Wenn E10, AXPO und VCS in die gleiche Richtung weisen

Seit Tagen füllt ein Thema Deutschlands Medien – neben Libyen ist dies E10, 10 Prozent Alkohol aus Biomasse im fossilen Treibstoff. Macht dieser Zusatz die Motoren kaputt? Ist allenfalls die Oekobilanz nicht viel besser als mit Benzin oder Diesel? Auch die AXPO hat von der EMPA eine Studie machen lassen – es wären zwar auch andere Schlagzeilen möglich gewesen, aber die AXPO hat sich für „Plug-in-Hybride am besten“ entschieden. „Elektromobile leisten keinen Beitrag zum Klimaschutz“ steht in einem Hauptartikel der VCS-Autoumweltliste 2011. Letztlich stehen diese relativ einhelligen Einschätzungen als Symbol für die Sackgasse, in der sich die individuelle Automobilität befindet.

Ein erheblicher Teil der Ressourcen wird für Konstruktion und Betrieb von Autos verwendet – deren Zukunft, wären sie tatsächlich bloss Massentransportgefässe, wesentlich emotionsloser diskutiert werden könnte. Spätestens seit den Zeiten der Freiheitspartei, die früher Autopartei hiess, wird nicht nur in der Schweiz das Auto als alles mögliche, aber eben nicht als Massentransportgefäss behandelt. Selbst Ignoranten vom $VP-Typus realisieren, dass die heutige Form des Autos mit dem konventionellen Verbrennungsmotor für fossiles Benzin, für fossilen Diesel, welches hauptsächlich als Stehzeug (und eben nicht als Fahrzeug) verwendet wird, sehr schnell zum Auslaufmodell werden könnte: Mensch gemachter Klimawandel, Peak Oil oder gar Peak Everything, die Abhängigkeit von geopolitisch heiklen Weltgegenden (aktuelles Beispiel Nordafrika mit dem Gewaltexzess Libyen), sind Hinweise, dass es so nicht weitergehen kann.

Seit Jahren dauert nun schon die Diskussion über Alternative Antriebssysteme. Als Nicht-Autofahrer stehe ich, da ich keine Interessen habe, etwas ausserhalb dieser Diskussion, und kann mich mit etwas Distanz über die diversen Debatten amüsieren.

Aus dieser Distanzschau mein Fazit: Der mit diversen Nachteilen behaftete fossile Treibstoff (Diesel oder Benzin) ist derzeit durch kein Antriebssystem zu ersetzen, welches keine Nachteile hätte und gleichzeitig „Weiterfahren wie bis anhin“ ermöglichen würde. Oder anders: jede Alternative zu Benzin und Diesel erfordert einen zukünftig wesentlich geänderten Zugang zur individuellen Mobilität. Die Autofahrenden sind allerdings Illusionäre: sie erhoffen sich das Wunder im Tank! Seit langen Jahren wird schon auf die „eierlegende Wollmilchsau“ für den Autoantrieb gewartet (erneuerbar, nachhaltig, billig, geräuschlos, …). Kaum gibt es irgendwo eine neue Idee (Stichwort etwa „Solarbenzin„) hypert die automobile Welt einige Zeit in diese Richtung, um kurz darauf einem neuen Hype nachzurennen. Objektiverweise sind die nobelpreisträchtigen bahnbrechenden Entwicklungen nicht in Sicht – statt auf den absolut problemlosen Autoantrieb zu warten, braucht es endlich einen gesellschaftsverträglichen Umgang mit der Mobilität, respektive dem in Teilen dazu erforderlichen Verkehr.

Ganz zu erst: das Lob des kleinen Alltagsradius. Das tägliche Leben sollte sich so weit als möglich in einem Umkreis abspielen, welcher per Velo erfahrbar oder noch besser zu Fuss begehbar ist. Es braucht insbesondere eine neue gesellschaftspolitische Einschätzung des Pendelns z.B. zwischen Wohn- und Arbeitsort.

Weil keine der Alternativen zum mit fossilen Treibstoffen betriebenen Verbrennungsmotor als wirklich nachhaltig bezeichnet werden kann, ist der MIEV (sorry, das muss MIV für motorisierten Individual-Verkehr heissen) deutlich, d.h. um mindestens den Faktor 10 zu vermindern. Nur ein Teil der bisher durch den MIEV abgedeckten Fahrstrecken soll durch das Zufussgehen, das Velofahren und den öffentlichen Verkehr ersetzt werden – auch das Verkehrssparen ist endlich mit Vehemenz voranzutreiben.

