Silicon Valley und Ex-NASA-Astronauten

Mails sollen nach den Regeln des E-Knigge nur ein Thema behandeln – im Gegensatz dazu erlaube ich mir bei meinen Blogbeiträgen, zwei oder mehr Stichworte miteinander in Zusammenhang zu bringen. Für diesen Beitrag gehe ich aus von einem Artikel im Tagesanzeiger über den Umgang der Silicon Valley-NutzerInnen mit den voraussichtlichen Folgen des (Mensch gemachten) Klimawandels und einem zweiten Text aus der NZZ, in dem über die Forderung von 49 Ex-NASA-Astronauten berichtet wird, die NASA solle von ihrer „extremen Position“ in Sachen Klimawandel abrücken.

Das Silicon Valley in Kalifornien ist einer der weltweit führenden IKT-Cluster, also eine Zusammenballung von Firmen aus ähnlichen Wirtschaftsbereichen – der Wiki-Beitrag zum Stichwort Silicon Valley listet einige davon auf. Die örtliche Konzentration vieler Firmen aus dem gleichen Wirtschaftsbereich stellt auch ein Klumpenrisiko dar – das Silicon Valley ist als Region „too big to fail“. Und weil das Silicon Valley nahe der Bucht von San Francisco liegt, stellt ein Anstieg des Meeresspiegel ein erhebliches Risiko dar. Der Anstieg des Meeresspiegels wird als mögliche Folge des Mensch gemachten Klimawandels dargestellt. Mit diesem Hintergrund haben die demokratische kalifornische Senatorin Diane Feinstein und verschiedene UnternehmerInnen eine Fundraising-Initiative gestartet, um innerhalb von 10 Jahren eine Milliarde Dollar (in Englisch „$1 billion“) aufzutreiben, die zur Sicherung des Silicon Valleys vor den Folgen des steigenden Meeresspiegel eingesetzt werden sollen – ein erheblicher Teil der Mittel soll aus Steuergeldern stammen. Mit zu den Massnahmen gehört auch die Renaturierung von Feuchtgebieten.

Die ehemaligen NASA-AstronautInnen, die sich an der prominenten Darstellung des Mensch gemachten Klimawandels etwa auf der NASA-Homepage und insbesondere den Schilderungen möglicher Klimawandelfolgen stören, greifen einmal mehr populistisch die wissenschaftliche Seriosität der KlimawandelforscherInnen auf – sie stören sich daran, dass der Mensch gemachte Klimawandel nur mit hoher Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit absoluter Sicherheit als nachgewiesen gilt. Eine Tatsache, die der Wissenschaft schon lange klar ist – schon vor 20 Jahren wurde etwa der Begriff der „Klimaweiche“ geprägt, also jenes Phänomen, dass die reale Wetterentwicklung unter der verstärkenden Wirkung des Mensch gemachten Klimawandels statistisch betrachtet noch längere Zeit in einer Bandbreite verläuft, die auch einer durch den Menschen nicht beeinflussten Klimasituation entsprechen könnte. Wenn der absolute Beweis für den menschlichen Einfluss auf das Klima erbracht werden wird, ist es definitiv zu spät, Massnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel auf ein Mass zu begrenzen, dass für die Gesellschaft bewältigbar ist.

KlimawandelforscherInnen werden jeweils dazu aufgefordert, die Folgen des Mensch gemachten Klimawandels zu illustrieren. ForscherInnen denken in Szenarien (Wenn-Dann-Überlegungen), die Oeffentlichkeit, insbesondere die Politik und die Medien, erwarten Prognosen, also die Voraussage der Lotto-Zahlen vom übernächsten Wochenende. Nun sind bekanntlich Prognosen schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Der Unglaubwürdigkeitsvorwurf an die KlimawandelforscherInnen basiert in erster Linie auf dem Missverständnis der Oeffentlichkeit über die Begriffe Szenario und Prognose. WissenschafterInnen sind keine ProphetInnen, sondern versuchen, mit begrenzten Szenarien-Modellen (die Welt ist selber ein Labor, kann also nicht vereinfacht abgebildet) plausible Aussagen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten.

