CO2-Abgabe dringlich trotz höheren Oelpreisen!

Im SonntagsBlick vom 2. Oktober 2005 wurden wieder einmal diverse eigentümliche Aussagen zur CO2-Abgabe veröffentlicht. Mit falschen Angaben – wahrscheinlich eher mit gezielten Fehlinformationen – versuchen einige Politiker, einen seit langem fälligen ersten Schritt hin zur dringlich notwendigen ökologischen Finanzreform zu verhindern.

Die ökologische Finanzreform ist dringlich, weil nur sie Transparenz schafft über die ökologischen Belastungen, die jede und jeder einzelne verursacht, und zwar mit einem ganz einfachen Hilfsmittel: Geld! Wer die Umwelt weniger belastet als der Durchschnitt, wird nach einer ökolgischen Finanzreform mehr im Portemonnaie haben als jemand, der die Umwelt stärker als der Durchschnitt belastet.

Zu den einzelnen Falschaussagen im SonntagsBlick-Artikel:

Da wird etwa behauptet, mit dem Verzicht auf die CO2-Abgabe könne Geld gespart werden. Diese Aussage ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist. Denn: Die CO2-Abgabe ist eine Lenkungsabgabe: der Bundesrat sieht vor, dass fossile Brennstoffe (vor allem Heizöl und Erdgas) – leider, leider nicht auch die fossilen Treibstoffe Benzin und Diesel – nach ihrem CO2-Ausstoss einer Abgabe unterstellt werden. Diese Abgabe fliesst aber nicht etwa in die allgemeine Bundeskasse, sondern wird anteilmässig an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt: An die Bevölkerung pro Kopf, an die Wirtschaft im Verhältnis zur AHV-Lohnsumme eines Unternehmens, Details dazu im CO2-Abgabe-Rechner.
Dies führt dazu, dass Personen und Unternehmen, die im Vergleich zu anderen Personen oder Unternehmen durch ihr Verhalten weniger CO2-Ausstoss verursachen, eine grössere Rückerstattung erhalten, als via CO2-Abgaben abgeführt wurde – diese Personen und Unternehmen profitieren also von der CO2-Abgabe. Im Gegensatz zu jenen Personen und Unternehmen, die mehr CO2-Ausstossen als der Durchschnitt: für sie ist die CO2-Abgabe ein Verlustgeschäft. Im Mittel aber – und dies im Gegensatz zum SonntagsBlick die korrekte Aussage – muss für die Energie nicht mehr ausgegeben werden als heute (abgesehen von den geringen Mitteln, die für die Administration der CO2-Abgabe erforderlich sind).

Im übrigen: Die wahrscheinlich eher treffende Motivation für die Absichten von Herr Nationalrat Hegetschweiler zur Verhinderung der CO2-Abgabe, gemäss SonntagsBlick Ex-Direktor Hauseigentümerverband: die CO2-Abgabe würde die längst erforderliche Transparenz über die energetische Qualität des Schweizerischen Wohneigentums schaffen – und damit offen legen, wie viel Wert die diesbezügliche Politik des HEV tatsächlich hat!

Vermeintlich gewiefte Köpfe behaupten nun, dabei handle es sich um ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel – dies wäre im übrigen zuerst zu überprüfen. Allerdings ist dies aus ökologischer Sicht keine relevante Frage, hier geht es nämlich um eine betriebswirtschaftliche Ueberlegung, die jede Person und jede Unternehmung anhand der eigenen Buchhaltung anstellt: Ist der Saldo der CO2-Abgabe positiv oder negativ? Ist er negativ: „Freude herrscht!“ (Zitat ehemaliger Bundesrat Ogi) – für viele endlich auch eine finanzielle Belohung für ökologisch vorbildliches Verhalten – und ein Ansporn, diesen Verbesserungsprozess weiter zu treiben. Saldo negativ? Dann gibts zu tun! Aber guter Rat ist nicht teuer: seit Jahrzehnten ist bekannt, was getan werden kann, um den Energieverbrauch dauerhaft zu senken. Fragen? Hier die Antworten!

Weiter wird behauptet, die Steigerung des Oelpreises in den letzten Monaten sei stärker als die vorgesehene Belastung der CO2-Abgabe. Das stimmt zwar rein zahlenmässig. Und es ist nicht auszuschliessen, dass die erhöhten Oel- und Gaspreise soagr eine leicht dämpfende Wirkung auf den Heizöl-und Erdgas-Verbrauch haben. Nur: das macht die CO2-Abgabe nicht überflüssig, im Gegenteil. Höhere Energiepreise treffen alle gleichmässig – wer letztes Jahr für 1000 Franken Heizöl gebraucht hat, zahlt dieses Jahr 2000 Franken. Dies ist zwar doppelt so viel – das trifft aber auch für jemanden in einer kleinen sanierten Minergie-Wohnung zu: wenn diese Person letztes Jahr 250 Franken bezahlt hat für die Energiekosten der Heizung, bezahlt sie dieses Jahr auch doppelt so viel. Der Heizölpreis hat sich für alle verdoppelt; die Rückerstattung der CO2-Abgabe zahlt sich nach wie vor für jene aus, die im Durchschnitt weniger brauchen als der Durchschnitt. Höhere Energiepreise sind also kein Argument gegen die CO2-Abgabe!

