Kommentar zu den Bundesratswahlen vom 10. Dezember 2003

  • Die
    211 Stimmen für Bundesrat Leuenberger stellen ihm und der Zauberformel ein
    schlechtes politisches Zeugnis aus:
    • Herr
      Leuenberger ist fixiert worden auf seine Rolle als Beliebigkeitsschwafler,
      hin und wieder mit Unterhaltungswert, eher allerdings realsatirisch als
      wirklich lustig. Echte politische Weichenstellungen und Positionsbezüge
      sind von ihm nicht zu erwarten.
  • Die
    Zauberformel ist erhalten geblieben, einzig zwei Parteien haben einen Sitz
    getauscht. Damit bleibt der faule Zauber weiterhin erhalten, nachdem 90
    Prozent des Parlamentes in einer Mauschel-Regierung vertreten sind und
    keine unabhängige Erfolgskontrolle und keine Zielkonformitätsprüfung
    vorgenommen wird.
  • Mit
    der Wahl von Nationalrat Blocher ist ein Vertreter der Zechpreller-Haltung
    in den Bundesrat gerutscht (2 Stimmen mehr als das absolute Mehr). Damit
    ist eine gesellschaftliche Gruppe noch stärker als bis anhin im Bundesrat
    vertreten, die für einen populistischen Calvinismus steht: „Mir gehts gut,
    also hab ich das verdient“ – im vollen Wissen darum, dass dieses
    Wohlergehen zu Lasten anderer Länder und zukünftiger Generationen geht.
    Diese Anti-Solidarität (Solidarität nicht verstanden als Wehleidigkeit) steht gegen
    wesentliche Grundsätze der Aufklärung und der Demokratie. Der kategorische Imperativ nach
    Immanuel Kant und der Gleichheitsgedanke als tragende Säulen der
    Gesellschaft werden in Frage gestellt. Die reale Politik des
    Ex-Nationalrates Blocher im Bundesrat wird zeigen müssen, wie verlässlich
    und glaubwürdig sein Schwur auf die Verfassung ist. Zu erinnern ist zudem
    daran, dass Herr Blocher zwar ziemlich lautstark und auch sonst eher
    unangenehm ist, dass aber auch er genau 14.28 % resp 1/7 des Gesamtbundesrates
    ausmacht und dass in diesem Land der Souverän, also die Stimmberechtigten,
    das letzte Wort haben. Dies als Aufforderung an jene Parteien, die sich in
    den letzten Jahren vielfach darauf beschränkt haben, einfach anderer
    Meinung als Nationalrat Blocher zu sein (SP, z.T. Grüne, …): wenn es
    gelingen soll, die aktuelle Zechprellerei zu überwinden, muss es endlich
    eine glaubwürdige und nicht nach dem Populismus schielende Politik geben,
    die sich an der Notwendigkeit orientiert, dass die Schweiz weder zu Lasten
    anderer Länder noch zu Lasten zukünftiger Generationen lebt. Diese „Schrumpfung“,
    dieser Verzicht auf Überentwicklung ist gesellschaftsverträglich und
    möglichst rasch umzusetzen – für eine solidarische und gerechte Welt.
  • Das
    aktuelle Wahlverfahren – Majorz mit Absprachen (resp. Erpressungen im
    Blocher-Stil) – ist höchst unwürdig. Es ist dringlich durch das
    Proporzverfahren zu ersetzen, verbunden mit einer längst fälligen Erhöhung
    der Sitzzahl im Bundesrat.