Die aufsummierte Botschaft der Wissenschaft lautet: die aktuellen Erkenntnisse über das globale Klima weisen darauf hin, dass der gegenwärtige Verbrauch an fossilen Brenn- und Treibstoffen in Verbindung mit der Emission von Gasen aus weiteren Bereichen (z.B. Landwirtschaft, Tierhaltung) zu Klimaveränderungen führt, die erhebliche Auswirkungen auf sehr viele Regionen und Lebensbereiche der Menschheit haben dürften. Wenn es gelingt, den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe und die Emission der übrigen treibhausrelevanten Gase sehr deutlich um Faktoren zu reduzieren, kann die Klimaveränderungen so weit begrenzt werden, dass sie von der Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten bewältigt werden kann. Die ÖkonomInnen unter den KlimaforscherInnen – etwa Sir Nicolas Stern – gehen davon aus, dass Massnahmen zur Begrenzung des Mensch gemachten Klimawandels rund fünf mal weniger kosten als die Massnahmen, die nötig sind, um die Folgen des Mensch gemachten Klimawandels gesellschaftlich zu bewältigen. P.S. Wer unter Klimawandel etwas anderes versteht, hat dringend umzulernen.

Klimaschutzpolitik in der Folge handelt in erster Linie davon, wie es gelingen kann, die Emissionen der voraussichtlich für den Klimawandel prägenden Gase entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu reduzieren. Seit einiger Zeit gehören zur Klimaschutzpolitik vermehrt auch Themen zur Bewältigung des Klimawandels – Klimaschutzmassnahmen und Klimawandelfolgenanpassungsmassnahmen – „Mitigation and Adaption“. Klimaschutz ist letztlich eine Art Versicherungspolice. Elinor Östrom als Wirtschaftsnobelpreisträgerin unterstützt diese Sichtweise mit der Argumentation, das globale Klima als Allmende, als Gemeingut zu verstehen, dass von niemandem übernutzt werden dürfe.

KlimawandelskeptikerInnen oder auch Climate Criminals können nicht garantieren, dass es den Mensch gemachten Klimawandel nicht gibt – es ist daher berechtigt, sowohl von Climate Criminals als auch von KlimawandelleugnerInnen zu sprechen. Interessanterweise unterstützen und fordern viele der KlimawandelleugnerInnen Klimawandelfolgenanpassungsmassnahmen, etwa Dammbauten, Gebäudesicherungsmassnahmen und dergleichen – die Aussagen von von Sir Nicolas Stern dürften die Motivation sein: Klimawandelfolgenanpassung ist fünf mal teurer als eigentliche Klimaschutzmassnahmen, die Klimawandelfolgenanpassung hat „positive“ Wirkungen auf das zynische BIP! Oder, dem deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn folgend: Klimawandelfolgenanpassung nützt jenen, die dafür bezahlen – von Klimaschutzmassnahmen profitieren alle, auch jene, die keinen Klimaschutz betreiben (Hans-Werner Sinn blendet dabei aus, dass etwa Wärmedämmmassnahmen an Gebäuden auch einen unmittelbaren direkten Nutzen haben, etwa eine Verbesserung des Komforts, tiefere Energiekosten, geringere Abhängigkeit von ausländischen Energielieferanten, …).


Es ist einmal mehr festzuhalten: Die Begrenzung des Mensch gemachten Klimawandels ist nur ein Argument, den übermässigen Verbrauch von fossilen Brenn- und Treibstoffen deutlich zu vermindern. Die Endlichkeit fossiler Ressourcen (Peak Oil, Peak Gas, Peak of Everything) ist ebenso zu beachten, aber auch, dass die meisten Volkswirtschaften die fossilen Ressourcen aus dem Ausland importieren.

Festzuhalten ist auch, dass Klimaschutz und der Ausstieg aus der Atomenergie gleichzeitig erreicht werden können.