Wie viel Wohnraum zu welchem Preis?

Die Geschichte des 95-jährigen Herr Fischer, der seit 56 Jahren in der gleichen Vierzimmerwohnung an der Zürcher Grüngasse im Kreis 4 wohnt und jetzt wegen eines Ersatz-Neubauprojektes eine neue Wohnung suchen muss, aber keine findet, weil es nachvollziehbar keine freien Vierzimmerwohnungen für weniger als 1000 Franken pro Wohnung (auch keine kleineren, die ja eigentlich für Herr Fischer ausreichend wären) auf dem Platz Zürich gibt, hat einen hohen Mitleidfaktor. Doch mindestens eine Frage bleibt.

Eine durchschnittliche Vierzimmerwohnung in der Stadt Zürich kostet laut statistischen Angaben 1753 Franken pro Monat – mehr auf dem freien Markt, weniger für Genossenschaftswohnungen. Auch wenn es sich um eine kleine Wohnung handelt: letztlich sorgen zu günstige Wohnungen dafür, dass Substanz zerwohnt wird, dass nicht die tatsächlichen Kosten für eine Wohnung bezahlt werden. Oder anders: der Wohnungsmarkt funktioniert nicht, es werden zu wenige Wohnungen ersetzt, was letztlich die Wohnungsknappheit begünstigt (in einer Stadt wie Zürich kann neuer Wohnraum in erster Linie durch innere Verdichtung, häufig verbunden mit Ersatzneubauten, bereitgestellt werden). Dies hat auch damit zu tun, dass offenbar der Wohnungsmarkt davon ausgeht, dass Wohnungen durchaus unabhängig von der Lebensabschnittsphase quasi „lebenslänglich“ gemietet werden können.

Die durchaus brisante Frage: macht es wirklich Sinn, dass ein seit 13 Jahren alleinstehender Mensch seit 56 Jahren in einer sicher heute deutlich zu grossen Wohnung verbleibt? Gerade auch aus ökologischen Gründen macht es Sinn, den beanspruchten Wohnraum periodisch der Lebensabschittsphase anzupassen. Dies hat Konsequenzen für den Wohnungsbau: damit Menschen bei der Anpassung der Wohnungsgrösse an die Lebenssituation nicht aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden, braucht es flexiblere Wohnbauten mit veränderbaren Wohnungsformen und einen breiten Mix von Wohnungsgrössen im gleichen Geviert.

P.S. Genossenschaften kennen Belegungsvorschriften und setzen diese auch um – bieten aber auch kleinere Wohnungen an.

Diese Nachführung der Wohnungsgrösse an die Lebenssituation bietet zudem den Vorteil, dass die Wohnkosten besser dem verfügbaren Einkommen angepasst werden können.

30 bis höchstens 40 Quadratmeter ist etwa die Wohnfläche, die eine erwachsene Person auch unter Nachhaltigkeitsaspekten beanspruchen kann und darf (bei Familien sind durchaus auch tiefere Flächen pro Person möglich) – um dies zu erreichen, bietet sich eine stark lenkende, vollständig rückerstattete Wohnflächenabgabe an. Wer mehr als die durchschnittliche Wohnfläche beansprucht, bezahlt netto mehr Abgaben als jemand mit unterdurchschnittlichem Wohnflächenbedarf.

Das heisst: Mitleid mit Herrn Fischer ist zwar o.k. – es braucht aber Ansätze, um solche Tränendrüsenstories zukünftig zu vermeiden

P.S. Es ist völlig verfehlt, über die „bösen“ Spekulanten zu schimpfen, denn selbst bei gemeinnützigen Wohnbau-Genossenschaften ohne Belegungsvorschriften kommt es zu solchen Situationen. Eine nachhaltige Liegenschaftenbewirtschaftung und Ersatzneubauten gehören zusammen!