Neu denken!

Im Januar 2009 Klaus Wellershoff, Chefökonom der UBS, im Februar 2009 der amerikanische Präsident Barack Obama: Beide teilen der Welt mit, dass Menschen in vielen Ländern über die Verhältnisse gelebt haben:
Klaus Wellershof: Es müsste die Einsicht reifen, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Und eben nicht nur in den USA, sondern auch in Grossbritannien, in Spanien und Irland sowie in einer Reihe weiterer Länder in Europa und Asien. Wir sollten uns gewöhnen an eine Welt, die vielleicht auf einem tieferen Wohlstandsniveau lebt und auch langsamer wächst.
Barack Obama: Nun ist der Tag der Abrechnung für die Amerikaner gekommen, nachdem sie lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt, Regulierungen abgeschafft und kaum langfristige Finanzplanung betrieben haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

„Über die Verhältnisse leben“ – mehr beanspruchen, als jeder und jedem zusteht – auf zu grossem Fuss leben – einen zu grossen (ökologischen) Fussabdruck haben. Sowohl die Ökonomie wie die Ökologie vertragen die aktuellen Ansprüche eines eher kleinen Anteils der Bevölkerung dieses Planeten nicht. Gier und Geiz der hedonistischen (liberalen Gesellschaft) sind kein Zukunftsmodell, sondern führen zu existenziellen Herausforderungen für die Menschheit.

Abschied nehmen von der Verschwendung“ titelt der Ethiker Otto Schäfer und führt dazu aus: Ethische Überlegungen legen nahe, in der Energiepolitik auf Effizienz und Suffizienz zu setzen. Doch rechnet die Ethik oft zu wenig mit der Trägheit und Widersprüchlichkeit der Menschen. Wahrscheinlich ist ein kollektiver Trauerprozess notwendig, um uns von unserer verschwenderischen Lebensweise zu verabschieden.

Zuerst die wachsende Erkenntnis über den menschgemachten Klimawandel, Stichworte IPCC, Al Gore (Eine unbequeme Wahrheit – An Inconvenient Truth), dann die Finanzwirtschaftskrise: es braucht viel, bis die Alarmzeichen wahrgenommen werden, bis Handlungsbereitschaft besteht. Doch auch dann immer noch: Konjunkturprogramme, die im wesentlichen jene Strukturen erhalten wollen, die nicht nachhaltig sind (z.B. Abwrackprogramme für Autos, eine überdimensionale und auf „noch mehr vom Gleichen“ ausgerichtete Bauwirtschaft).

Was es jetzt vordringlich braucht:


Nachtrag 28.2.09

Warren Buffett schlägt in einem Brief an die Investoren seiner Holding Berkshire Hathaway einen ausgesprochen optimistischen Ton an. Optimismus ist nicht nur bei der Finanzwirtschaftskrise ein wichtiger mentaler Faktor, das gleiche gilt auch für die Ökologie, zum Beispiel der Ja-Anteil von 76.4 % bei der Abstimmung in der Stadt Zürich zur 2000-Watt-Gesellschaft am 30. November 2008. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Demokratie und Markt wichtige Triebkräfte des Wohlstandes vieler Länder sind. Nur: dieser Wohlstand hat bekanntlich einen Preis, er geht zulasten von Menschen in anderen Regionen und zukünftiger Generationen. Dieser Buffett-Optimismus von den besten Tagen der USA, die noch bevorstehen, kommen daher, dass grosse Teile der Bevölkerung einiger weniger Staaten deutlich über die Verhältnisse leben, letztlich also nicht nur von den ihnen zustehenden Zinsen leben, sondern vom Kapital auch anderer Menschen! Der ökologische Fussabdruck ist eine der Grössen zur Illustration dieser übermässigen Beanspruchung, siehe dazu u.a. Wikipedia. Pro Mensch auf dieser Erde stehen 1.8 Hektar Fläche zur Verfügung. Eine Mensch in den USA braucht 9.7 ha, über 5 mal mehr, als verfügbar ist – auch in Europa, damit auch der Schweiz, beansprucht der durchschnittliche Bewohner, die durchschnittliche Bewohnerin mehr als doppelt so viel von diesem Planeten, wie zur Verfügung steht! Es ist zu hoffen, dass die aktuelle Finanzwirtschaftskrise die Möglichkeit bietet, eine Wirtschaftsweise zu formulieren, die allen Menschen gute Tage – den meisten Menschen, allerdings nicht jenen in den USA und in Europa, sogar bessere Tage – bringt, mit einem ökologischen Fussabdruck, welcher nicht grösser ist als die verfügbaren Kapazitäten. Doch dies ist wirklich möglich, das muss die Menschen wollen – das ist echter Optimismus, und nicht einfach Buffett’scher Egoismus bezogen auf das eigene Aktien-Portefeuille! Haben oder Sein – Erich Fromm – das ist hier die Frage: was genau macht gutes Leben, besseres Leben eigentlich aus?


1. Fassung 26.2.09