Energiesklaven oder die Grosszügigkeit der Wohlhabenden

Nicht nur in den USA ist es üblich, die Steuern möglichst tief zu halten. Steuern sind allerdings dazu, die gemeinschaftlichen Aufgaben an den Commons, den Allmenden zu ermöglichen. Einzelne Wohlhabende wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg spenden einen grossen Teil ihres übermässigen Wohlstandes für (vermeintlich) gute Taten. Was allerdings im Interesse der Allgemeinheit zu tun wäre in dieser Welt, darf nicht der Willkür der Wohlhabenden überlassen sein, sondern ist durch die Direktbetroffenen zu bestimmen. Energiesklaven beispielsweise sind kaum eine zukunftsgerichtete Entwicklung.

Der US-Geschäftsmann Manoj Bhargava, ursprünglich aus Indien stammend, verkauft mit seinem Unternehmen 5 Hour Energy koffeinhaltige Energy Drinks im Wert von einer Milliarde Dollars. Er spendet 99 Prozent seines Gewinns, um das Wohlbefinden der weniger Glücklichen zu verbessern.

Seine Absicht ist, dass Menschen in Gebieten mit schlechter Stromversorgung mit einem Hometrainer-artigen Gerät den benötigten Strom selber herstellen. Er behauptet, dass mit einer Stunde Hometrainer-Generator-Arbeit pro Tag der nötigste Strombedarf bereitgestellt werden kann. Als grobe Abschätzung: Ein sehr gut trainierter Mensch schafft etwas mehr als 100 Watt Dauerleistung – in einer Stunde kommt so (falls der Generator einen möglichst hohen Wirkungsgrad hat), eine Strommenge von 0.1 kWh zusammen. Zum Vergleich: ein typischer 4-Personen-Haushalt in der Schweiz braucht etwa 10 kWh Strom pro Tag, also das Hundertfache! Bereits dieser Vergleich zeigt, dass es sich dabei nicht um eine zukunftsgerichtete Lösung handeln kann. Bei dieser statischen Betrachtung sind die Aufwändungen für die Zwischenspeicherung des produzierten Stroms nicht einbezogen.

Nehmen wir an, ein solcher Hometrainer-Generator würde in der Schweiz betrieben. Ein solches Gerät kostet auch bei grossen Produktionsmengen um die 500 Franken, und dürfte 10 Jahre genutzt werden können. Rein statisch betrachtet macht der Geräte-Anteil 14 Rappen pro Kilowattstunde aus. Wenn wir allerdings noch berücksichtigen, dass ein Minimalstundenlohn von 25 Franken dabei fällig wird, ergibt sich allein daraus ein Kilowattstundenpreis von 250 Franken, zusammen also 250.14 Franken. P.S. Ich erachte es als legitim, diese Betrachtung für die Schweiz darzustellen, auch wenn Manoj Bhargava diese Lösung zum Beispiel für Indien vorschlägt.

Bei der angenommenen Dauerleistung von etwas mehr als 100 Watt ist es parallel zum Pedalen kaum möglich, etwa einen Text zu schreiben oder vergleichbare produktive Tätigkeiten auszuüben; auch Freizeitbeschäftigungen wie Krimilesen oder Fernsehserienschauen sind allenfalls erschwert möglich.

250.14 Franken pro Kilowattstunde Strom, das funktioniert so nicht. Somit müssen jene Menschen, die den Hometrainer-Generator nutzen, als Energiesklaven bezeichnet werden. Übrigens: dient der Hometrainer-Generator als Werkzeug für die körperliche Fitness, sieht die Sache leicht anders aus. Allerdings würde mit einer Stunde Fitnessarbeit nicht einmal die Energie für die Erwärmung des Wassers für die nachfolgende Kurz-Dusche bereitgestellt werden können!

Das heisst: Auch wenn die Absicht, die Stromversorgung zu verbessern, uneingeschränkt zu unterstützen ist, taugt der Umsetzungsvorschlag des grosszügigen Wohlhabenden Manoj Bhargava beim besten Willen nicht.

Um Menschen nicht zu Energiesklaven zu machen, ist es deutlich vorteilhafter, den Strom mit Solarzellen oder Kleinwindkraftwerken zu produzieren zu stellen. Da kann mit geringeren Investitionskosten und deutlich weniger Zeitaufwand der gleiche Stromnutzen erzielt werden.

Grosszügiger Wohlstand ist also keine Gewähr für nachhaltige, zukunftsgerichtete Lösungen!