Zum Ausgang des Abstimmungssonntags 1. Juni 2008

Lange ist es her, dass die Stimmberechtigten genau entsprechend meinen Abstimmungs- und Wahlempfehlungen entschieden haben – allerdings kein Grund zur Euphorie!

Gratulation an Ruth Genner zur Wahl in den Zürcher Stadtrat – es wird spannend sein, wie sie nach jahrelanger Fokussierung auf die nationale Politik die auch inhaltlich sehr deutlich unterschiedliche Politikkultur in der Stadt Zürich weiterentwickelt. Gerade im Bereich der Umweltpolitik ist in der Stadt Zürich die Phase der Deklamation – also die Epoche der schönen Worte, welche auch die Grünen angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Bern pflegen – schon sehr lange vorbei. Hier werden seit langen Jahren Nägel mit Köpfen gemacht. Noch am Samstag vor dem Wahltag stand im TA zu lesen, dass es sich um einen „Wahlkampf zum Abschalten“ handle, weil eine Mittekandidatur fehle – auf jeden Fall hatten die Stimmberechtigten diesen Eindruck nicht – knapp über 60 % WählerInnenanteil bei einer Einer-Majorzwahl ist ein hervorragendes Ergebnis. Nicht zum ersten Mal lag der TA bei Wahlen völlig quer mit der Einschätzung insbesondere von Kanididaturen aus dem grünen Umfeld. Ob dies wohl daran liegt, dass Tamedia mit Vehemenz Werbung für den Klimakiller Auto macht (mehr)

Mit zwei deutlich verlorenen Initiativen und der Mitbeteiligung an einer bachab geschickten parlamentarischen und bundesrätlichen Mehrheitsvorlage (ebenfalls ausgelöst durch eine an den egoistischen Interessen der SVP-Milliardäre orientierte SVP-Initiative) ist die SVP dort angekommen, wo sie sein möchte: im Ecken der oppositionellen Gruppierungen. Allerdings gehört es zur Konkordanz, dass es einen Wechsel von Abstimmungserfolgen und -niederlagen gibt, also ist dieses Abstimmungsergebnis wirklich nichts besonderes. Es ist im übrigen davon auszugehen, dass auch eine Bürgerrechtsvorlage, die sich mehr an den Grundsätzen der Integration und des Lebensmittelpunktes ausgerichtet hätte statt an den nationalistisch-konservativen Vorstellungen der SVP, kaum mehrheitsfähig gewesen wäre. Oder anders: initiativfähig sind in diesem Land viele Gruppen – veränderungsfähig (Aenderung der Spielregeln des Zusammenlebens in einer pluralistischen Gesellschaft) ist nicht einmal die SVP mit einem WählerInnenanteil von etwas weniger als dreissig Prozent!

Dass das verkrampfte Prestigeprojekt eines Kongresshauses so nicht kommen würde, war trotz Unterstützung durch Stadt- und Gemeinderat den InsiderInnen schon lange klar. Die schlechten Erfahrungen mit PPP-Projekten (PPP: Private-Public-Partnership) – jüngstes Beispiel die Fussball-EURO08, bei der der UEFA der riesige Gewinn und der öffentlichen Hand der Aufwand bleibt – , hochkomplexe Eigentums- und Vertragsverhältnisse und nicht zuletzt die öffentlich nicht geführte Debatte über den Denkmalschutz (mehr dazu) waren zusammen zu viele Argumente, gegen die das Prestige und die Glaubwürdigkeit des Stadtrates ausgereicht hätten. Hier braucht es einen echten Neuanfang – von den Bedürfnisabklärungen über den Standort und die Anforderungen an ein Kongresshaus bis zur Bedeutung des Denkmalschutzes angesichts der Herausforderung des Klimawandels. Auch hier wieder auffällig: der Tages-Anzeiger lag mit Begründung seiner Haltung zu dieser Vorlage ziemlich schief – da wurde beispielsweise das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern richtiggehend umerzählt. Nun, die Stimmenden haben das Original-Märchen gut im Gedächnis verankert: das Projekt für ein neues Kongresshaus geht zurück an die Absender, mit dem Vermerk „wie des Kaisers neue Kleider“ – da waren keine Vorteile dieser Lösung zu sehen…

Ein Abstimmungssonntag mehr, mit aus meiner Sicht erfreulichen Ergebnissen – die Baustellen und Spielplätze in Richtung einer menschen- und umweltgerechten Entwicklung der Gesellschaft sind mit Sicherheit nicht weniger geworden!