Syrien: Ohnmacht

Gibt es eine kluge Möglichkeit, mit der die internationale Staatengemeinschaft DiktatorInnen von einem Krieg gegen die Bevölkerung des eigenen Landes abhalten kann? Aus den letzten 10 Jahren gibt es genügend Beispiele – Ex-Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Nordkorea -, die illustrieren, dass Gewalt von aussen nicht wirklich als Lösung angesehen werden kann. Dies unter anderem auch darum, weil es keinen Sinn macht, eine oder mehrere Nationen als „WeltpolizistInnen“ einzusetzen. Die Staatengemeinschaft sollte sich endlich daran machen, kluge Instrumente zu schaffen, die die Umsetzung der Menschenrechte auch in Gewaltsituationen respektieren.

Über hunderttausend Tote, mehr als eine Million Menschen auf der Flucht, diese Zahlen aus dem „Bürgerkriegsland“ Syrien illustrieren die Ohnmacht der Staatengemeinschaft. Kriege sind begleitet von sehr viel Propaganda – eine objektive Meinungsbildung über die Hintergründe solcher Kriege und allfällige Auswege ist nahezu ausgeschlossen. Die öffentliche Meinung einerseits, aber auch die Meinungsäusserungen auch von grossen Staaten aus dem näheren und weiteren Umfeld sind immer stark von den Eigeninteressen der diversen Länder (und/oder der MAchthaberInnen dieser Länder) geprägt. Die sinnvollen Einflussmöglichkeiten der Staatengemeinschaft müssen sich auf die Anfangsphase eines innerstaatlichen Konflikts beschränken. Zentral dabei ist, dass global Gewalt als Handlungsoption geächtet wird; verbunden mit einer massiven Reduktion der Waffenwirtschaft. Es ist eine „gute Regierungspraxis“ zu schaffen, die den Einsatz von Gewalt gegenüber der Bevölkerung ausschliesst oder zumindest auf überprüfbare ordnungspolizeiliche Aufgaben beschränkt. Zukünftig sollten sich Exekutiven aller Stufen als ein Element dieser guten Praxis bei der Übernahme der Regierungsverantwortung gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft darauf zu verpflichten, keine Gewalt gegenüber der Bevölkerung anzuwenden. Sollte diese Verpflichtung missachtet werden, müsste zukünftig automatisch das völkerrechtliche Vertretungsrecht der Regierungsverantwortlichen erlöschen.

Sollte in Syrien tatsächlich in der Befehlskette des Diktators Baschar al-Assad Giftgas gegen Menschen eingesetzt worden sein, wäre dies ein weiterer Baustein zur Bestätigung der Illegitimität der Herrschaft von Baschar al-Assad. Begrenzte militärische Schläge gegen Strukturen, die der Machtausübung von Baschar al-Assad dienen, wären derzeit wohl leider die einzigen Reaktionsmöglichkeiten – dies miuss eindeutig als Zeichen der Ohnmacht der Staatengemeinschaft bezeichnet werden.

Seit Anbeginn des Bürgerkriegs in Syrien haben sowohl Russland wie China regelmässig ihre Unterstützung für den syrischen Diktator Baschar al-Assad öffentlich gemacht. Es ist davon auszugehen, dass diese Unterstützung mehr mit den Inland-Machtansprüchen des russischen Diktators Putin und der diktatorischen chinesischen Führung zu tun hat als mit der realen Situation in Syrien.

Zur Illustration:

  • Demokratieindex Syrien: 1.64 (von 10 möglichen Punkten) –> autoritäres Regime
  • Demokratieindex Russland: 3.74 (von 10 möglichen Punkten) –> autoritäres Regime
  • Demokratieindex China: 3.00 (von 10 möglichen Punkten) –> autoritäres Regime

Dazu kommt: da sich die USA bei ihrem „Krieg um Öl“ auch volkswirtschaftlich massiv verausgabt hat, und parallel dazu die Bedeutung des Shale- oder Schiefergas aus US-Nutzung deutlich zugenommen hat, hat ein weiteres Engagement der USA im „Krieg um Öl“ nicht mehr die gleiche Bedeutung wie von 10 Jahren. China und Russland haben kein Interesse an international gutgeheissenen Massnahmen gegen Diktaturen, weil es sich dabei selbst um Diktaturen handelt – die USA halten sich zurück, weil aus geopolitischer Sicht erdölproduzierende Staaten wie Syrien deutlich an Bedeutung verloren haben.

Das heisst: es braucht dringend gute gewaltfreie Ansätze, um DiktatorInnen an der Gewaltausübung gegen die Bevölkerung des eigenen Landes zu hindern. Das wäre durchaus ein Ansatzpunkt für Deeskalationsstrategien.>

Ergänzung 2.9.2013 (aufgrund eines Hinweises auf Facebook)

Ein Zitat von Bertha von Suttner, Friedens-Nobelpreisträgerin 1905 (als erste Frau): „Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden.