Die St. GallerInnen verweigern der Umwelt das Mitspracherecht

In der Volksabstimmung vom 17. Juni 2007 haben die Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen das kantonale Beschwerderecht der Natur- und Heimatschutzverbände in Planungs- und Bausachen schlicht und einfach gestrichen, mit einer Mehrheit von etwa 60 Prozent.

Und dies ausgerechnet in einer Zeit, in der immer klarer wird, dass das menschliche Verhalten zu massivsten Eingriffen in die Umwelt führt, die letztlich die Existenz der Menschheit gefährden – Stichworte z.B. menschgemachter Klimawandel, menschgemachter Verlust der Artenvielfalt, menschgemachter Verbrauch endlicher, unwiderbringlicher Ressourcen.

Das Verbandsbeschwerderecht in Natur- und Heimatschutzfragen ist zwar ein schwaches Instrument – trotz dieses Instrumentes wird der ökologische Fussabdruck der Schweiz immer noch grösser: aus Sicht Nachhaltigkeit zehrt die Schweiz vom Kapital von Menschen in anderen Weltgegenden und von zukünftiger Generationen, statt nur von den ihr zustehenden Zinsen zu leben. Selbst dieses schwache Verbandsbeschwerderecht ist der Mehrheit der Stimmenden im Kanton St. Gallen zu viel – sie wollen, dass in Planungs- und Baufragen weiterhin gewurstelt werden kann und dass die meist mit einem hohen Anteil an Freiwilligenarbeit tätigen Verbände in diesem Millarden-Business keine Stimme mehr haben.

Die Umweltbelastung fällt immer stärker auf die Menschen zurück, immer gewichtiger werden die negativen Folgen menschlicher Handlungen gegen die Umwelt. Daran können auch Stimmberechtigte, die sich nach dem Prinzip der drei Affen – „ich sehe nichts, ich höre nichts, ich sage nichts“ – verhalten, nichts ändern. Hier haben einmal mehr Stimmberechtigte die egoistischen finanziellen Interessen Einzelner höher gewichtet als die Mitsprachemöglichkeit von Verbänden, die sich uneigennützig für die Interessen der Allgemeinheit engagieren.

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ – dieser je nach Quelle einem indianischen Weisen oder Greenpeace zugeschriebene Spruch ist die einzig mögliche Reaktion auf ein solches Abstimmungsergebnis.


Bezeichnend die Reaktion aus dem Kanton Zürich von VertreterInnen der Egoisten-Parteien SVP und FDP am Sonntagabend. Carmen Walker Späh – die am liebsten den ganzen Kanton Zürich flächendeckend mit neuen Strassen asphaltieren möchte, ohne irgendwelche Betroffenheit durch den menschgemachten Klimawandel, ohne eigenverantwortliche Selbstbeschränkung wegen des übermässigen Ressourcenkonsums (siehe zum Beispiel ökologischer Fussabdruck) – FDP-Kantonsrätin Walker Späh beurteilt diesen Entscheid gemäss Tages-Anzeiger als „längst fällige Korrektur und deutliches Signal für eine Reform“. Ja, es braucht eine Korrektur, Richtung wesentlich stärkere und wirksamere Umweltschutzgesetzgebung, ja, es braucht eine Reform, damit auch die UmweltzerstörerInnen bei der FDP endlich den Ernst der Lage begreifen und endlich freiwillig und selbstverantwortlich die nötigen Schritte zum Schutz der Umwelt unternehmen, in erster Linie durch weniger Autofahren! Und wenn SVP-Kantonsrat und Fraktionschef Alfred Heer den Verbänden die Schuld für diesen Entscheid zuschiebt, weil sie von ihrem Recht „exzessiv Gebrauch gemacht“ hätten, so verkennt er die hohe Erfolgsquote der Beschwerden von Verbänden; zudem ignoriert er, dass ab sofort wesentlich verstärktes Umwelt-Engagement erforderlich ist, und dies lässt sich nicht erreichen, wenn das Fehlverhalten insbesondere in der Strassenverkehrspolitik zementiert wird. Eine laute und kräftige Stimme ist für die Umweltverbände zwingend – mit seinem Kommentar outet sich Kantonsrat Heer als Chef der Drei-Affen-Fraktion.