Johannes Paul II: Ein grosser Papst! Aber…

Im Vatikanstaat, sei es im Petersdom, sei es in den Vatikanischen Gärten oder im Vatikanischen Museum, trifft die BesucherIn auf Schritt und Tritt auf Zeichen der langen Geschichte des Papsttums. Die Päpste haben auf Schildchen festhalten lassen, was sie an sichtbaren Werken haben erstellen lassen während ihres Pontifikates. Diese Schildchen sind ein Symbol einerseits für die Vergänglcihkeit, andererseits eine Ahnung von Unendlichkeit. Päpste, deren Zeit und ZeitgenossInnen längst vergangen sind, haben alle mitgebaut an diesem Vatikanstaat, der als Gebilde von Menschhand gebaut für alle Ewigkeiten erscheint.

Zeichen hinterlassen Päpste nicht nur durch Bauwerke, sondern auch durch ihre Aussagen und Festsetzungen zum religiösen und alltäglichen Leben der Menschen, die sich als Teil der römisch-katholischen Kirche verstehen.

Papst Johannes Paul II hat baulich einige Spuren hinterlassen im Vatikanstaat – er hat aber auch in seinem langen Pontifikat eine ganze Reihe von Schriften verfasst, die sich sehr konkret auf die Kirche und die Gläubigen auswirken. Papst Johannes Paul II hat mit viel Ausdauer und lautstark sich für den Frieden eingesetzt. Und er hat beeindruckt durch sein Charisma, seine Klugheit und seine Gläubigkeit.

Prägend auch seine Auffasung über die menschliche Verpflichtung, sich quasi bis zum letzten Atemzug einzusetzen für die Aufgaben und Pflichten, die Menschen durch ihr Menschsein zu erfüllen haben. Durch seine langdauernde Krankheit hat er gezeigt, dass auch Leiden Teil des menschlichen Lebens, der menschlichen Verpflichtung ist. Es gibt aber auch einen Zeitpunkt, von dieser Erde zu gehen, auch wenn die Aufgabe noch so gross und noch nicht zu Ende gebracht ist: eine medizinisch-technische Lebensverängerung um jeden Preis braucht es nicht!

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Auch bei einem grossen Papst gibt es „Aber“! Dazu gehören Entscheide zu dogmatischen Themen, zu Themen des alltäglichen Lebens – die nicht mehr damit erklärt werden können, dass eine so alte Institution wie die katholische Kirche halt eben konservativ entscheide. Beispielsweise der Pflichtzölibat, die Rolle der Frau in der Kirche oder Fragen der Sexualität wurden durch den Papst nicht wirklich angegangen, sondern tabuisiert. Der Papst hat sich eigentlich jeweils nur dazu geäussert, dass es einen Glauben an Gott gibt, nicht aber, was diesen Glauben inhaltlich ausmacht und welche Auswirkungen dieser Glaube auf das Alltagsleben hat.

Wer sich mit derartigen Fragen kritisch und nicht im Sinne der tabuisierten Haltung des Papstes auseinandersetzte, hatte und hat es schwer in der katholischen Kirche, wie beispielsweise Prof. Hans Küng (Entzug der Lehrerlaubnis 1979). Es ist eigenartig, dass ein Papst, welcher dem friedlichen Umgang mit den Menschen untereinander ein derart grosses Gewicht zukommen lässt, ausgerechnet kirchenintern derartige zumindest psychische Gewalt angewendet hat. Der Entzug der Lehrerlaubnis ist ein sehr harter Eingriff in das Wirken einer Person, die mit vollem Engagement, aufbauend auf dem christlichen Glauben, sich dafür einsetzt, Glaubensgrundsätze zu vermitteln, auch als Basis für ein segensreiches Wirken innerhalb der Kirche.

Am Beispiel von Hans Küng lässt sich zeigen, wie dramatisch sich dieser harte und nicht zu rechtfertigende Eingriff sowohl auf die Weltpolitik als auch die Glaubwürdigkeit der Glaubensgemeinschaften und ihrer Kirchen auswirkt.

Hans Küng ist einer der wichtigen Förderer und Botschafter des Weltethos (Details). Hans Küng hat 1990 festgehalten:

Die Religionen der Welt können nur dann einen Beitrag zum Frieden der Menschheit leisten, wenn sie sich auf das ihnen jetzt schon Gemeinsame im Ethos besinnen: auf einen Grundkonsens bezüglich bestehender verbindender Werte, unverrückbarer Massstäbe und persönlicher Grundhaltungen.

1993 wurde von verschiedenen Religionen (Bahai, Brahma Kumaris, Buddhismus, Christentum, Eingeborenen-Religionen, Hinduismus, Jainismus, Judentum, Islam, Neu-Heiden, Sikhs, Taoisten, Theosophen, Zoroastrier, Interreligiöse Organisationen) eine „Erklärung zum Weltethos“ verabschiedet.

Mit dieser Erklärung haben sich erstmals Vertreter aller Religionen über Prinzipien eines Weltethos verständigt und sich auf vier unverrückbare Weisungen verpflichtet, die im einzelnen konkretisiert werden:

  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben.
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung.
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit.
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.

Wenn der Weltethos bereits eine grössere Bedeutung hätte – und das hat der Papst mit der Ächtung von Prof. Hans Küng wirkungsvoll verhindert – hätte vor dem Irak-Krieg 2003 nicht die absurde Situation entstehen können, dass

  • der Papst mit Bezug auf (seinen) Gott auf eine friedliche Lösung gedrängt hätte,
  • der amerkanische Präsident George W. Bush den Krieg mit Bezug auf (seinen) Gott begründete, und
  • der damalige irakische Staatschef sein Verhalten ebenfalls mit Bezug auf (seinen) Gott rechtfertigte.

Es ist ohne Wenn und Aber festzuhalten, dass die päpstliche Position für eine friedliche Lösung mit dem Weltethos vereinbar ist, nicht aber die der jeweiligen Akteure. Der Papst ist allerdings durch seine Haltung vor allem gegen innen, seine Position durch einen Unfehlbarkeits-Anspruch vertreten zu wollen, erheblich vom Weltethos abgewichen – und reduziert sich dadurch auf einen jener vielen „Global Players“, die sich auf ihre „Macht“ berufen, was letztlich eine Gewalt-Ausübung darstellt. Mit der umfassenden Berufung auf einen „reinen“ Weltethos wäre es dem Papst allenfalls gelungen, sowohl Bush wie den irakischen Staatschef von ihren vollständig vom Weltethos abweichenden Haltungen abrücken zu lassen und vor allen jegliche Formen der religiösen Rechtfertigung des eigenen gewalttätigen Verhaltens unmöglich zu machen.

Nicht nur der Papst, alle Menschen auf dieser Erde haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass auf dieser Erde die oben genannten vier unverrückbaren Weisungen verpflichtend werden!