Schengen: Kommentar zu einem apolitischen Ja.

In der EU-Frage haben es in der Schweiz rationale Argumente seit dem Nein zum EWR-Vertrag am 6. Dezember 1992 extrem schwer. Als ein kleiner Beleg eine Anmerkung von Hans Steiger im P.S. vom 2. Juni 2005, also einige Tage vor der Abstimmung über Schengen/Dublin am 5. Juni 2005: „So sehr es mir einerseits zuwider ist, einem nationalistischen Angst-Nein zugerechnet zu werden: Ja ging einfach nicht. Und für ein unschuldiges Strichlein war ich bei dieser Vorlage nicht uninformiert genug.

Diese sehr düsteren Worte illustrieren, dass das Ja zu Schengen/Dublin ein ausgesprochen apolitischer Entscheid ist. Auch wenn die SP jetzt die Weltoffenheit der für einen derart weitrechenden Schritt äusserst knappen Ja-Mehrheit bejubelt: was hat die Schleierfahndung gegen alles und jedes einigermassen von den durchschnittlichen Normen abweichendes menschliches Wesen mit Weltoffenheit zu tun, was hat das Weltmachtstreben der modernen EU-Macciavellisten mit Weltoffenheit zu tun, was hat die Errichtung der Festung EU mit Weltoffenheit zu tun, waqs hat eine repressive Asylpolitik mit Weltoffenheit zu tun? Der Nein-Anteil geht deutlich über die Stimmkraft der „isolationistischen, konservativen Kreise um die SVP“ (Zitat aus einer SP-Mitteilung) hinaus. Selbstverständlich sind in einer Demokratie selbst knappe Mehrheiten zu respektieren – selbst dann, wenn sich die Mehrheit irrt (wobei die Politik keine Methoden der Erfolgskontrolle kennt, nach dem alten Motto „Was interessiert mich morgen mein saudummes Geschwätz von gestern?“).

Ein schwerwiegender Verdacht liegt in der Luft: Gerade die SP und ein grosser Sympatisantenkreis entscheidet nicht mehr aufgrund rationaler, logischer Sachargumente, sondern einzig aufgrund des Positionsbezugs von Ex-Nationalrat Blocher und der SVP. Bis zum Beweis des Gegenteils ist durchaus davon auszugehen, dass die Gefahr besteht, diese Anti-Blocher-Fixierung weiter Teile der politisschen Landschaft zur Beeinflussung von Abstimmungsausgängen zu verwenden. Was, wenn die Ja-Kampagne ihre Ziele billiger und einfacher mit einer Finanzierung einer Blocher-Nein-Kampagne erreichenl kann. Wie gesagt, ein Verdacht! Da die Geldflüsse von Abstimmungskomittees zu den bestgehütetsten Geheimnissen der Schweiz gehören, wird es allerdings nicht gelingen, Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Ein Indiz: ein Kommentar von Koni Loepfe zu einem Vortrag des bayrischen Innenministerss! Rein von der sachlichen Ebene her hätte die SVP für ein Ja zu Schengen/Dublin sein müssen, während die Linke, insbesondere aber die SP für ein Nein hätte eintreten müssen.

Auf jeden Fall: auch nach der monatelangen massiven Berieselung durch eine Pro Schengen/Pro Dublin-Kampagne, trotz einem ausgesprochen parteiischen und unsachlichen Bundesrat kenne ich nach wie vor die rationalen Argumente für einen Schengen-Beitritt nicht – nachweislich und und unwiderlegt trifft zu, dass sich auch die Schweiz mit dem Schengen-Ja einen Schritt weiter Richtung Überwachungsstaat und Festung verändert.

Nun, egal aus welchen Gründen – die Mehrheit der SchweizerInnen will dies. Und bewegt sich dazu einige Schritt in Richtung EU, die anerkanntermassen ein erhebliches Demokratiedefizit hat (in der einzelne ExponentInnen gar von „Unfall“ sprechen, wenn sich Mehrheiten in Frankreich und Niederlande gegen die EU-Verfassung aussprechen), die zur Weltgrossmacht werden will. Eine derartige Politik widerspricht den Mindestaanforderungen an eine solidarische und gerechte Welt – Grundvoraussetzung für Weltoffenheit im übrigen!

Das Ja zu Schengen/Dublin ist letztendlich ein Versuch, die nicht nur ökonomische Vormachtstellung „Europas“ (was immer dies auch sein mag) zu zementieren.

„Global denken, lokal handeln“ ist eine zwingende Anforderung, damit die gesamte Menschheit auf der Erde eine Zukunft hat. Dies bedeutet, sich über die auslösenden Momente des „Terrors“ Gedanken zu machen, und dafür zu sorgen, dass nicht die Symptome, sondern die Ursachen (z.B. Ungerechtigkeit, übermässige Ansprüche einzelner Staaten an den vorhandenen Ressourcen)… bekämpft werden. Dies bedeutet, dass jene Staaten, die sich heute als eigentliche Zechpreller verhalten, bewusst ihre Anprüche zurückschrauben zugunsten der Ueberlebensmöglichkeiten zukünftiger Generationen und anderer Länder. Schengen/Dublin wollen genau das Gegenteil – sie sind ein Element zu Zementierung der (ungerechtfertigten) Privilegien der bereits überentwickelten Staaten.


Verschiedentlich wurde auf www.umweltnetz.ch auf die Fragwürdigkeit von Internet-Meinungsumfragen hingewiesen. Ein Beispiel für den Unsinn solcher „Umfragen“ bietet die Schengen-/Dublin-Abstimmung. 10 Tage vor der Volksabstimmung ergab eine „Umfragen“ im Online-Tagesanzeiger bei 2078 Teilnehmenden einen Ja-Anteil von 71.4% – 54.6 % ergab das Abstimmungsergebnis. Solche „Umfragen“ haben nicht einmal Unterhaltungswert – sie sollten daher klugerweise unterbleiben!