Sicherheitspolitik: Nicht den Militärs überlassen!

Chef der Armee Christophe Keckeis, ab 1.1.2008 nur noch Herr Christophe Keckeis, hat es geschafft: er hat eine skandalträchtige Botschaft durch ein Skandälchen verstecken können. Clevere Sache!

Die Medien und andere in diesem Land kümmern sich vor allem darum, dass zur Verabschiedung des Chefs der Armee geplant war, mit Steuergeldern ein Buch von und mit Christophe Keckeis an die obersten 5’000 OffizierInnen der Schweizer Armee zu verteilen – ein Buch, das offensichtlich auch einiges zur Sicherheitspolitik der Schweiz enthält, gesponsert in wesentlichen Teilen von der Waffenindustrie. Das also das Skandälchen – vielleicht dadurch bereinigt, dass Bundesrat Samuel entschieden hat, dass diese Bücher nicht gekauft werden.

Der eigentliche Skandal ist allerdings, dass hier Sicherheitspolitik ausserhalb der allgemeinen Oeffentlichkeit diskutiert wurde. Es ist schlicht nicht mehr zeitgemäss, wenn die Verfasser dieses Buches meinen, dass Sicherheitspolitik eine Gratis-Domäne der OffizierInnen ist, während sich alle anderen dieses Werk für 40 Franken kaufen müssen.

Denn: Herr Keckeis sagt gemäss einem Artikel im Tages-Anzeiger vom 16.11.2007 markige Dinge zur Sicherheitspolitik, die eine Antwort der Gesellschaft an die Militärs erfordern. Mit dem Skandälchen über die Steuergelder für die Bücher an die OffizierInnen konnte erreicht werden, dass keine inhaltliche Diskussion über die Ansichten der Militärs stattfinden. Und dies ist nicht unproblematisch, wird doch klar, wie abhängig die aktuelle Sicherheitspolitik von den Lieferwünschen der Waffenindustrie ist.

Die Armee ist nicht einsatzbereit für die Verteidigung eines militärischen Angriffs gegen die Schweiz. Mit diesem Risiko müssen wir leben. Ein Zitat von Chef der Armee.

Der militärische Angriff auf die „moderne“ Schweiz hat aus historischer Sicht betrachtet noch gar nie stattgefunden. Viel weitergehend: da ein militärischer Angriff in keiner Art und Weise wünschbar ist, darf die Verteidigung gegen (resp. die Abwehr) eines militärischen Angriffs keine Option der Schweizerischen Sicherheitspolitik sein! Die Folgen eines gewalttätigen Konflikts aus ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Sicht sind derart verheerend, dass die Sicherheitspolitik dafür zu sorgen hat, dass ein solcher Angriff nicht mal gedacht wird, von gar niemandem auf dieser Erde.

Eine solche Sicherheitspolitik

  • setzt auf Konfliktverhinderung – lokal, regional, global.
  • setzt auf Klimaschutz – die menschgemachte Klimaveränderung stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
  • setzt sich für die gesicherte öffentliche Wasserversorgung für sämtliche Menschen ein – Wasser als Lebensmittel sellt ein erhebliches Konfliktrisiko dar.
  • sorgt für eine effiziente Energienutzung hauptsächlich basierend auf einheimischen und erneuerbaren Energieträgern.
  • setzt sich für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung ein.
  • setzt sich für eine erhebliche Einschränkung der Waffenproduktion ein – sowohl grosse wie kleine Waffen.

Wenn die Schweiz eine solche Sicherheitspolitik betreiben würde, würde das Risiko eines militärischen Angriffs gegen die Schweiz mit Sicherheit nicht bestehen.

Keckeis fordert zudem mehr Engagement bei der internationalen Friedenssicherung.

Friedenssicherung – das ist neben den Blauhelmen eben auch „Peace Enforcement“ (Friedenserzwingung). Peace enforcement ist Krieg, siehe Beispiel Afghanistan mit der ISAF. Seit 2001 ist die UNO-Mission im Gange – und ein Erfolg – also ein dauerhafter Friede in Afghanistan – ist in weiter Ferne. Möglicherweise vertragen sich Zwang und Friede nicht – Gewalt ist und bleibt, ob für oder gegen den Frieden. Offenbar ist Friede auf dem Weg des „Peace Enforcement“ nicht zu erreichen. Das Mitmachen der Schweiz ist nicht einfach ein Naturgesetz. Das Militärgesetz hält in Art. 66a, Absatz 2 fest: Die Teilnahme an Kampfhandlungen zur Friedenserzwingung ist ausgeschlossen. Wenn aus dem Chef der Armee wieder Herr Keckeis geworden ist, kann er ja versuchen, diese gesetzliche Bestimmung auf dem dafür vorgesehenen demokratischen Weg zu ändern. Es ist allerdings davon auszugehen, dass diesem Weg in dieser Frage kein Erfolg in Aussicht gestellt werden kann.

Auf jeden Fall: Sicherheitspolitik darf nicht den Militärs überlassen werden!


Nachtrag 21.11.07: der Bundesrat hat entschieden, dass Korpskommandant Luc Fellay als „Special advisor to the director“ am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (Geneva Centre for Security Policy (GCSP)) eingesetzt wird. Also wieder ein Militär als speziellen Berater für Sicherheitspolitik. Dies ist wirklich nicht mehr zeitgemäss!

Erste Fassung: 20.11.2007