Herr Blocher, so nicht!

Am 10. Dezember 2003 wurde Herr Blocher in den Bundesrat gewählt – am 20. Dezember 2004 hat er eine erste Jahresbilanz gezogen. Seine Aussagen sind derart widersprüchlich und beliebig, dass er einmal mehr beweist, dass er als Bundesrat ungeeignet ist.

Unternehmen haben eine betriebswirtschaftliche Sichtweise

Herr Blocher möchte den Staat wie ein Unternehmen führen. Soweit dies das
Alltagsgeschäft betrifft, mag dies noch angehen – aber effiziente Verwaltungsführung
war schon vor Herr Blocher ein Alltagsthema in den Verwaltungen. Ein Unternehmen kann sich auf
die betriebswirtschaftliche Sicht der Dinge beschränken – es kann sich beispielsweise auf das
Ziel einer möglichst grossen Eigenkapital-Rendite beschränken.

Die Allgemeinheit braucht eine umfassendere Sicht als Unternehmen

Der Allgemeinheit ist damit allerdings nicht immer gedient. Als ein Beispiel: Produktion und Verkauf
von übermässig Treibstoff verbrauchenden Fahrzeugen – dazu zählt alles, was mehr
als 3 lt Benzin oder Diesel auf 100 km braucht – steigert mit Sicherheit die Eigenkapitalrendite der
verkaufenden und produzierenden Unternehmen. Nur: dieses betriebswirtschaftliche optimierte Verhalten
hat Nachteile, zum Beispiel führt dies zu einem deutlich erhöhten Ausstoss des
Treibhausgases CO2, ebenso werden übermässige Mengen von Luftschadstoffen wie
NOx oder PM10 ausgestossen – mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Umwelt
(mehr).

Ein weiteres Beispiel: Es gilt allgemein als anerkannt, dass der Energieverbrauch der Schweiz zu senken
ist, um etwa 2 Prozent pro Jahr. Unternehmen sind sich ans Gegenteil gewöhnt, sie müssen regelmässig
mehr Umsatz machen, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Ein bestimmter Anteil des Umsatzes wird
also für Marketingmassnahmen verwendet – Red Bull beispielsweise verwendet 30 % des Umsatzes fürs Marketing!

2003 gaben die Energie-Endverbraucher rund 23 Mia Franken für Energie aus. Diese Ausgaben sollten jährlich
um 2 % vermindert werden, entsprechend einer Minderausgabe von 460 Mio Franken jährlich. Nicht einmal 10 %
davon stehen dem Programm EnergieSchweiz zur Verfügung, nur ein Bruchteil davon für Marketingmassnahmen. Aus
volkswirtschaftlicher Sicht müsste der Staat wesentlich mehr Mittel ausgeben zur Förderung der
Energieffizienz, neben Marketing insbesondere Weiterbildung der Fachleute. Aber eben, in den Budgetdebatten
passiert jeweils das Gegenteil.

Während Unternehmen es sich zumindest derzeit erlauben können, ausschliesslich betriebswirtschaftlich
zu entscheiden, muss der Staat zwingend volkswirtschaftlich argumentieren, und muss zusätzlich
die externen Kosten einbeziehen. Kostenwahrheit – oder Aufgabe der lügenden Energie- und Ressourcenpreise
– ist verlangt, von Herrn Blocher hat man dazu noch nichts gehört. Es wird spannend sein, was Herrn
Blochers Partei zur CO2-Abgabe sagt, denn diese ermöglicht einen ersten kleinen Schritt Richtung Kostenwahrheit.

Der Schwindel mit der Eigenverantwortung

Eines der Lieblingswörter von Herr Blocher heisst „Eigenverantwortung“. Jede und jeder
hat sämtliche eigenen Entscheide persönlich zu verantworten. Nur: dies setzt zwingend geschlossene
Wirkungskreise voraus. Am Beispiel der übermässig Treibstoff verbrauchenden Fahrzeuge: Weil die Energiepreise
lügen, weil der Ressourcenverbrauch nur zu einem Teil kostenwirksam ist, weil die Belastung von Mensch und
Umwelt mit Schadstoffen, Lärm, Treibhausgasen, … nehezu gratis ist, gibt es keine direkte Rückwirkung aus
dem individuellen Verhalten auf die Verantwortungsausübung. Als Schlagwort mag Eigenverantwortung
gut tönen, für den Alltag ist dies ein untaugliches Konzept, solange kein geschlossener Kreis zwischen individueller
Handlung und direkter Wahrnehmung der Einwirkungen stattfindet.

Global denken, lokal handeln

Derart zynisch wie von Herrn Blocher wurde dieser Kernsatz ökologischer Politik noch selten verwendet.

Was ist damit gemeint? Am besten hilft das Internet-Programm FOOTPRINT.
Damit wird der ökologische Fussabdruck aufgrund des individuellen Verhaltens ermittelt – eine durchschnittliche
Schweizerin, ein durchschnittlicher Schweizer beansprucht etwa 2.6 Planeten – also deutlich mehr als die Erde zur
Verfügung stellt. „Global denken, lokal handeln“ meint in der Originalfassung, dass die Menschen in überentwicckelten Gebieten,
die sich so quasi als Zechpreller verhalten, endlich ihre Ansprüche an die Möglichkeiten des Planeten
Erde anpassen.

Herr Blocher braucht diesen Satz zur Legitimierung der Globalisierung – die nachweislich dazu führt, dass
die Reichen und Superreichen dieses Planeten noch reicher, die Armen und Ärmsten noch ärmer werden! Zynismus pur,
der hier von Herrn Blocher präsentiert wird.

Fragestellungen, Aufgabenanalyse und Lösungsansätze mangelhaft

Wenn Herrn Blocher ausführt: „Nur die richtige Fragestellung und die schonungslose Analyse führen weiter.„,
hat er damit sicher recht. Nur: er handelt selbst nicht danach. Ebenso, wenn er bei der Verwaltung
„schonungslose Problembestimmung und die tabulose Suche nach möglichst originellen Lösungsansätzen“ vermisst, selber
aber bei mehr als billigen Allgemeinplätzen verbleibt.

2000-Watt-Gesellschaft mit höchstens einer Tonnen CO2-Ausstoss pro Person und Jahr

Die globale Herausforderung, lokal zu lösen: Statt heute etwa 6’500 Watt Energieverbrauch pro Person ist der
Verbrauch raschmöglichst auf höchsten 2000 Watt pro Person zu vermindern – und gleichzeitig ist der CO2-Ausstoss von heute
rund 5.5 Tonnen auf unter 1 Tonne pro Person und Jahr zu senken.

Effizienz („gleiches besser“) und Effektivität („gleiches anders“) sind dabei wichtige
Elemente – erforderlich ist aber auch Suffizienz („weniger – neue Bescheidenheit“) – was einen erheblichen
Kontrast bietet zum verlangten „Wirtschaftswachstum“. Auch Herrn Blocher schliesst sich all jenen an, die diese
Forderung regelmässig und mit dogmatischem Charakter gedankenlos repetieren.

Die Fragestellung ist richtig (und wichtig): wie macht sich die Schweiz möglichst schnell auf Richtung 2000-Watt-Gesellschaft?
Bei der schonungslosen Analyse und den originellen Lösungsansätzen dieses existenziellen Themas scheitert eingestandenermassen nicht
nur Herr Blocher. Denn: erforderlich ist nichts anderes als der Abkehr von der genusssüchtigen
Konsumgesellschaft – und da gehört halt auch Herr Blocher sehr gerne dazu!