Steuern: Hinterziehen, betrügen oder bezahlen?

Warum sind Steuern zu bezahlen? Ist es sportlich, Steuern zu hinterziehen? Ist blöd, wer Steuern bezahlt? Welche Verantwortung haben Geld-Dienstleister?

Solche Fragen stellen sich zwar immer wieder, aber gerade jetzt besondern intensiv: die deutschen Behörden sind auf mehr oder weniger fragwürdige Art und Weise in den Besitz von Daten gekommen, die es ermöglichen, Steuerhinterziehende zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Länder wie Lichtenstein und die Schweiz, welche BankkundInnen Geldoptimierungs-Dienstleistungen anbieten, müssen plötzlich unangenehme Fragen beantworten.

Da das Bezahlen von Steuern wahrscheinlich nicht gerade als Leidenschaft gilt, ist davon auszugehen, dass der Grundsatz „so viel wie nötig, so wenig als möglich“ generell als anerkannt gilt (wobei offenbar für viele nur der zweite Satzteil von Bedeutung ist.

Steuern dienen dazu, der Allgemeinheit die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben erforderlich sind. Insbesondere für reiche Staaten gilt dabei die generelle Aussage des Nachhaltigkeitsmonitoring „MONET“ des Bundes: „Statt von den Zinsen zu leben, zehren die SchweizerInnen vom Kapital anderer Regionen und zukünftiger Generationen“ – die Schweiz als Land der ZechprellerInnen! Steuern dienen als Ausgleich zwischen egoistischen Ansprüchen und dem Gemeinwohl. Viele öffentliche Aufgaben dienen letztlich der Förderung und Erhaltung der allgemeinen Lebensqualität. Dies nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass inbesondere grosse private Vermögen zu einem erheblichen Teil zu Lasten der Allgemeinheit erwirtschaftet werden.

Ein marktwirtschaftliches System beruht auf dem Prinzip von Gewinn und Verlust. Es gilt als Regel, dass auch VerliererInnen eine minimale Existenz gesichert wird (wobei sich die pendenten parlamentarischen Vorstösse und die LeserInnen-Briefe-Spalten der Zeitungen sehr intensiv mit diesen Minimalansprüchen beschäftigen). Nicht nur direkte ökonomische Gewinne und Verluste gilt es auszugleichen. In vielen ökologischen und sozialen Fragestellungen werden die Grundsätze der Kostenwahrheit nicht berücksichtigt; beispielsweise „lügen“ die nach wie vor viel zu tiefen Energierpreise, was dazu führt, dass übermässig viel unwiederbringliche Ressourcen verschleudert werden. Hier müsste der Staat wesentlich stärker als bis anhin ausgleichend eingreifen können, zum Beispiel durch eine ökologische Finanzreform. Auch hat der Staat – zum Beispiel bei der Luftreinhaltung oder dem Lärmschutz – dafür zu sorgen, dass die goldene Regel der Ethik „tue nur das, was Du bereit bist zu akzeptieren, wenn es auch von anderen getan wird“ einigermassen respektiert wird. Spätestens dann, wenn kurz vor dem Einschlafen vor dem Schlafzimmer unerwarteter Lärm auftritt, dürfte für die meisten die Bedeutung dieser Regel sehr anschaulich und klar sein.

Ebenfalls ein Aspekt der Kostenwahrheit stellen die unverschämten Geldflüsse zugunsten der Superreichen dar. Wenn UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel im Jahr 2006 gegen 27 Mio Schweizer Franken als „Lohn“ erhält, wenn Daniel Vasella, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Novartis, im Jahr 2007 44 bis 46 Mio Franken als Lohn erhält, wenn Bill Gates nach 33 Jahren beruflicher Tätigkeit ein Vermögen von 56 Milliarden US-Dollar anhäuft, dann ist das gesellschaftlich akzeptierte Gleichgewicht von Arbeitsleistung, Verantwortung und Entschädigung nicht mehr gegeben.

Erst bei derartigen Geldbeträgen spielen Geldoptimierungs-Dienstleistungen, wie sie von Lichtensteinischen und Schweizerischen Geldinstituten angeboten werden, überhaupt eine Rolle. In langen Jahrzehnten haben die beiden rohstoffarmen Binnen-Klein- und Kleinststaaten ihre Dienstleistungen perfektioniert – und ermöglichen diskrete renditemaximierende Anlage- und Geldtransfermöglichkeiten. Die Diskretion ist offenbar derart ausgestaltet, dass zwar einerseits InhaberInnen von Lohnkonten regelmässig der Geldwäscherei verdächtigt werden, andererseits aber enorme Geldflüsse nach dem Drei-Affen-Prinzip (ich höre nichts, ich sehe nichts, ich sage nichts) behandelt werden. Auch wenn das internationale, globalisierte Geldsystem solche „Optimierungen“ begünstigt: eine solche Verhaltensweise ist in höchsten Mass unsolidarisch und daher verantwortungslos. Denn: fehlende Steuereinnahmen zwingen Staaten dazu, ihre Leistungen zugunsten der Allgemeinheit zu vermindern, respektive die zwingend erforderlichen Steuermittel vermehrt bei jenen zu holen, die ihre Normaleinkommen via Lohnerklärung deklarieren müssen.

Parteien wie SVP, FDP oder CVP sind seit langen Jahren auf Steuerfuss und Steuerwettbewerb fixiert. Sie vergessen dabei, dass nicht die Minimierung der Steuerbelastung Staatsaufgabe ist, sondern die Gewährleistung einer für die Allgemeinheit verträglichen globalen Wohlstandssicherung – wobei Wohlstand sich ausdrücklich nicht nur auf ökonomische Aspekte des Lebens beschränkt. Die Damen und Herren Parteienvertreter verhalten sich eher so, als wäre der Staat ein Selbstbedienungsladen im Liquidationsstadium.

Dringliche Massnahmen zur Verbesserung der Situation wären beispielsweise:

  • Abschaffung des Steuerwettbewerbs insbesondere bei hohen Einkommen, zumindest auf nationaler, wenn nicht gar auf internationaler Ebene, siehe zum Beispiel Modell Zehnder
  • Eine umfassende ökologische Finanzreform zur Verbesserung der Kostenwahrheit
  • Abschaffung der unökologischen und unsozialen Mehrwertsteuer, dafür Einführung einer umfassenden Ressourcenbesteuerung
  • Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle
  • Progressive Besteuerung sämtlicher Geldflüsse – in Anlehnung an die Ideen der Tobin Tax – dabei sollten Geldflüsse, die den Lebensnotwendigkeiten entsprechen (Wohnen, Bekleidung, Nahrung, Bildung) nicht besteuert werden (z.B. durch eine jährliche Freigrenze von Geldflüssen pro Person). Denn: wo grosse Geldflüsse stattfinden, geht es längst nicht mehr um Existenzsicherung!

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