Swisscom-Diskussionen: eine Folge der unsinnigen Telekom-„Liberalisierung“

Ende November / anfang Dezember 2005 bestimmten Diskussionen über die Swisscom die aktuellen Diskussionen. Der Bundesrat möchte einerseits die in seinem Besitz befindlichen Swisscom-Aktien abstosssen, andererseits verbietet der Bundesrat über die Veto-Möglichkeit als grösster Aktionär, bestimmte Formen von Ausland-Engagements einzugehen.

Diese Diskussionen sind letztlich die Folge einer der verschiedenen unzähligen modischen Liberalisierungen. Was jetzt stattfindet, ist so etwas wie der „Fluch der bösen Tat“.

Telekommunikations-Dienstleistungen sind so etwas wie die Nervenadern einer hochtechnisierten Kommunikationsgesellschaft. Dass diese „Nervenadern“ den Wildwest-Gesetzen der freien Marktwirtschaft ausgesetzt wurden, ist so ziemlich das Dümmste, was sich die Politik überhaupt einfallen lassen konnte. Service publique und Volkswirtschaft gehören mittelfristig zu den VerlierenInnen dieses auf Konkurrenz und Wettbewerb ausgerichteten Wirtschaftsweise. Der Streit um die letzte Meile illustriert die Absurdität dieses Vorgehens bestens. Der Aufbau eines Kommunikationsnetzes auf Basis von Kabeln ist eine ausgesprochen aufwändige Angelegenheit, sowohl in der Stadt, wo der verfügbare Platz im Boden mit all den Infrastrukturdiensleistungen (Verkehr, Wasser, Abwasser, Elektrizität, Erdgas, Fernwärme, Telekommunikations- und Kabel(fernseh)netze, Signalkabel) als auch in den dünner besiedelten ländlichen Regionen. Da macht es wenig Sinn, eine derart aufwändige Infrastruktur gerade mehrfach aufzubauen und zu unterhalten.

Was hat die Liberalisierung wirklich gebracht? Zuerst einmal einen höchst problematischen Boom in der Mobilkommunikation (Natel, Handy) – etwas vereinfacht durch den häufigsten Satz der gesprochenen Alltagssprache „Wo bisch?“ symbolisiert, oder durch das verklärte, höchst private Grinsen, wenn jemand wie Selbstgespräche führend durch die Gegend taumelt. Oder die hektischen Bewegungen, wenn jemand während einer öffentlichen Veranstaltung versucht, den in jeder Situation unpassenden Telefonsound zum Verstummen zu bringen. Vielleicht hat echte Satire ein derart schwierigen Stand, weil sie längst von der Realsatire des Handy-Alltags übertroffen wird.
Weiter ein absoluter Tarifwirrwarr mit einer Vielzahl von laufend ändernden Tarifelementen – und mit einer Werbung, die dauernd zu suggerieren versucht, dass der aktuelle Tarif so oder so zu teuer sei und es jetzt nur bei der Gesellschaft XYZ einen noch billigeren neuen Tarif gebe. – Und dann all die Geschichtlein, warum diese oder jene bequeme Dienstleistung nicht mehr funktioniert, weil die Firma XXYYZZ wieder einmal den Telefon-Provider gewechselt hat.

Dass sich der Bundesrat in einem solchen absurden Business weigert, der SWISSCOM freie Hand bei ihren Ausland-Engagements zu geben, ist sehr verständlich. Es ist schlicht und einfach ein erheblicher Unterschied, als Exekutive eines Landes die Interessen der gesamten Bevölkerung zu vertreten oder die auf hohe Eigenkapitalrendite ausgerichte Interessen einer Aktiengesellschaft im Auge zu behalten.

Mit Sicherheit zieht der Bundesrat die falschen Schlüsse aus dieser Situation: mit einer Veräusserung der Swisscom-Aktien – fast egal ob an in- oder ausländische InvestorInnen und/oder SpekulantInnen – gibt der Bundesrat die direkte Kontrolle über eine der Schlüsseltechnologien von Gesellschaft und Wirtschaft auf.
Der Weg muss in die andere Richtung gehen: Rück-Verstaatlichung / Rück-Monopolisierung der Telekom-Infrastruktur (hauptsächlich Festnetz, zurückhaltende Erschliessung im Mobilnetz) verbunden mit einem Grundangebot an Service Public-Dienstleistungen im Telekom-Bereich (Festnetztelefonie, Breitband-Internet-Zugang). Als Variante: die Infrastruktur verbleibt vollständig im Besitz der öffentlichen Hand; die Bewirtschaftung der Infrastruktur und das Grundangebot an Service Public-Dienstleistungen werden im Konzessionsverfahren periodisch ausgeschrieben, mit einem strengen Leistungsauftrag, durch welchen sichergestellt wird, dass die Unternehmen, die den Zuschlag erhalten, einerseits ökonomisch und technologisch überzeugende Lösungen anbieten, andererseits im Sozial- und Umweltbereich beispielhaft und zukunftsgerichtet handeln.