Wohnen nicht dem Markt überlassen

Wohnen – das Dach über dem Kopf – ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wohnraum ist auf der endlichen Erde letztlich begrenzt. Klar ist: begrenzte Güter können durch den Markt nicht nachhaltig bewirtschaftet werden. Deshalb ist das Wohnen dem Markt zu entziehen.

Wohnen als Grundbedürfnis bedeutet auch: da geht es um sehr viel Emotionen. „My Home Is My Castle“ illustriert dies, oder dass viele Gebäude als „Lieberhaberobjekte“ bezeichnet werden – da steuert also nicht mehr der Kopf die Entscheide, sondern der steinzeitliche Bauch. Das heisst aber auch: Wohnen gilt als Statussymbol – oder anders herum auch dazu, den Wohlstand, den Reichtum zu zeigen. Gerade in Zeiten, in denen der Reichtumserwerb nicht als nachhaltig bezeichnet werden kann – Stichworte Abzockerei, Heuschrecken, Boni – wird Geld auch in übergrossen und überausgestatteten Wohnungen „entsorgt“.

Es stellt sich also vorerst die gesellschaftspolitische Frage, wie viel Wohnraum einem Menschen zur Verfügung steht, unter Einbezug auch von Zweit- und Dritt-Wohnsitzen. Die mittlere pro Person beanspruchte Wohnfläche ist in den letzten Jahrzehnten nicht nur in der Schweiz erheblich gestiegen – diese Entwicklung steht direkt und indirekt als treibende Kraft hinter vielen nicht nachhaltigen Belastungen der Erde, vom Mensch gemachten Treibhauseffekt bis hin zur Verminderung der Artenvielfalt. Diverse Prognosen und Szenarien für die weitere Entwicklung der Schweiz gehen nach wie vor von einer Zunahme der beanspruchten Fläche aus. Die Kostenentwicklung im Wohnungsbereich ist zwar durch eine grosse Zahl von Faktoren mitbeeinflusst; in einer Fundamentalanalyse ist es immer der Flächenanspruch, der die Kostenentwicklung prägt.

Aus dem Grundbedürfnis nach Wohnen wird in einem gewissen Sinn ein Recht auf Wohnen abgeleitet, wobei der Umfang dieses Rechtes als individuell gestaltbare Willkür interpretiert wird. Da gehört die Sechshundertquadratmeter-Wohnung für ein Ehepaar mit Milliardenvermögen genauso dazu wie der Anspruch, als MieterIn in einer Wohnung so lange wie gewünscht verbleiben zu können – selbst wenn die früher für eine mehrköpfige Familie genutzte Vierzimmerwohnung nur noch von einer betagten Einzelperson genutzt wird, wobei die Mehrzahl der Zimmer nur noch als Archivablage des gelebten Lebens genutzt wird. Dazu kommt, dass das Gebäudeeigentum breit verteilt ist – die Mehrzahl der Eigentümerschaften verfügt nicht über das erforderliche Knowhow, ein Gebäude nachhaltig zu bewirtschaften.

Weg vom Wohneigentum hin zum Lebensabschnitte-Wohnnutzungsrecht

Die aktuelle Form des Wohneigentums führt zu erheblichen volkswirtschaftlichen Risiken. Neben dem Investment Banking waren und sind es vor allem die stark im Wohnhypotheken-Markt engagierten Banken, die die Finanzmarktkrise seit 2008 beeinflussen. Der Übergang vom Wohneigentum zum Wohnnutzungsrecht – zum Beispiel als Beteiligung an einer Immobilien-Unternehmung oder an einer Genossenschaft – führt zu einer massiven Flexibilisierung und Professionalisierung im Liegenschaftenmarkt. Im übrigen: Genossenschaften müssen nicht zwingend nur preiswerte Wohnungen anbieten.

Lenkungsabgabe mit vollständiger Rückerstattung auf Wohnflächen

Knappe, durch die Tragfähigkeit der Erde begrenzte Güter dürfen nicht dem Markt überlassen werden. Da im Wohnungsbereich ein solcher Wechsel nur langsam bewerkstelligt werden kann, braucht es zur Beeinflussung des „Marktes“ Brückeninstrumente. Eine der Möglichkeiten: eine Lenkungsabgabe auf Wohnflächen mit vollständiger Rückerstattung an die Bevölkerung.

Anmerkung: die durchschnittlich pro Person beanspruchte Wohnfläche ist derzeit stark lebensabschnittsabhängig. Familien etwa beanspruchen deutlich weniger Fläche pro Person als der Durchschnitt, Paare oder Einzelpersonen liegen in der Regel höher, regelmässig auch deutlich höher als der Durchschnitt. Eine Verminderung des heutigen durchschnittlichen Anspruchs um einen Drittel bis zu zwei Fünfteln ist anzustreben.

Sanierungsobligatorium mit Energiequalitätsvorgabe für den Gebäudepark

Die aktuelle Form des Wohneigentums mit Eigentumsgarantie/-freiheit führt dazu, dass nicht zwingend eine volkswirtschaftlich optimale Liegenschaftenbewirtschaftung erfolgt – es gehört zur Eigentumgsgarantie, Eigentum verrotten zu lassen respektive zu vernichten. Deshalb braucht es wiederum Brückeninstrumente, um eine volkswirtschaftlich betrachtet nachhaltige Liegenschaftenbewirtschaftung zu erreichen. Dazu gehört etwa die Forderung, dass bestehende Gebäude spätestens 25 – 35 Jahre nach der Erstellung oder einer umfassenden Erneuerung eine minimale Energiequalität aufzuweisen haben: mindestens Energieetikette B, besser A!

Gesellschaftspolitische Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen für alle

Wohnen als Grundbedürfnis verlangt zwingend nach einer nicht vom Erwerbseinkommen abhängigen Finanzierung des Wohnbedarfes. Das bedingungslose Grundeinkommen für alle bietet eine Ansatz für eine nachhaltige Beeinflussung des Wohnflächenbedarfes.