Als Alternative zur CO2-Abgabe wird der Klimarappen angepriesen, kombiniert mit einem Subventionsprogramm für energetische Sanierungen. Dazu ist einiges anzufügen:

  • Subventionen sind immer dann erforderlich, wenn der Markt versagt. Und dies tut der Energiemarkt definitiv, weil er von lügenden Preisen ausgeht. Diese enthalten nicht die vollen Kosten, weder die Kosten der endlichen fossilen Energieressourcen, noch die Kosten der Auswirkung des übermässigen Energieverbrauchs auf Mensch und Umwelt. Werden Subventionen ausgeschüttet, wird der politische und gesellschaftliche Druck zur Realisierung der Kostenwahrheit bei den Energiepreisen erheblich vermindert: wer Subventionen für eine Umwelttat erhält, fasst diese als verdiente Streicheleinheit auf. Wer trotzdem immer noch nicht handelt, profitiert weiterhin von den viel zu tiefenden lügenden Energiepreisen. Subventionen mögen als Streicheleinheiten und zur Gewissensberuhigung dienen, eine echte Lösungsstrategie sind sie nicht.
  • Erdöl war real (=teuerungskorrigiert) vor rund 20 Jahren sogar teurer als selbst im Oktober 2005. Wer die Zeichen der Zeit verstanden hat, hat in diesen 20 Jahren reichlich Gelegenheit gehabt, das dank den zu tiefen Energiepreisen nicht ausgegebene Geld für eine Verbesserung der energetischen Qualität, für die Steigerung der Energieeffizienz, für den Einsatz erneuerbarer Energien, für die Angewöhnung an den öffentlichen Verkehr, … zu verwenden. Mit Subventionen wird energiepolitische Untätigkeit während 20 Jahren belohnt. Zudem: um einigermassen Gerechtigkeit walten zu lassen, müssten gleichartige Subventionen während der üblichen Lebensdauer von Gebäuden ausgeschüttet werden – irgendwo zwischen 80 und 120 Jahren.
  • Die Erfahrungen zeigen, dass mustergültige energetische Massnahmen an Gebäuden mittelfristig finanziell lohnend sind, ein Teil des Nutzens stammt aus den verminderten Energiekosten, ein Teil aus direkten und indirekten nicht-energetischen Nutzen (z.B. mehr Wohnkomfort, bessere Werterhaltung, geringeres Bauschadenrisiko, bessere Luftqualität, geringerer Bedienungsaufwand, geringere Gesundheitskosten wegen besserer Aussenluftqualität, und so weiter und so fort). Das eigentliche Problem ist: die energetische Qualität von Bauten kann nur in ausreichendem Mass verbessert werden, wenn an einem Gebäude auch aus anderen Gründen (z.B. Werterhaltung) kräftig gebaut wird – für gute energetische Lösungen braucht es eine minimale Eingriffstiefe. Und diese derartige Massnahme kostet mit oder ohne energetische Massnahmen sehr viel Geld. Geld, das bei Mietwohnungen von den Eigentümerschaften investiert werden muss, aber im Lauf der Lebensdauer von den Mietenden zurückbezahlt wird. Ein realer Lösungsbedarf besteht: wie können die für energetische Massnahmen erforderlichen baulichen Eingriffstiefen finanziert werden, und zwar sowohl bezüglich des „Peak“ während den Bauarbeiten und dann die Rückzahlung während der Nutzungszeit. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich mit energetisch motivierten Subventionen, die einige wenige Promille der Bausumme ausmachen, mehr bewirken lässt als Mitnahmeeffekte – es dürfte vor allem subventioniert werden, was so oder so geplant ist.
    P.S. Im Jahr 2004 wurden in der Schweiz 34.6 Mia Franken in den Hochbau investiert – 200 bis 300 Mio Franken sollen an Subventionen für diesen Markt zur Verfügung stehen, dies wären 5.7 bis 8.7 Promille des Hochbau-Volumens. Fazit: zwar gut gemeint, aber dies ist bekanntlich das Gegenteil von gut! Im Vergleich dazu: EndverbraucherInnen-Ausgaben für Energie im Jahr 2004: 24.52 Mia Fr.
  • Offen ist zudem die Frage, wie gross der zur Erreichung einer hohen energetischen Qualität erforderliche Zusatzmittelbedarf ist. Eine klare Aussage dazu: je mehr Subventionen, desto höher! Bauherrschaften, Planende und Ausführende wollen einen möglichst hohen Anteil der Gesamtkosten auf die zusätzlichen Massnahmen abwälzen, weil dies weniger Fragen und juristische Verfahren bei der Ueberwälzung auf die Mieterschaft verursacht. So werden komplizierte, aufwändige Lösungen realisiert – Subventionen fördern überteuerte, hochkomplexe Lösungen, die kaum bedient und genutzt werden können (eine Vermeidung dieses Effektes bedingt einen sehr hohen Aufwand für ein externes Projektcontrolling – wahrscheinlich mit mehr Aufwand, als an Subventionen ausbezahlt wird)!
    Mit einer CO2-Abgabe haben Bauherrschaften und Planende ein anderes Interesse: Möglichst tiefe Zusatzkosten, um möglichst sparsam von der Rückerstattung profitieren zu können. Dies fördert einfache, wirkungsvolle, schlanke Massnahmen durch eigenverantwortliches Handeln! Da einfachere Massnahmen zudem ein „besseres Alter“ haben (sie können einfacher bedient werden, sind einfacher zu reparieren, sind einleuchtender, brauchen in der Regel weniger Ressourcen), sind auch aus ökologischen Gründen einfachere Massnahmen vorzuziehen.

  • Im übrigen: eine dieser „einfachen“ Massnahmen: Absenkung der gesetzlich erforderlichen Grenzwerte für den Energieverbrauch der Bauten auf den aktuellen Level von Minergie!

Fazit: die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe (und idealerweise gerade auch auf fossile Treibstoffe) ist so rasch als möglich einzuführen.