Die SVP braucht dringlich eine neue Asylpolitik

Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaates: sehr viele Äusserungen von PolitikerInnen und von ParteiexponentInnen sind nach den Regeln der Meinungsfreiheit sehr weitgehend zu respektieren. Schwierig wird es dann, wenn politische Inhalte mit verfassungsmässigen und völkerrechtlichen Verbindlichkeiten nicht mehr vereinbar sind. Kaum nachvollziehbar ist zudem, wenn politische Äusserungen, die offensichtlich und nachweislich falsch sind, mit Berufung auf die Meinungsäusserungsfreiheit akzeptiert werden müssen.

Gut begründet hat Weihbischof Peter Henrici ausgeführt: „Ich bin immer noch der Meinung, dass die SVP die einzige Partei ist, die ein guter Christ nicht wählen kann. Die Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik der SVP ist geprägt von einer absoluten Fremdenfeindlichkeit und deshalb zutiefst unchristlich.“ (Details dazu). Dass SVP-VertreterInnen überhaupt reagieren, ist bereits ein erstes Zeichen, dass in dieser Partei ein Lernprozess einsetzt. Als Jesuit und früherer Philosophie-Professor ist Peter Henrici mehr als legitimiert, sich in dieser Form zu äussern. SVP-Vertreter, die diese Ausführungen nicht passen, müssen zur Kenntnis nehmen, dass es hier nicht um moraltheoretische Fragen wie etwa das Pflichtzölibat geht, sondern um grundlegende ethische Werte. Auch wenn die SVP seinerzeit der Bundesverfassung nicht zugestimmt hat: Peter Henrici verlangt nur, dass auch im Asylbereich die Verfassung zu gelten hat. Einige Zitate daraus:

  • Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns, Abs. 4: Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
  • Art. 7, Menschenwürde: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.
  • Art. 8 Rechtsgleichheit, Absatz 1: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
  • Art. 8 Rechtsgleichheit, Absatz 2: Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

Unterstütgzung erhält die Position von Peter Henrici auch durch den Europarat-Menschenrechtskommissar Alvaro Gil-Robles. Die Verschärfung der Asylpolitik ist einer der Hauptkritikpunkte des Menschenrecht-Berichtes. Der Menschenrechtskommissar im Medienzitat: „Die Schweiz sei Flüchtlingen gegenüber in der Vergangenheit immer tolerant gewesen. Gerade darum müsse sie jetzt achtgeben, nicht in eine repressive und unreflektierte Politik zu verfallen.„. Repressiv und unreflektiert – mit anderen Worten hat Peter Henrici genau das gleiche gesagt. Ein christlicher Positionsbezug kann und darf nicht repressiv sein, und schon gar nicht unreflektiert. Die SVP-Politik von Bundesrat Blocher in der Asylfrage verträgt sich somit weder mit einem christlichen noch mit einem verfassungsbezogenen Standpunkt.

Darum: In Asylfragen ist die SVP in einem echten Argumentationsnotstand, mindestens aus menschenrechtlicher, verfassungsmässiger und christlicher Sicht. Die SVP hat somit ihre Positionen in der Asylfrage dringlichst anzupassen. Und zwar unabhängig davon, ob eine derartige „repressive und unreflektierte Politik“ mehrheitsfähig wäre oder nicht!