Globalisierung am Beispiel Kunst

 

In Zürich wird aufgeräumt: die Kunstwerke der Aktion Art and the City verschwinden wieder aus dem Stadtbild. Drei der Kunstwerke bleiben Zürich erhalten, darunter „Vanessa“ (die durchschnittlich prototypische Teenager von heute) von Alex Hanimann, aus getriebenem Chromstahlblech, fünfeinhalb Meter hoch.

Nicht „Vanessa“ ist es, die in Zürich bleibt, denn diese ist bereits vorgesehen als Kunst am Bau-Projekt für ein Gymnasium in Heerbrugg. Es wird also eine neue durchschnittliche prototypische Teenager von heute aus getriebenem Chromstahlblech irgendwo in Zürich aufgestellt.

Die Internet-Suche nach der Geschichte hinter „Vanessa“ führt auf die Seite der Kunstgiesserei St. Gallen. In der Schweiz wurde nach einem skalierten 3D-Scan ein Styropormodell gefräst, welches in Shanghai in einer spezialisierten Werkstatt in Chromstahlblech getrieben, Stück für Stück, dann wieder zusammengeschweisst und auf Hochglanz poliert wurde.

Shanghai liegt etwa 1200 km entfernt von Taiyuan, der Stadt, in der Foxconn-Mitarbeitende wegen einer Massenschlägerei zum Medienereignis wurden.

Schon lange sind die Arbeitsbedingungen in China ein Thema in Europa, es geht um Menschenrechte, ArbeitnehmerInnenrechte, Billig- und Billigstarbeit, letztlich um Demokratie. Sicher nicht zufällig gibt es bei jeder Lancierung eines Apple-Produkts Mediengeschichten aus China zu den Menschen, die diese Produkte herstellen (im Wissen darum, dass ein erheblicher Teil der Computer und verwandter Produkte, bis hin zu Solarzellen, unter ähnlichen Bedingungen hergestellt werden).

Die Geschichte hinter „Vanessa“ sagt nichts zu den Arbeitsbedingungen der Menschen, die das dafür erforderliche Chromstahlblech getrieben, geschweisst und auf Hochglanz poliert haben. Die prototypische Teenager ist zu Metall erstarrt und stand schweigend in Zürich West – ihre Nachfolgerin wird es ihr gleichtun. Dass „Vanessa“ in Shanghai gefertigt wird, hat sicher damit zu tun, dass die Löhne der spezialisierten Facharbeiter deutlich tiefer waren und sind als jene entsprechend qualifizierter Spezialisten aus der Schweiz. Die Praxis der Globalisierung bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Arbeit dorthin reist, wo die Arbeit am billigsten ist, weil Menschen schlecht bezahlt sind, weil sie wenig Rechte beanspruchen können. Damit Alex Hanimann seine künstlerischen Vorstellungen verwirklichen kann, ist er darauf angewiesen, dass Menschen in einem Billiglohnland dafür arbeiten.

Kunst ist nicht anders als viele viele andere Lebensbereiche – es ist gesellschaftlich akzeptiert, dass die Menschen in den „reichen“ Ländern von diesen unerwünschten Effekten der Globalisierung profitieren können (Globalisierung wurde als Projekt für die Wohlstandsvermehrung bezeichnet – in der Realität führt Globalisierung zu Sozial- und Öko-Dumping!

Aber Kunst, öffentlich zugänglich Kunst steht, gerade in der voraussichtlichen Grösse der „Vanessa“-Nachfolgerin, als Anker, als „Denkmal“ für die soziale Ungleichheit dieser Erde! Möge durchschnittlich und prototypisch auch das Bewusstsein für solche Zustände und das Wissen um die Veränderungsmöglichkeiten beeinflussen. Auch Kunst braucht ein Max Havellar-Label!