Anreize für preisgünstige Wohnbauprojekte
  4. Zonen oder Anteile für preisgünstigen Wohnraum
  5. Landreserven sinnvoll nutzen
  6. Vorkaufsrecht einführen
  7. Finanzielle Förderung

Welche Wohnflächenansprüche?

Zwischen 2012 und 2021 hat in der Schweiz die pro Mensch beanspruchte Wohnfläche von 45 auf 46.6 Quadratmeter zugenommen – langsamer als früher, aber immer noch eine Zunahme. Bedeutend dabei ist, dass viele Menschen den Eindruck haben, eine grosse Wohnung sei ein Mass für den eigenen Wohlstand. Ein Teil dieser Entwicklung kommt daher, dass aufgrund der aktuellen Situation Eltern, die als Teil einer Familie eine Wohnung bezogen haben, in dieser verbleiben, einerseits, weil sie mit ihrem Wohnort Heimat verbinden, andererseits, weil eine an die aktuellen Bedürfnisse angepasste Wohnung häufig teurer, manchmal sogar deutlich teurer, wäre. 

Im Sinne  einer nachhaltigen Entwicklung ist eine Wohnfläche pro Mensch von unter 35 Quadratmetern anzustreben.

Immer wieder ist im heutigen Gebäudebestand festzustellen, dass die einzelnen Angebote sehr spezifisch auf enge Zielgruppen ausgerichtet sind (Familienwohnungen, Alterswohnungen, Single-Wohnungen, …). Anzustreben sind flächendeckend Wohnformen für Mehrgenerationen-Wohnen. 

Wohneigentumsformen – genossenschaftliche Ansätze sind zu bevorzugen

Boden ist – nicht erst seit den raumplanerischen Vorgaben – ein begrenztes Gut. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist mit Boden sehr haushälterisch umzugehen.

In der Gemeindeordnung der Stadt Zürich steht in Artikel 18, Absatz 3:
[Die Stadt Zürich] sorgt dafür, dass sich die Zahl der Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind, stetig erhöht.

Konkretisiert wird dies in Art. 155:
Für das Erreichen von einem Drittel des Mietwohnungsbestands im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern setzt die Stadt das Jahr 2050 als Ziel.

Bei zwei Dritteln des Mietwohnungsbestandes sollen somit auch 2050 Gewinnabsichten möglich sein. Die Praxis des Wohnungsmarktes zeigt, dass nach wie vor eine Maximierung der Gewinnabsichten angestrebt wird. Es ist geradezu absurd, wenn das «Recht auf Wohnen» zur Gewinnmaximierung auffordert!

Gerade weil Boden ein begrenztes Gut ist, ist im Sinne der Nachhaltigkeit dafür zu sorgen, dass Gemeinnützigkeit ohne Gewinnabsichten die Regel ist.

Zur Illustration: diese Gemeinnützigkeit ohne Gewinnabsichten trägt dazu bei, dass bei Genossenschaftswohnungen 2021 statt der durchschnittlich 46.6 Quadratmeter pro Bewohner:in «nur» 36.5 Quadratmeter Wohnfläche beansprucht wurden.

PS: Es gibt auch private Eigentümerschaften, die zurückhaltend mit Gewinnabsichten umgehen und gleichzeitig vorbildliche Wohnformen realisieren. Vielen Dank für diese Beispiele!

Weiterbauen

«Jedes Jahr wird nur ca. 1 % der Gebäude in der Schweiz erneuert. Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, sollte die Rate jedoch verdoppelt werden.» Diese zwei Sätze leiten die Suche nach Sanierungstreibenden in der Schweiz ein.

Werden Gebäude zu wenig häufig instandgestellt respektive erneuert, führt dies in der Tendenz dazu, dass angesichts der aktuellen Anforderungen an Bauten – mit Themen wie Statik, Bauphysik, Akustik, sommerlicher Wärmeschutz, Nutzung erneuerbarer Energien und so weiter – bereits in frühen Planungsphasen der Rückbau bestehender Bauten und die Erstellung von Neubauten im Vordergrund steht.

Es braucht vermehrt Weiterentwicklungen des Gebäudebestandes. Weiterbauen ist gefragt – was situativ Neubauten nicht ausschliesst! Dazu gehört auch eine Konkretisierung der Kreislaufwirtschaft.

Sowohl umfassende Erneuerungen als auch Neubauten sind selbst bei gleichbleibendem Flächenangebot pro Bewohner:in teurer als nicht erneuerte bestehende Gebäude. Dafür sind neben allfälligen Gewinnabsichten die dem Wohnen zuträglichen höheren Qualitäten massgeblich.

10-Minuten-Nachbarschaft – 15-Minuten-Stadt

Nicht nur Wohnen verursacht Kosten, sondern auch der durch Alltagsbedürfnisse entstehende Mobilitätsbedarf. Je kürzer die Wege, desto eher ist es möglich, den sich daraus ergebenden Verkehr zu Fuss, mit dem Velo oder allenfalls dem öffentlichen Verkehr abzudecken.

Spannend sind Überlegungen etwa zur 10-Minuten-Nachbarschaft  (z. B. Sibylle Wälti, Raumentwicklungs-Wissenschaftlerin, ETH-Wohnforum, ETH Zürich). Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit sollen möglichst in 10 Gehminuten erreicht werden – das funktioniert, wenn «in einem Radius von 500 Metern mindestens 10’000 Einwohner und 5000 Arbeitnehmende in Vollzeit» anzutreffen sind.  


Auch zur Behebung der Wohnungsnot braucht es «schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft» – womit der Bezug zum Klimanotstand erkennbar wird!