Greenwashing oder Energiepolitik?

Lärmschutzwände sind eigentlich ein Zeichen dafür, dass Verkehrs-, Raumordnungs- und Umweltschutzpolitik versagen. Lärm müsste eigentlich zuerst an der Quelle vermindert werden – Ursachenbekämpfung ist immer einfacher, kostengünstiger und wirksamer als Symptombekämpfung. Die motorisch angetriebenen Vehikel auf Strasse und Schiene (und natürlich auch in der Luft) könnten aus technischer Sicht deutlich leiser sein – mit beachtlichen Kostenfolgen, aber volkswirtschaftlich immer noch wirksamer als all die Lärmschutzwände respektive lärmbedingte Gesundheitskosten und Wertverluste. Wenn nun Photovoltaikanlagen auf Lärmschutzwände plaziert werden sollen, stellt sich schon die Frage, ob es nun um Greenwashing oder um Energiepolitik geht.

Lärmschutzwände sind optisch unattraktiv und von der Lärmschutzwirkung her unbefriedigend. Wenn diese Lärmschutzwände mit Photovoltaikanlagen versehen werden sollen, heisst dies zuerst, dass die Lärmschutzwände deutlich grösser werden. Zudem müssen dann die Wände gut besonnt sein, was unter Umständen die Integration der Lärmschutzwände insbesondere im Siedlungsgebiet erheblich erschwert. Wie diverse Beispiele zeigen, müssen solche Solaranlagen auf Lärmschutzwänden vor Vandalenakten und organisierten Diebstählen sehr gut geschützt werden: viele Lärmschutzwände befinden sich im alltäglichen Aufenthaltsbereich, wo sowohl der Diebstahl der nach wie vor relativ teuren Solarpanels als auch der Kupferleitungen relativ einfach ist. Sowohl vom gesamten Potential als als auch im Hinblick auf die Randbedingungen alles andere als ideale Standorte – siehe auch der Bericht der kantonalen Lärmschutzfachstelle (danke an Sabine Ziegler für den Hinweis)! 1.6 GWh Solarstrom könnte man auf insgesamt 12 Kilometer bestehenden und geplanten Lärmschutzwänden produzieren.

Nehmen wir mal an, dass auf diesen Strassen täglich 10’000 Fahrzeuge unterwegs sind, die im Durchschnitt 7 lt Benzin pro 100 Kilometer brauchen. Dann werden auf diesen Strassenabschnitten fast 27 GWh Benzin pro Jahr verfahren, also fast siebzehnmal soviel, wie die Solaranlagen produzieren würden. Oder anders: würde der Verbauch der vorbeifahrenden Autos auf 6.6 lt Benzin pro 100 km gesenkt, hätte man energetisch die gleiche Wirkung! Und dies müsste ja eigentlich bereits seit langem erreicht sein aufgrund der Vereinbarung des Bundes mit Auto-Schweiz. Ah ja, und die würden natürlich auch auf den Strassenabschnitten ohne Lärmschutzwände weniger Benzin verbrauchen. Eigenartig in diesem Land: es ist immer wesentlich einfacher, eine Lobby für die Zusatzproduktion aus erneuerbaren Energien zu finden, statt dafür zu sorgen, dass das Energieeffizienzpotential genutzt wird!

Angesichts der Alibifunktion von Lärmschutzwänden, der kaum realisierbaren Integration ins Ortsbild und des doch eher geringen Potentials hat die Forderung nach Photovoltaikanlagen auf Lärmschutzwänden durchaus Greenwashing-Wirkung: auch ohne Lärmschutzwände kann sehr viel Sonnenenergie produziert werden! Es müssen also nicht Lärmschutzwände gebaut werden, um Platz für Photovoltaikanlagen zu schaffen.

Interessant: übrigens: im Gegensatz zur Stadt Zürich, wo die Solarstrombörse des ewz ein riesiger Erfolg ist, schaffen es offenbar die Elektrizitätswerke auf Kantonsgebiet nicht, glaubwürdig Solarstrom zu verkaufen (nicht nur wegen der untauglichen Einspeisevergütung im übrigen!). Zur Abwechslung vertraue ich hier lieber auf den Markt: wenn es gelingt, die KonsumentInnen von Solarstrom und der effizienten Stromnutzung zu überzeugen, ist diese Nachfragesteigerung der beste Garant für eine nachhaltige Solarstromproduktion – und die zusätzlich erforderlichen Anlagen werden je nach Umständen vielleicht auch auf Lärmschutzwänden erstellt!