Kampagne „Game over“: Abzocken statt Kulturförderung!

Geistiges Eigentum ist zum Beispiel eine gute Idee, ist eine musikalische Komposition, ist die Interpretation eines Kunstwerkes. Es ist prinzipiell korrekt, dass die Urheberrechtsgesetzgebung geistiges Eigentum schützt.

Wenn nun die IFPI Schweiz, die Schweizer Landesgruppe der „International Federation Of Producers Of Phonograms And Videograms“, die Kampagne „Game over“ gegen das „private Raubkopieren“ startet, geht es dabei allerdings in erster Linie um Geld, um sehr viel Geld sogar. Geld, das insbesondere die InterpretInnen der Mainstream-Stilrichtungen millionenweise scheffeln, Geld, das zu wucherartigen Eigenkapitalrenditen bei der Unterhaltungsindustrie führt (im Kanton Zürich wird ein Kreditgeschäft als Wucher bezeichnet, wenn ein Jahreszins von mehr als 13.5 % verlangt wird). – Nochmals: geistiges Eigentum ist tatsächlich zu schützen, aber es kann nicht sein, dass damit übermässige Gewinne und Einkommen generiert werden.

Das Internet respektive auf der Internet-Verbindungstechnologie aufbauende Tauschbörsen (z.B. Peer-to-Peer-Netzwerke) haben – anerkanntermassen unter teilweiser Missachtung der Urheberschaft z.B. von Musikstücken – einen gewissen Ausgleich zur geldscheffelnden Unterhaltungsindustrie geschaffen. Angesichts des Geschäftsvolumens und des Gewinnpotential ist daher verständlich, dass diese Branche auf diesen interkulturellen Gratis-Austausch sehr empfindlich reagiert – und mit Bussenandrohungen operiert, die existenziell bedrohlich sind.

Nicht mit Kultur, sondern mit eher minderwertiger Software, ebenfalls durch Urheberrechts-Gesetze geschützt, hat es Microsoft-Gründer Bill Gates zu einem der reichsten Männer der Erde geschafft – und seine KundInnen ärgern sich regelmässig über die nicht wirklich brauchbare Windows-Software, für die sie vor allem wegen des Urheberrechtsschutzes zudem viel zu viel bezahlt haben. Vergleichbar ist es mit der Unterhaltungsindustrie – insbesondere Mainstream-KünstlerInnen, und parallel dazu die Tonträgerindustrie, verdienen sich mit nicht immer besonders herausragenden Machwerken erhebliche Vermögen und Renditen. – Leer gehen all jene aus, die entweder ihre geistigen Eigentümer zum Beispiel zu Gunsten der Oeffentlichkeit investieren, zum Beispiel im Interesse des Schutzes der Umwelt, oder die eigenständiges Kulturgut neben dem Mainstream pflegen. Nur: diese investieren voraussichtlich wesentlich mehr persönliches Engagement, mehr eigenes Herzblut in ihr geistiges Eigentum als die windschlüpfrigen Mainstream-Produkte. Letztendlich verhindert also die vor allem auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Urheberrechts- oder Copyright-Politik das breite Kulturschaffen und fördert den seichten Einheitsmix der kommerzialisierten Unterhaltungsindustrie. Und dies ist nichts anderes als Abzockerei.

Unterdessen gibt es Alternativen zu den privaten, kostenlosen Musik-Tauschbörsen im Internet – allerdings sind diese Angebote extrem teuer und setzen den Besitz einer Kreditkarte voraus (wiederum ein Kommerz-Abzock-Produkt). Statt einer aufwändigen und vor allem auf Repression basierenden Kampagne gegen das sogenannte „private Raubkopieren“ täte die Unterhaltungsindustrie besser daran, ihre Geschäftspraktiken zu verändern und damit tatsächliche Kulturförderung zu betreiben. Einige Stichworte dazu:

  • Gagen und Eigenkapitalrenditen in der Unterhaltungsindustrie, besondern von Mainstream-Produkten oder „Big Shots“, sind schlicht unanständig und stehen in keinem Verhältnis zu den erbrachten Leistungen. Hier ist dringend Veränderungsbedarf angesagt.
  • Die Kosten für den Kauf von Musikstücken im Internet sind um Faktoren zu vermindern. Der Kauf von Musikstücken soll auch ohne Kreditkarte möglich sein.
  • Wenn Gagen und Eigenkapitalrenditen auf ein existenzsicherndes Mass – statt der aktuellen Abzockerei – gesenkt werden, öffnet sich erheblicher Spielraum: die verminderten Copyright-Gebühren werden kompensiert durch den Absatz legal gekaufter Produkte – erst dann erfüllt die Urheberrechtsgesetzgebung ihre eigentliche Aufgabe.
  • Die Unterhaltungsindustrie muss wegkommen von der Gewinnmaximierung für die Superstars hin zu einer Ermöglichung einer existenzsicherenden Entlöhnung sämtlicher ernsthafter Kulturschaffenden.