Fussball – einige Fragen!

Das Begriffspaar „Panem et circenses“ (Brot und (Zirkus-)Spiele) prägte der römische Dichter Juvenal. Fussball hat – wie das Beispiel der Weltmeisterschaften in Deutschland zeigen – das Potential, den römischen Zirkus in diesem uralten Wort-Paar zu ersetzen.

„Panem et circenses“ ist herbe Kritik an der Gesellschaft: wenn ihr Brot und Spiele geboten werden, ist es ihr egal, was rundherum passiert. Brot – Lohn für Erwerbsarbeit und Spiele – Unterhaltung. Wenn Brot und Spiele garantiert sind, gibt es scheinbar keine weiteren Themen mehr. Oder anders: „Brot und Spiele“, „Panem et circenses“ ist nichts anderes als kurzfristige Sichtweise, ist von der Hand in den Mund leben.

Fussball ist ein populäres Spiel – möglicherweise darum, weil Fussball in mehrerer Hinsicht einfach ist:

  • Es braucht ein ballähnliches Spielobjekt, es braucht zwei bis vier Markierungen für ein oder zwei Tore.
  • Die Regeln sind sehr einfach, selbst die Offside-Regeln sind – bis auf die Schnelligkeit der Abläufe im Spiel – relativ einfach. Gelegentlich allerdings sind die Regeln dermassen einfach, dass sie schlicht der Physik wiedersprechen.
  • Weil es beim Fussball immer einen Sieger und einen Verlierer braucht, steht dieses Spiel symbolisch für Wettbewerb, Egoismus und so fort – und weckt damit die Massen bewegenden Emotionen, die tief in der Steinzeit wurzeln. Gerade Weltmeisterschaften sind Nationalismus oder Chauvinismus pur.
  • Bei Fussball als Spiel ist auch die Infrastruktur einfach, es braucht eine mehr oder weniger ebene Fläche, nicht zwingend rechteckig, nicht zwingend mit Gras bewachsen.
  • Und so weiter

Leider, leider ist Fussball zumindest in der an den Weltmeisterschaften gezeigten Form längst kein Spiel mehr – es geht längst nicht mehr ums Spiel, es geht um Geld.

Oder anders: damit „Spiele“ nach wie vor gilt, hat Fussball sehr viel mit „Brot“ zu tun.

Es ist durchaus legitim, dass die fähigsten Fussballspieler von ihrer Spielfreude und ihrer Spielintelligenz leben können – allerdings ist der Spielermarkt, mit dem altrömischen Sklavenmarkt zu vergleichen, längst ausser Rand und Band. Da werden Spieler für immense Summen gehandelt. Es ist zu hoffen, dass hier alles mit rechten Dingen zu und her geht, das heisst ohne Schwarzgeld und Geldwäscherei. Es ist insbesondere zu hoffen, dass auch die nationalen und internationalen Fussballorganisationen wie FIFA und UEFA in ihrem Geschäftsgebahren nicht ausschliesslich eine Gewinn-Maximierung anstreben, sondern die Sportförderung im Sinne des körperlichen Wohlergehens (und da dürfte weder der Profi-Sport noch insbesondere der Fussball besonders gut dastehen). Geradezu abscheulich ist es, wenn sich diese Verbände in die Sport-Gesetzgebung der einzelnen Länder einmischen.

Weil es beim Profi-Fussball nahezu ausschliesslich um Geld geht, erhält ein weiteres Spielelement eine übersteigerte Bedeutung: der Schiedsrichter nämlich. Weil Sieg oder Niederlage über sehr viel Geld entscheiden (siehe zum Beispiel Champions League Qualifikation) – erhält die Schiedsrichterarbeit höheres Gewicht. Dies tut allerdings dem Spiel überhaupt nicht gut. Fussball ist in Realität eben nicht ein Spiel zwischen zwei Mannschaften, sondern eine Geldmaschine mit mindestens vier Teams – die beiden eigentlichen Mannschaften, das Schiedsrichtergespann und die visuellen Medien. Wichtiger Bestandteil dieser Geldmaschine ist der immense Aufwand für die Aufzeichnung und damit Wiedergabemöglichkeit der Spielelemente. Selbst ExpertInnen können häufig erst in der dritten Wiederholung in Höchstzeitlupe aus der vierten Kameraposition eine Ballbewegung in ihre Einzelteile zergliedern. Der Tatsachenentscheid des Schiedsrichters ist ein wesentliches Element des Spiels Fussball – mit immer noch mehr Technik verliert das Spiel, es gewinnt dafür das Geld. Dazu ein Vorschlag: es wäre von Vorteil, die aufwendige Kameratechnik zu ersetzen durch eine einzige Kamera, nämlich die Kamera auf dem Kopf des Schiedsrichters, allenfalls ergänzt mit Kameras aus der Position der Linienrichter. Die kommerzielle Alternative dazu: fünf Kameras pro Spieler, die dauernd ein 3D-Bild jedes Spielers erzeugen, kombiniert mit Berührungs- und Kraftmess-Sensoren.
So gut gemeint die Aktion „Fussball gegen Rassimus“ ist: letztlich ist auch diese Aktion im Interesse des Geldes: der Spielermarkt funktioniert nämlich nur dann, wenn Spieler global einsetzbar sind, also unabhängig von Herkunft, Sprache, Hautfarbe usw grundsätzlich in jeder Mannschaft einsetzbar sind.

