Schweissfuss-Vergleich

Keine einzige europäische Stadt kann als nachhaltig gelten – und doch wurde am zweiten Tag der Weltklimakonferenz in Kopenhagen wieder ein absurder Städtevergleich mehr publiziert – der European Green City Index. Nicht ganz unerwartet wurde der Austragungsort der Weltklimakonferenz an die Spitze dieser Skala gesetzt, schliesslich wollen sich doch die Klimaschutzschwätzer in einer klimaschützerisch optimalen Stadt treffen.

Wie wurde dieser Städtevergleich für den European Green City Index gemacht? Da wurden von „The Economist Intelligence Unit“ im Auftrag von Siemens in erster Linie ab den Internet-Seiten der grössten Stadt der einzelnen europäischen Länder einige mehr oder weniger ökologisch relevante Zahlen zusammengesammelt und durch einen Beurteilungswolf durchgewürgt. Ein methodischer Abgleich der verschiedenen städtischen Ansätze wurde nicht gemacht, eine Klimanormierung wurde nicht vorgenommen – man hoffte einfach, durch den Einbezug möglichst vieler Zahlen den Einfluss einer Einzelgrösse nicht durchschlagen zu lassen.

Einige Aspekte dazu:

  • Es gibt keinerlei normiertes Verfahren zur Ermittlung von ökologisch relevanten Kenngrössen – mit z.B. dem ECO-Rechner gibt es erste Ansätze für ein einigermassen einheitliches Schätzverfahren. Ohne eine einheitliche Methodik sind Städtevergleiche hochgradiger Unsinn.
  • Die Treibhausgas-Emissionen eines Gebietes können nicht gemessen werden, sie müssen z.B. aufgrund von Energieverbrauchswerten und Emissionsfaktoren berechnet werden. Da Städte den Energieverbrauch nur abschätzen können, handelt es sich bei diesen Werten bestenfalls um grobe Schätzungen.
  • Diese Schätzwerte sind mit einem Fehler behaftet – wenn eine Stadt behauptet, solche Werte mit einem Fehler kleiner als 10 % ermitteln zu können, haben die Verantwortlichen dafür den Nobelpreis in Physik verdient. Solange eine solche Preisverleihung nicht stattfindet, ist ein Fehlerband von 15 % anzunehmen.
  • Die Beurteilungen der „besten“ sechs Städte des „European Green City Index“ liegen in einem Band mit plus minus drei Prozent Abweichung. Angesichts des Fehlers der geschätzten Ausgangswerte ist dieses Ergebnis somit als Zufall zu bezeichnen. Die ermittelten Rangierungswerte werden in den Berichten mit zwei Stellen nach dem Komma angegeben – angesichts der Fehlerbänder ein grober mathematischer Unfug; mit diesen Angaben wird ein genaues Verfahren vorgegegaukelt, wo eigentlich eher der Zufallszahlengenerator zum Einsatz kommt.
  • Die deklarierten CO2-Emissionswerte liegen um Faktoren über dem klimaverträglichen Maximalwert von einer Tonne CO2 pro Person und Jahr. Trotzdem erreicht Kopenhagen einen Wert von 87 %, also 7/8 der maximalen Punktzahl. Angesichts der riesigen zu bewältigenden Aufgaben handelt es sich also um einen Schweissfuss-Vergleich – Klimaschweine bleiben unter sich: solange der ökologische Fussabdruck nicht nur der klassierten „European Green City Index“-Städte so gross ist, verbietet sich jede Form von solchen Vergleichen (P.S. Das Label Energiestadt respektive der European Energy Award beurteilt im wesentlichen die Veränderungsprozesse der Städte – ein Vergleich auf dieser Basis ist durchaus akzeptabel – wobei auch hier das Problem besteht, dass die Klassierung kaum einen Zusammenhang mit dem Handlungsbedarf).

Unbestritten ist: die Städte haben beachtliche Einflussmöglichkeiten, sie sind wichtige AkteurInnen für den Schutz des globalen Klimas. Angesichts der guten Städtevernetzung ist ein zusätzlicher Städteindex nicht wirklich nötig – bestenfalls kann eine gewisse kommunikative Wirkung erwartet werden. Es ist einfach zu hoffen, dass dieser kommunikativ übersteigerte Städtevergleich nicht zu einer übermässigen Zahl von politischen Vorstössen in den diversen Städten führt, deren Beantwortung die städtischen Verantwortlichen Zeit kostet, die für die Realisierung von Klimaschutzmassnahmen fehlt.

Diese Zeilen entstanden aus der langjährigen Erfahrungen im Monitoring der ökologischen Kenngrössen sowohl von Städten als auch von Einzelobjekten, aber auch aus dem Vergleich von verschiedenen Simulationsverfahren zur Berechnung des Energieverbrauchs von Bauten.