Verabschiedung von der Humanität

Die USA unter ihrem Präsidenten Georg W. Bush haben – unter dem Deckmantel „Krieg gegen Terror“ – damit begonnen, einen der zentralen Werte der Humanität in Frage zu stellen, nämlich das Recht auf Leben. Da werden ohne jegliche Rücksicht auf humanitäre und rechtsstaatliche Grundsätze irgendwo auf diesem Planeten einfach Menschen abgeknallt – schlimmer als das Faustrecht aus der Altsteinzeit! Da werden in Generationen gewachsene Werte des menschlichen Seins ohne mit den Wimpern zu zucken über Bord geworfen. Ähnliches wird derzeit im Zusammenhang mit den Piratenüberfällen auf Schiffe vor Somalia verlangt.

Als Vorbemerkung: Gewalt in jeder Form ist ungeeignet zur Problemlösung und gehört geächtet – das gilt sowohl für die Handlungen von Regierungen als auch für das, was insbesondere die Industrieländer unter Terrorismus und Piratrie verstehen – siehe dazu der Beitrag „Fragen nach den Ursachen des Terrors“ aus dem Jahr 2005!

Terrorismus und Somalia-Piratrie sind letztlich die Folge der ungerechten und unsolidarischen Politik der Mächtigen dieser Erde – ernsthafte Bemühungen zur Verminderung des Terrorismus und der Piraterie können nur darin bestehen, dass diese Verhaltensweisen den betroffenen Menschen nicht als jeweils beste Alternative für ihre Lebensrealität erscheinen.

Somalia gehört voraussichtlich zu jenen Ländern mit den tiefsten Bruttosozialprodukten pro Person dieser Erde – offiziell sind keine Daten dazu verfügbar! Flucht, also die Suche nach einem besseren Lebensumfeld, ist eine der Möglichkeiten – wir alle kennen die Folgen dieses Verhalten, wir kennen die Akzeptanz von Gesellschaft und Politik in der Schweiz, in anderen Ländern Europas. Mit Sicherheit keine Lösung.

Vor Somalia ziehen auf Schiffen die Schätze dieser Erde vorbei – so wertvoll, dass es sich lohnt, sie um die halbe Welt zu transportieren. Angesichts des Mangels an besseren Alternativen erscheinen Versuche der Menschen in Somalia, einen Bruchteil dieses Wohlstandes für sich abzuzweigen, als verständlich. Wenn die Reichen und Mächtigen dieser Erde diese Form des Wohlstands-Transfers (berechtigterweise) nicht akzeptieren können/wollen, haben sie durch eine kluge Politik dafür zu sorgen, dass es Lebensformen auch in Somalia gibt, die für die dort lebenden Menschen als beste Alternative erscheinen. Denn etwas ist klar: mit Gewaltanwendung lässt sich die Sicherheit der Schifffahrt vor Somalia nicht erreichen!

Wenn nun sowohl Regierungen als auch Einzelpersonen in den Industrieländern verlangen, die freie Seefahrt sei nötigenfalls mit Gewalt zu erzwingen, kommt damit zum Ausdruck, dass diese Menschen und Länder nicht an den Hintergründen von Terrorismus und Piratrie interessiert sind, sondern sich letztlich nur für die Erhaltung ihrer Privilegien engagieren – mit Sicherheit keine dauerhafte und für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung!

Es ist zu hoffen, dass die Weltgemeinschaft endlich die Warnzeichen erkennt, die durch Terrorismus und Piratrie zum Ausdruck kommen – und dass endlich nach Lösungen gesucht wird, die eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes ermöglichen – im vollen Wissen darum, dass der übermässige Konsum und Wohlstand der Industrieländer (Stichwort ökologischer Fussabdruck) durch nichts zu rechtfertigen ist – und ursächlich verantwortlich ist dafür, dass es anderen Menschen auf diesem Planeten schlecht, sehr schlecht geht!