Weil Verbrennungsmotoren nur etwa einen Sechstel der eingesetzten Energie in Vortriebsenergie umsetzen, Elektroantriebe aber deutlich mehr, und zudem die Möglichkeiten zur Ökologisierung bei der Stromproduktion vielfältiger sind als bei der Treibstoffproduktion z.B. aus Biomasse, gehe ich davon aus, dass tendenziell eher der Elektroantrieb favorisiert werden sollte. Da die Stromspeicherung nicht nur für Fahrzeuge von grosser Bedeutung ist, kann ich mir zudem vorstellen, dass der heutige grosse Bedarf an seltenen Erden und anderen Ressourcen für den Speicher- und Antriebsteils eines Elektrofahrzeuges mit relativ einfachen Massnahmen deutlich vermindert werden kann, nicht zuletzt wegen der Preisentwicklung dieser Rohstoffe.

Wie viele unterschiedliche Antriebsstränge eine Gesellschaft entwickeln, produzieren und betreiben kann, ist zwar nicht vorgegeben – sämtliche in den letzten Jahren diskutierten Formen werden kaum in den Massenmarkt vordringen können. Dies ist schlicht nicht bewältigbar; allein die Vorstellung, für all die verschiedenen Möglichkeiten flächendeckende Versorgungsinfrastrukturen aufzubauen, mag dies illustrieren. Der schon fast zyklische Wechsel der gerade im Fokus des öffentlichen Interesses stehenden Technologie zeigt, dass sich auch die Autoindustrie noch nicht festlegen mag. Ob der Dreitonnen-Elektro-Rolls-Royce 102EX „Emily“ Episode oder Trend darstellt, wird also erst die Geschichte zeigen.

Das Sackgassen-Zeichen ist im Strassenverkehr ein klarer Hinweis darauf, dass vorteilhaft eine andere Route gesucht wird. Vorerst ist festzuhalten, dass – zumindest in der Stadt Zürich – regelmässig Sackgassen für zu Fuss gehende und Velofahrende durchlässig sind. Für Autos bleiben Sackgassen unabhängig vom Antriebssystem Sackgassen.

Es wird spannend sein, im Markt zu verfolgen, ob es gelingt, den derzeit übermässigen Anteil an Emotionen bei der Autodebatte durch die Erkenntnis zu ersetzen, dass es bei MIEV respektive MIV schlicht und einfach um Massentransportgefässe geht …

P.S. Hier geht es vor allem um Aspekte der Alltagsmobilität. Die Überland-Ferien- oder Wochenend-Tourenfahrten mit dem Auto gehören nicht in dieses Feld. Allerdings sind auch hier grössere Veränderungen zu erwarten.

2 Gedanken zu „Wenn E10, AXPO und VCS in die gleiche Richtung weisen“

  1. Als Experte möchte ich gerne einiges ergänzen:
    – Verbunden mit konsequenter Leichtbauweise und nicht übertriebenen Reichweiten bzw. Akkuwechselkonzepten ist der Faktor 10 durch Elektroautos PROBLEMLOS machbar Die Kosten dafür sind heute hoch weil die Carbon-Fiber-Technologie noch so jung ist. Die Kosten werden erdrutschartig fallen sobald Leichtbauweise bei Autos einen Markt hat. (Bei Fahrrädern hat Carbon einen Markt gefunden und geht ab!) -> Die Skepsis bezüglich gewissen Elektromobilitätskonzepten ist also nur bedingt angebracht.

    – Alle anderen Antriebskonzepte sind Grössenordnungen schlechter, gerechnet mit dem Strommix von „morgen“.

    – Die Änderung des Nutzungsmodells (von eigenem Auto zu Bahn+Mobility oder von Pendeln zu „Arbeit von zu hause“ etc.) wird oft als Panikscenario dargestellt:“wir müssen verzichten“. Das ist doppelt falsch: Erstens bewirkt Panik das Gegenteil von Innovation, zweitens sind oft neue Mobilitätskonzepte tatsächlich ein Gewinn an Lebensqualität, denn ein Grossteil unserer Autostunden sind nicht die wahre Freude!

    Ich wünsche mir also anstelle von Sarkasmus eine emotionale (!) spass-betonte Reflexion unserer Bedürfnisse und eine Lösung mit ökologischer Elektromobilität!

    Amadeus Thiemann

  2. Ich bin kein Techno-Euphoriker. Auch wenn ich durchaus Vorteile für den Elektoantrieb gegenüber dem Biomasse-Solarbenzin-Verbrennungsmotor sehe (allerdings sicher nicht Grössenordnungen, wahrscheinlich auch nicht einmal eine Grössenordnung, also Faktor 10), bleibe ich bei der Aussage, dass keine der diskutierten Antriebstechnologien (derzeit) nachhaltig ist. Carbon-Fiber ist kaum Cradle-to-Cradle-fähig, Motoren und Batterien brauchen erhebliche Mengen an Ressourcen aus z.B. „seltenen Erden“, …

    „spass-betont“ ist für mich Synonym zu Rebound- oder gar Backfire-Effekt, auch wenn ich im Nicht-Pendeln und der ÖV-Mobilität mit ChaffeurIn deutlich mehr Lebensqualität sehe als im …

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