Menschenrechte versus Machthaber

Die Verleihung des Friedensnobelpreisträgers an den chinesischen Politaktivisten und Menschenrechtler Liu Xia betont einmal mehr die Notwendigkeit universeller und allgemeiner Menschenrechte für das friedliche Zusammenleben der Menschen – und illustriert die verheerende Wirkung willkürlicher Machtausübung.

Die Reaktionen der chinesischen Regierung auf die Ernennung waren bezeichnend: eine Zensur des Internets, jenes Mediums, welches gemeinhin als das demokratische Kommunikationsinstrument gilt. Und der Protest bei der Regierung des Standortes des Nobelpreiskomitees illustriert das völlige Unverständnis der chinesischen Machthaber für die jahrhundertealte Tradition sowohl der Demokratie als auch der Menschenrechte, aufbauend auf der Aufklärung, aufbauend auch auf der französischen Revolution. Die Mitglieder des norwegischen Nobelpreiskomitees entscheiden frei – freie Meinung, freie Gedanken, freies Gewissen – und nach dem Mehrheitsprinzip über den oder die PreisträgerIn! Die Komitee-Mitglieder haben in ihrem Leben eine hervorragende Position eingenommn – aber beim Entscheid über den oder die PreisträgerIn spielen Macht, Hierarchien, Gehorsam keine Rolle – die Komitee-Mitglieder sind nur etwas: Mensch! Und sie sind niemandem Rechenschaft schuldig, schon gar nicht der Regierung von Norwegen. Wenn die chinesische Regierung Liu Xia wegen der Inanspruchnahme grundlegender Menschenrechte als kriminell bezeichnet und ihn mit einem Strafmass, welches einem Kapitalverbrechen entspricht, ins Gefängnis steckt, klassiert letztlich China demokratische Rechtsstaaten als kriminell!

Es braucht in dieser Welt universale Menschenrechte, es mag zwar sein, dass diese Menschenrechte europäisch geprägt sind – aber immerhin sind sie während über 200 Jahren gereift, haben sich sicher im Bezug auf das Verhältnis von Individuum und Machthabenden bewährt. Auch wenn diese Menschenrechte eine Teilursache des übermässigen ökologischen Fussabdrucks in Europa und Nordamerika sind, ist zu beachten, dass auch Systeme mit willkürlicher Machtausübung zu massiven Umweltbelastungen führen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xia ist deshalb ein klares Zeichen dafür, dass China endlich ernsthafte Schritte zur deutlichen Verbesserung der Menschenrechtssituation zu unternehmen hat, dass die Zivilgesellschaft die Situation nicht länger akzeptiert.

Dazu passt, dass nahezu gleichzeitig Untersuchungen in einem der riesigen chinesischen Industriebetriebe bekannt werden, mit Arbeitssituationen, die als Ausbeutung bezeichnet werden müssen – zu den sozialen Aspekten der Menschenrechte gehört auch die angemessene Entlohnung für Arbeit! Da es sich bei diesem Unternehmen um einen Apple-Zulieferer handelt, ist die Zivilgesellschaft ein weiteres Mal gefordert. Wer einen Computer, ein iPhone oder ein iPad bei Apple kauft, muss Gewähr dafür haben, dass diese Produkte unter menschenrechtskonformen Bedingungen hergestellt wurden. So ist hoffentlich der Friedensnobelpreis an Liu Xia auch Anlass dafür, dass immer mehr Firmen entsprechenden Druck auf ihre Geschäftspartner in China ausüben, dass aber auch die ProduktekäuferInnen in Europa und Amerika von den Produkteverkäufern wissen wollen, unter welchen Bedingungen diese Produkte hergestellt werden.