Zivilgesellschaftliche Energiepolitik: Stromzukunft bestellen und wählen!

Die Festlegung der (ökologischen) Qualität der im eigenen Haushalt und in den übrigen persönlichen Verantwortungsbereichen verbrauchten Energien ist die allereinfachste Einflussnahme auf die Energiepolitik. Da die Politik, insbesondere die schweizerische Politik, keine echte Energiepolitik betreibt, ist die Zivilgesellschaft gefordert, hier klare Zeichen Richtung eine fossil- und nuklearfreie Energiezukunft zu setzen. Das heisst: Stromzukunft bestellen und wählen!

Die meisten StromverkäuferInnen in der Schweiz bieten die Möglichkeit, Einfluss auf die Stromqualität zu nehmen. Nein, es sind nicht die Elektronen, die je nach Bestellung anders geleitet werden. Die Wahl der Stromqualität hat daher virtuellen Charakter – wenn sich allerdings viele StromverbraucherInnen ganz gezielt für eine ökologische Energiequalität entscheiden, sind die Stromversorger gefordert, die entsprechenden Strommengen auch zur Verfügung zu halten. Und dies hat direkte Auswirkungen auf die Kraftwerkspolitik der Stromproduzenten!

Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz bietet den PrivatkundInnen als Standard-Produkt ewz.naturpower – mehrheitlich Strom aus „naturemade basic“-zertifizierten Wasserkraftwerken und einen Anteil aus „naturemade star“zertifizierten Kraftwerken. Demgegenüber ist etwa bei den Elektrizitätswerke des Kantons Zürich EKZ der Standardstrom EKZ Mixstrom – überwiegend Strom aus Kernenergie und etwas Wasserkraft. Dieser Strom wird ausdrücklich als „kostengünstigstes Stromprodukt“ angepriesen.

StromkundInnen können andere Stromqualitäten wählen – sogar beim ewz ist ein Downgrading zum ewz.mixpower (heute ewz.atommixpower) möglich: Strom aus Kernkraft, Strom aus nicht zertifizierter Wasserkraft und Strom aus Kehricht. Je einen halben Rappen weniger für Hoch- und Niedertarifpreis – das macht in einem typischen 4-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3’500 kWh eine Preisdifferenz von etwa 1 Franken 50 Rappen pro Monat aus – da schenkt Stromsparen deutlich stärker ein! Es ist sicher so, dass die geringe Preisdifferenz und das ökologisch bessere Produkt als Standard eine geringe Motivation für dieses Downgrading ist.

Das gleiche gilt allerdings auch umgekehrt: EKZ bietet ein Upgrading der Stromqualität an: EKZ Aquastrom – zu einem 0.54 Rappen höheren Preis pro kWh – also eine leicht höhere Differenz wie bei ewz.

Selbstverständlich gibt es noch ökologischere Produkte – bei ewz ewz.ökopower und ewz.solartop, bei EKZ Naturstrom in drei Qualitätsstufen. Da liegt der Aufpreis teilweise deutlich höher. Zentral aber: mit 1 Franken 50 Rappen pro Monat ist der typische 4-Personen-Haushalt atomstromfrei – bei ewz passiert dies ohne Zutun der KundInnen, bei EKZ (und den meisten anderen Elektrizitätswerken) braucht dies einige wenige Klicks auf einer Internet-Seite. Mit zusätzlich 10 Franken pro Monat lässt sich die ökologische Qualität des verbrauchten Stroms nochmals deutlich steigern! Und ganz ehrlich: diese 10 Franken pro Monat sollten für jeden Haushalt drin liegen! P.S. Atomstrom ist bekanntlich darum so günstig, weil etwa die Risiko-Versicherung und die Kosten der dauerhaften und sicheren Lagerung des Atommülls nicht von den StromverbraucherInnen sondern von der Allgemeinheit getragen werden!

P.S. Die positiven Erfahrungen mit Ökostrom als Standard-Produkt in der Stadt Zürich beginnen, sich auch auf den Kanton Zürich (und damit EKZ-Gebiet) auszuwirken: Heidi Bucher-Steinegger, Grüne Kantonsrätin aus der Stadt Zürich, hat im Kantonsrat am 30. Mai 2011 eine Motion zur Neudefinition des EKZ-Standard-Stroms eingereicht.

Zusammengefasst: wer dies noch nicht getan hat, muss in zivilgesellschaftlicher Verantwortung beim Stromversorger sofort die nicht-nuklare Stromlieferung bestellen. Klar ist: wenn dies genügend Menschen tun – neben dem Haushalt auch in weiteren Verantwortungsbereichen, zum Beispiel am Arbeitsplatz – ist der Atomausstieg sehr schnell zu realisieren!


Zur Wiederholung und Verstärkung, auch wenn dies aufwändiger ist als die paar Clicks für Ökostrom: auch im Strombereich steht die Energieeffizienz an erster Stelle. Zur Beurteilung und zur Ermittlung des Handlungsbedarfes gibt es Tools wie energybox – eine einfache und uralte Version eines solchen Tools ist auch hier zu finden. Noch davor kommt Suffizienz oder LOVOS – “Lifestyle of Voluntary Simplicity“!


Auch wenn die schweizerische Politik nach dem Nationalratsentscheid vom 8. Juni 2011 entgegen den Fakten vom Atomausstieg spricht, ist noch nicht erkennbar, dass die Schweiz in einem absehbaren Zeitraum auf Atomstrom verzichten würde – zu gross sind da die Interessen der $VPFDPCVP-VerwaltungsrätInnen in den pseudo-öffentlichen Stromversorgungsunternehmen. Dies heisst: zusätzlich zur Bestellung von Ökostrom ist es auch erforderlich, PolitikerInnen zu wählen, die sich für eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung einsetzen, und dies nicht nur beim Strom. sondern bei Raumheizung, Wassererwärmung, Verkehr, Ernährung, Konsum … – und zwar sind idealerweise PolitikerInnen zu wählen, die diese Ansicht nicht erst seit Fukushima vertreten!