Wohnen: Sorgsam mit Energie umgehen!

Die schönen Worte zum Schweizerischen Klimaschutz tönen gut: bis 2010 Reduktion um 10 % gegenüber 1990, bis in einigen Jahrzehnten noch eine Tonne CO2 pro Person und Jahr (was bei heute rund 6 Tonnen pro Person und Jahr also ziemlich genau einen Verminderungsfaktor von sechs ausmacht. Und der Einfachheit halber: bis in einigen Jahrzehnten dürfte in erster Näherung heissen 2050 – weil es eine runde Zahl ist).

Die nationale CO2-Statistik des BUWAL zeigt es regelmässig: die Schweiz ist weit davon entfernt, nur schon die Zielvorgaben für das Jahr 2010 einzuhalten. Bei den fossilen Treibstoffen – Benzin und Diesel – werden die eher bescheidenen Fortschritte bei der Fahrzeugtechnologie durch die Zunahme des Strassenverkehrs überkompensiert – der CO2-Ausstoss des Strassenverkehrs nimmt nach wie vor zu! Bereits jetzt ist absehbar, dass die Vereinbarung zwischen Bund und Auto-Importeuren über die Entwicklung des Treibstoffverbrauchs kaum wird eingehalten werden können.

Wenn Ziele nicht eingehalten werden können, müssen zusätzliche Massnahmen ergriffen werden – in der Schweiz wird allerdings genau anders vorgegangen: wenn die Ziele verfehlt werden, werden die dafür Verantwortlichen belohnt: der Bundesrat erlaubt der Automobil- und Erdöl-Lobby noch eine weitere Runde im Verzögerungsspiel – statt der dringlich erforderlichen CO2-Abgabe wird ein freiwilliger Klimarappen ausprobiert.

Wie siehts bei den Brennstoffen, insbesondere Heizöl und Erdgas, aus? Die nachfolgende Grafik stellt die Entwicklung der CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2003 dar, einerseits die Heizgradtage-korrigierten Werte, andererseits eine lineare Regression. Eingezeichnet ist ebenfalls die Vorgabe des CO2-Gesetzes des Bundes für die Brennstoffe (15 Prozent zwischen 1990 und 2010) und ein möglicher Pfad zu höchstens einer Tonne CO2 pro Person und Jahr bis etwa 2050.

Auch wenn die Situation bei den Brennstoffen etwa günstiger aussieht als bei den Treibstoffen: die ergriffenen Massnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die klimaschutz-politischen Zielvorgaben umzusetzen! Es braucht ab sofort weitergehende Massnahmen! Bis 2050 sind 45 Jahre – in dieser Zeit wird an jedem Gebäude mindestens ein grösserer Umbau stattfinden. Was heisst dies für den bereich Wohnen und Energie?

Ab sofort müssen sämtliche Neubauten, sämtliche Umbauten/Instandsetzungen/Modernisierungen als Minergie-P-Bauten realisiert werden!


Einige Hinweise dazu:

  • Diese Massnahme wird erhöhte Kosten verursachen für die effizienten Energienutzung und die Nutzung erneuerbarer Energien. Erfahrungsgemäss machen diese Zusatzkosten allerdings einen relativ kleinen Anteil an den Baukosten aus (in speziellen Fällen bis maximal 10 %, in der Regel deutlich tiefer – je früher dieser Aspekt in die Planung aufgenommen wird, desto geringer sind diese Mehrkosten). Wenn bei Modernisierungen oder Ersatzneubauten erhebliche Zusatzmietzinsen zu bezahlen sind, ist dies ausdrücklich nicht die Folge der energetischen Zusatzmassnahmen.
  • Parallel zu den „Geiz ist geil“-Kampagnen im Detailhandel – mit den Öko- und Sozialdumpingangeboten Migros Budget, Coop Prix Garantie, Lidl oder Aldi – ist in den letzten Jahren auch im Wohnungsbereich ein sehr lauter Ruf nach günstigem Wohnraum entstanden. Günstiger Wohnraum mag sicher erforderlich sein bei tiefen Einkommen (wobei sich nach wie vor die Frage stellt, wie es die Wirtschaft schafft, dass es das Phänomen „Working Poor“ – also Armut trotz Erwerbsarbeit – überhaupt geben kann). Das „Dach über dem Kopf“ gehört zu den Menschenrechten. Dies heisst allerdings nicht, dass dieses Recht nach Dumpingpreisen auf dem Wohnungsmarkt verlangt. Wohnen hat einen Wert, muss einen grossen Stellenwert haben und vor den Bedürfnissen nach Individual-Verkehr und Wohlstands-Konsum kommen. Sozialpolitische Massnahmen – z.B. existenzsichernde Einkommen unabhängig vom Erwerb – sind auf Dauer vorteilhafter als das Verlottern Lassen der Bausubstanz (Und dazu ist jede zu wenig tiefgehende Sanierung zu zählen, z.B. Verzicht auf eine Wärmedämmung von Fassaden bei Neuanstrich.
  • Von den im Zusammenhang mit mietrechtlichen Fragestellungen und der Festsetzung der Mietzinse üblicherweise sehr lautstarken VertreterInnen der Hauseigentümer- und MieterInnen-Verbände ist kaum etwas zu hören zu den klimaschutzpolitischen Aspekten des Wohnens. Diese Verbände sind in die klimapolitische Verantwortung einzubinden: Sie müssen sich verbindlich zu den Klimaschutzzielen äussern, sie haben ihre Bereitschaft zu signalisieren, den Pfad Richtung 1 Tonne CO2 pro Person und Jahr aktiv zu unterstützen, auch wenn dies etwas kostet!
  • Insbesondere Ersatzneubauten oder umfassende Sanierungen/Instandsetzungen/Modernisierungen lösen bei den Bewohnenden regelmässig viel Widerstand aus. Nochmals: billig im Sinn von „Geiz ist geil“ hat im Wohnungsbau nichts zu suchen – Baustubstanz muss mit Blick auf Dauerhaftigkeit genügend unterhalten werden. Zu fördern ist günstiges Bauen, welches bei den Bauabläufen und den Konstruktionsaufbauten, nicht aber bei der umfassenden Qualität (Themen z.B. ökologische Baumaterialwahl, Lärnschutz innerhalb der Bauten und gegen Lärm von aussen, Luftqualität, Energieffizienz, erneuerbare Energien, Raumaufteilung, Schonung des Bodens) ansetzt. Minergie oder Minergie-P beispielsweise stellen solche Qualitäten dar und haben nichts mit unnötigem Luxus zu tun.
  • Ältere Bauten mögen einen gewissen Charme ausstrahlen – es ist, wie wenn sich Haus und Bewohnende aneinander gewöhnt hätten. Diverse Untersuchungen haben gezeigt: ein Ersatzneubau nach aktuellem Stand der Baukunst ist mit ganzheitlicher Betrachtungsweise in vielen Situationen die dauerhafteste und zukunftsverträglichste Lösung. Das Festhalten an bestehender Bausubstanz nutzt häufig die Entwicklungspotentiale aus ökologischer Sicht nicht aus. Gute Häuser sind auf Dauer nur jene, die in der Gesamtbilanz eine möglichst geringe Umweltbelastung verursachen, flexible Nutzungen ermöglichen, eine gute Mischung zwischen Privatheit (z.B. „meine Musik ist meine Musik und nicht die des Nachbarn“) und gemeinsamem Erleben (attraktive Gemeinschaftsbereiche im und ums Haus, als Teil der Naherholung, einladender Lebensmittelpunkt mit möglichst vielen Alltagsfunktionen (z.B. Einkaufsmöglichkeiten) in nächster Nähe) ermöglichen.
  • An diesen Kriterien haben sich Diskussionen über die bauliche Entwicklung von bestehenden Wohnbauten zu orientieren. Solche Entscheide müssen möglichst rational erfolgen – insbesondere ist auf die beliebte Schrägdachromantik zu verzichten. Es gibt schliesslich eine ausreichende Zahl von Beispielen, die zeigen, dass auch zeitgenössische Architektur Wohnraum mit höchster Lebensqualität schaffen kann!

Der Vollständigkeit halber: Auch im Wohnungsbereich besteht noch ein erhebliches Stromeffizienz-Potential. Wird dies umgesetzt, leisten auch die Wohnenden ihren Beitrag, dass sehr rasch auf Atomkraftwerke und allfällige Gaskraftwerke verzichtet werden kann und die Stromversorgung ausschliesslich aus erneuerbaren Energieressourcen erfolgt.

Wohnen ist indirekt ein sehr bestimmender Faktor für den Energieverbrauch im Verkehr. Es gibt nach wie vor die endlosen Einfamilienhausquartiere, die weitab von den Orten, an denen die Alltagsbedürfnisse und -notwendigkeiten (Schule, Einkaufen, Erholung, Sport, Freizeit, Arbeiten, …) abgedeckt werden können entstanden sind und entstehen. Dadurch werden deren Bewohnendene einem Zwangsverkehr unterworfen, der in den meisten Fällen nur mit sehr viel Überzeugung und entsprechender Einstellung zu Fuss, mit dem Velo oder dem öffentlichen Verkehr abgedeckt werden kann. Es ist nicht selten, dass das superneue Minergie-Haus deutlich weniger Energie braucht als die Verkehrsmittel. Und umgekehrt: das noch nicht auf den neusten Stand sanierte Wohnhaus in einem städtischen Wohnqaurtier erlaubt einen tiefen Energieverbrauch für den Verkehr. Allerdings darf das eine nicht als Rechtfertigung für das andere heraangezogen werden: wenn die menschlichen Auswirkungen auf das globale Klima möglichst gering ausfallen sollen, ist beides erforderlich: Bauten mit einem tiefen energieverbrauch und eine Wohnlage, die den Bewohnenden die Abdeckung der Verkehrbedürfnisse mit umweltverträglichen Verkehrsmitteln erlauben!