Was ist der Zweck eines Hafenkrans?

Hafenkranbaustelle am Limmatquai   Beruf und Berufung – unter diesem Motto interviewt Mathias Morgenthaler Menschen, die etwas zu erzählen haben. Etwa am 12.4.014 Sir Ken Robinson, Bestseller-Autor, Redner und Bildungsreformer. Ein Zitat aus dem Interview: „Für die Längsschnittstudie «Break Point and Beyond» wurden 1600 Kinder im Kindergarten gefragt, wie viele Verwendungszwecke es für eine bestimmte Sache gibt. Das Resultat: 98 Prozent der 5-jährigen Kinder zeigten so viel Phantasie, dass man sie als Genies in divergentem Denken bezeichnen kann. Fünf Jahre später fielen gerade noch 32 Prozent in diese Kategorie. Im Alter von 14 Jahren waren es nur noch 10 Prozent, der grosse Rest antwortete sehr uniform.

Welche Verwendungszwecke gibt es für einen Hafenkran? In diesem Kontext ist die Frage rhetorisch – klar ist, dass 5-jährige Kinder viele Verwendungszwecke für einen Hafenkran nennen würden. Wer dies nicht tut, ist nach Ken Robinson weder kreativ noch innovativ, weil divergentes Denken Voraussetzung für Kreativität und Innovation ist.

Ist ein Hafenkran, ein rostiger, uralter zudem, Kunst? Wer divergent denkt, wer innovativ und kreativ ist, wird diese Frage uneingeschränkt mit Ja beantworten. Die Gegenbehauptung: wer diese Frage mit Nein beantwortet, wird kaum positiv aussagen können, was denn genau Kunst ausmacht. „Vanessa“ ist auch aus Metall, aus getriebenem, hochglanzpoliertem Chromstahlblech, fünfeinhalb Meter hoch – sie ist als Kunst bezeichnet. Welches wären hier wohl die divergenten, die kreativen, die innovativen weiteren Verwendungszwecke?

Seit 2009 ist „zürich transit maritim„, eine Kunst-Intervention im öffentlich Raum, unterwegs. Fünf Jahre also hat es gebraucht, bis die divergenten Hafenkran-DenkerInnen ihr Projekt realisieren konnten – siehe dazu auch meine Blogbeitrag „Eines Morgens …„. Diese Beharrlichkeit ist eines der Merkmale innovativer und kreativer divergenter DenkerInnen – allein dies ist eine besondere Qualität dieses Projektes, bis hin zur „maritime Lovestory„.

Derzeit ist es sehr spannend am Limmatquai – wer einige Minuten in der Nähe der Hafenkranbaustelle stehen bleibt, bekommt einiges zu hören und zu sehen. Zu hören sind vor allem die „besorgten SteuerzahlerInnen“. Einfach so viel: wegen dieses Projektes wird kein anderes nicht realisiert – und die Armen, die laut Caritas 2009 in der Schweiz lebten, könnten, wenn das Geld für „zürich transit maritim“ anderes ausgegeben würde, gerade etwa mit einem Stutz mehr pro Person rechnen! Nicht so auffällig und laut sind übrigens jene, die staunend und interessiert stehen bleiben, den Hafenkran im Auge. Ob dies wohl die divergenten DenkerInnen, die innovativen, die kreativen Menschen sind? Unabhängig davon, der entstehende Hafenkran dürfte derzeit das meistfotografierte Zürcher Sujet sein!


Ist ein „Literaturmuseum“ Kunst und/oder Kultur? Hat ein solches Museum mehr Bedeutung als ein Jugend-Literatur-Labor? Oder ertragen „die besorgten SteuerzahlerInnen“, also die nicht-divergenten DenkerInnen, die Nicht-Innovativen, die Nicht-Kreativen knapp eine solche Institution, leider aber nicht zwei derartige Einrichtungen. Teil des Literaturmuseums ist etwa die Erinnerung an den Schriftsteller Max Frisch. Frisch schrieb 1979 „Der Mensch erscheint im Holozän“. „Hören Sie endlich auf, vom Holozän zu sprechen. Wir sind im Anthropozän!“ sagte im Jahr 2000, also nur 21 Jahre später, der Nobelpreisträger Paul Crutzen. Ein Literatur-Labor, nicht nur für die Jugend, ist also gleich bedeutend, wenn nicht bedeutender als ein Museum. Oder lässt sich dies allenfalls gar kombinieren?

Dass der Hafenkran derzeit aufgebaut wird und ab Gründonnerstag 2014 für etwa 9 Monate in Zürich steht, ist ein Kunstbeitrag zum Lob des divergenten Denkens – auch dann, wenn es sich um einen rostigen Uralt-Kran handelt, selbst dann, wenn für Transport und Montage einiges an ökologischen Belastungen anfällt – es gibt ausreichend Möglichkeiten für jede und jeden, noch etwas mehr zu tun zum Schutze der Umwelt, zum Schutze des globalen Klimas.