Zusammenhänge? Zum Nachdenken!

Die Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer wurde Ende April 2006 zur Präsidentin des Schweizerischen Schiesssportverbandes gewählt. Die Zürcherinnen und Zürcher haben sie zwar zur Vollzeit-Regierungsrätin gewählt (leider gibts keine Teilzeit- respektive Job-Sharing-RegierungsrätInnen), aber trotzdem erwartet dieser Verband, dass Frau Fuhrer 25 Prozent eines Vollamtes für diesen Job aufwendet. Ein echt riesiges Pensum für die Regierungsrätin, auch wenn sie die Nacht und das Wochenende dazu verwendet! Wo wird die Volkswirtschaftsdirektorin wohl Abstriche machen? (Der Vollständigkeit halber: wo machen all jene sogenannten und massiv überzahlten VerantwortungsträgerInnen Abstriche, wenn sie ihre zeitlich beanspruchenden Mandate ausüben?).

Nun, diese Fragestellung betrifft letztlich nur Frau Fuhrer und den von ihr präsidierten Verband.

Etwas anderes sind die Äusserungen von Frau Fuhrer rund um dieses neue Präsidiums-Mandat. Original-Wortlaut von Frau Fuhrer:

Schützen halten Druck und Belastung aus – Eigenschaften, die im modernen Leben wichtig sind.

Schiessen ist kein alter Zopf, sondern modern und trendig.

Fuhrer setzt sich für ein liberales Waffenrecht ein. „Wir leben in einem freien und friedlichen Land – da braucht es keine Bevormundung und kein Misstrauen.

Solche Worte wirken angesichts der realen Verhältnisse – zum Beispiel die „Erschiessung“ der Ex-Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet und ihres Bruders wenige Stunden nach den populistischen Voten von Frau Fuhrer – geradezu zynisch.

Konsequenz: Ein friedliches und freies Land braucht keine frei verfügbaren Schusswaffen, denn Waffen machen den Frieden kaputt, schränken die Freiheiten ein. Wer Schiessen als Sport betrachtet, soll Waffen im sehr gut gesicherten und gut lärmabgeschotteten Schiessstand belassen – Waffen haben in der friedlichen und freiheitlichen Oeffentlichkeit nichts zu suchen!

Waffen dienen letztlich der Gewaltanwendung – nicht nur Schusswaffen allerdings, wie das Beispiel des verhinderten 1.-Mai-Auftritts von Bundesrat Leuenberger in Zürich aufzeigt. Es ist eine schwerwiegende Gewaltanwendung, wenn ein eingeladener Redner/eine eingeladene Rednerin daran gehindert wird, das wesentliche Grundrecht der freien Meinungsäusserung wahrzunehmen. Es ist aber ebenso problematisch, als eingeladener Redner auf das Halten einer Rede zu verzichten – nicht wegen jenen, die die Rede verhindert haben, sondern wegen jenen, die sich ernsthaft mit den Worten des bundesrätlichen Magistraten auseinandersetzen wollten. Eigenartig, dass die vorbereitete Rede Leuenbergers nicht einmal im sonst gut dokumentierten UVEK-Internet, dem Internet-Auftritt des Departements von Bundesrat Leuenberger, erhältlich ist (Stand: 2.5.2006, 21:30 Uhr).

Redenverhinderung ist angesichts der garantierten Meinungsäusserunsgfreiheit problematisch. Offenbar handeln hier Menschen, die sprachlos sind – sprachlos sein wollen. Leider ist Gewalt politisch als Problembewältigungsstrategie akzeptiert, siehe beispielsweise die Politik des amerikanischen Präsidenten. Gegenüber den Ressourcen und den den Schätzen des Planeten Erde gehört Zerstörung zu den alltäglichen Praktiken der Gesellschaft. Daran ändern leider auch Viel- und Schönredner und Wenigsager wie Bundesrat Leuenberger nichts – sogar wenn sie wollten. Als Angehörige des Konkordanzsystems haben sie sich darauf verpflichtet, eine Politik der minimierten Unzufriedenheit von knappen (dauernd wechselnden) Mehrheiten zu bewirtschaften, ein System, welches in erster Linie dazu dient, Verantwortlichkeiten zu anonymisieren. Könnte es also sein, dass nicht nur der Schreck und der mehr als gerechtfertigte Ärger über die Redenverhinderung Bundesrat Leuenberger verstummen lässt, sondern auch die Erkenntnis, für Menschen, die so sprachlos sind, so sprachlos sein wollen wie der „Schwarze Block“ am Zürcher 1. Mai, keine überzeugenden Botschaften, keine realen Antworten auf deren sprachlose und zerstörerischen Fragen zu haben?

Was bringt Menschen dazu, in einem freiheitlichen und friedlichen Land Lösungsversuche in der Zerstörung zu suchen – seien dies Menschen wie der Mörder von Corinne Rey-Bellet und deren Bruder, seien es die NachdemonstrantInnen am 1. Mai in Zürich? Ist freiheitlich und friedlich allenfalls nur die Kulisse vor einem im Versteckten kochenden Vulkan aus Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Verzweiflung, Zukunftssorgen, Chancenlosigkeit, Überforderung, …