Was wäre zu tun, damit Fussball den Spielcharakter zurückerhält?

Vorerst: Abschaffung des Profitums in sämtlichen Sportarten.

Abschaffung der Werbung mit Sport: Der Preis für die grossen Finanzbeiträge: Sponsoring! Ob Auto, Alkohol, Tabak, Computer, Fastfood, Electronics, Softdrinks, …: die Liste der offiziellen FIFA-Partner ist ellenlang, gleiches gilt auch für euopäische Verbände wie etwa die UEFA. Stadien und deren Umgebung, Internet-Seiten, Spieler werden immer mehr zu Werbeträgern reduziert.
Damit Fussball-KönnerInnen mit ihrer Spielfreude weiterhin eine gesicherte Existenz haben, braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Wechsel: weg von der erwerbsbasierten Lohnarbeit hin zu einem garantierten Existenz-Minimum. Dies würde auch den fähigsten SportlerInnen heutiger sogenannter Randsportarten (alles ausser Fussball 😉 ermöglichen, ihre Fähigkeiten unabhängig von Existenzsorgen unter Beweis zu stellen – Gewinn für den Spielcharakter des Sports. Gleiches gilt auch für Kultur-AkteurInnen – auch kommerzielle Kunst erfordert heute Geldmaschinen! Stadien für den Sport sind nicht ohne Grund regelmässig Arenen für Kunst und Kultur – aber in erster Linie Bühnen des Kommerzes. Mehr dazu siehe hier.

Rückkehr zur Unmittelbarkeit des Sportes – weniger Gewicht auf die Fernsehübertragung von Sportanlässen.

Als erster Schritt: pro Stadion ist höchstens eine Kamera zugelassen, mit Vorteil als Helmkamera beim Schiedsrichter. Dann sehen endlich sämtliche ZuschauerInnen am TV das gleiche wie der Schiedsrichter.

Abschaffung von Nationalmannschaften – gute Clubmannschaften sind einer zusammengewürfelten Nationalmannschaft spielerisch mindestens ebenbürtig. Und da in Clubmannschaften den spielerischen Fähigkeiten mehr Gewicht zukommt als der Nationalität, hätten Nationalismus und Chauvinismus weniger Nährboden.

Abschaffung des Penalty-Schiessens bei K.O.-Runden – Ersatz z.B. durch 22-fachen Münzenwurf. Wenn zwei Mannschaften nach 120 Minuten keine eindeutige Situation geschaffen haben, kann nur der Zufall helfen – Penalties als Strafstoss haben nach 120 Minuten intensivem Spiel einen willkürlichen Charakter. Auch der Sport muss lernen, dass es nicht zwingend Sieger und Verlierer braucht! Darum mit dem mehrfachen Münzenwurf signalisieren, dass es bei einem solchen Vorgang ausschliesslich um Zufall geht.

Schaffung einer UNO-Weltorganisation für Sport, um die absolutistischen und reichen Sport-Verbände an parastaatlicher Machtballung zu hindern.


Fussball ist nur ein Beispiel – auch weitere Sportarten, aber auch Kultur!

Der Kantonsrat des Kantons Zürich hat sich am 30. Oktober 2006 mit dem Rahmenkredit für das Opern-Haus Zürich beschäftigt. Nur mit Stichentscheid des Ratspräsidenten wurde diesem Kredit zugestimmt. Ein Aspekt dieses Kredites – insbesondere die Erhöhung gegenüber dem vorangehenden Rahmenkreidt – ist die Gagenteuerung, vor allem für die internationalen Stars, die grossen Sängerinnen und Sänger der Opernwelt. Wie im Sport, wie in der Wirtschaft gibt es eben auch in der Kultur AbzockerInnen, die für ihre – nicht immer nur sehr gute – Arbeit Star-Gagen beanspruchen. Auch hier würden Elemente wie bedingungslose Grundeinkommen für alle wesentliche Erleichterung bringen, und zudem einen erheblichen Beitrag zur Kulturförderung und zur Demokratisierung des Kunstverständnisses leisten: nicht nur die Super-Stars, sondern auch Kulturschaffende in eher randständigen Kulturbereichen könnten unabhängig von Erfolgsdruck ihre künstlerischen Talente nutzen!


Doping besonders im Radsport gehört auch zur Geldmaschine Sport. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist die menschliche Leistungsfähigkeit begrenzt. Irgendwann kommt der Punkt, wo es nicht mehr möglich ist, ohne Raubbau am Körper immer noch schneller einen Berg hinaufzufahren. Ausser eben: man hilft mit leistungssteigernden Mitteln nach! Dabei spielt gar keine Rolle, ob das einige wenige oder alle tun – es dient letztlich der Absicht, mit dem Sport Velorennfahren noch mehr Geld für diese Sportart verfügbar zu machen, denn dies funktioniert in erster Priorität über das Medien- und damit das Publikumsecho. Und dieses Echo ist dann am grössten, wenn immer neue Rekorde zu verzeichnen sind.


Noch etwas. Wäre der FC Basel in der Schweizer Fussballmeisterschaft 2006/2007 Meister geworden, wenn es denn „Fall Muntwiler“ nicht gegeben hätte? Das würde voraussetzen, dass sämtliche Spiele gleich geendet hätten wie mit dem „Fall Muntwiler“ – da davon auszugehen ist, dass auch beim Fussball ein gewisser Zufall herrscht, ist dies sehr unwahrscheinlich.


Als Gedankenexperiment: ist auszuschliessen, dass im Schweizer Fussball Spielresultate nicht käuflich sind? Was wäre, wenn sie es doch wären? Wie sind beispielsweise die eigenartigen Tore im Spiel FC Basel gegen Young Bern vom 24. Mai 2007 erklärbar? Und wie ein Penalty-Entscheid in der letzten Minute des Finalspiels des Schweizer Cups FC Basel gegen FC Luzern am 28. Mai 2007, der auf ein Ereignis zurückgeht, das die Schiedsrichterin wahrscheinlich nicht direkt gesehen hat? Es handelt sich um eine Tatsachenentscheidung, aber um eine solche, die schlicht die Frage in den Raum stellt: was wäre, wenn hier ziemlich viel Geld für die Beteiligten im Einsatz gewesen wäre? Um solche Spekulationen zum Vorneherein auszuschliessen, ist es zwingend erforderlich, den Sport zu entkommerzialisieren!


Nachtrag 22.3.09

Zuerst im Cupspiel gegen den FC Basel einen eindeutig falschen Penalty, dann auch im Meisterschaftsspiel gegen YB gerade zwei eindeutig falsche Penalties: innerhalb von wenigen Tagen hat der FC Zürich durch krasse Schiedsrichterfehlleistungen zwei zentrale Spiele verloren. Offenbar ist es im Schweizer Fussballsport möglich, Spielergebnisse zu kaufen! Hämisch reden dann jeweils die Verantwortlichen der anderen Mannschaften, die Medien und die Fans von schlechten Verlierern. Wie gesagt, wäre Fussball bloss ein Spiel, könnte man dies so sehen. Da leider leider Fussball ein Geschäft ist, sinkt der Marktwert sowohl der missbräuchlich verlierenden Mannschaft als auch ihrer Spieler erheblich – neben den sportlichen Aspekten verfälschen also derart massive Schiedsrichterfehler auch den Markt. Auch dies ist nur damit erklärbar, dass da Kräfte am Werk sind, die ökonomische Interessen an diesen Marktgewinnen und -verlusten haben. Nachdem die Gierigen schon das Finanzsystem korrumpiert und damit erheblich gestört haben, versuchen sie es jetzt offenbar auch im Sport. Da gibts nur wenige Lösungen: bedingungsloses Grundeinkommen für alle und völlige Entkommerzialisierung des Fussballs wie des gesamten Sports.


Erste Fassung w8.5.2007